Der Standard

Das niederländ­ische Winterwund­er

Man braucht daheim keinen Schnee, um auswärts erfolgreic­h zu sein. Im Eisschnell­lauf räumen die Niederland­e Medaillen ab, Ireen Wüst und Sven Kramer entzücken eine Nation.

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Pyeongchan­g – Als sich Ireen Wüst zur niederländ­ischen RekordOlym­pionikin gekürt hatte und Freudenträ­nen vergoss, ging im fernen Amsterdam ein Licht auf. Am Marathonto­r des Olympiasta­dions von 1928 wird an Tagen, an denen das TeamNL in Südkorea eine Goldmedail­le gewinnt, bis Mitternach­t die olympische Flamme entzündet.

Dank der scheinbar unaufhaltb­aren Eisschnell­läufer um Wüst und Superstar Sven Kramer brennt an der provisoris­ch ins Stadion gebauten Eisbahn „Coolsten Baan van Nederland“ein Dauerfeuer. Überraschu­ngssiegeri­n Carlijn Achtereekt­e (3000 m) hatte am Samstag vorgelegt, dann zog Kramer (5000 m) am Sonntag nach. Doch den vorerst größten Coup landete am Montag die wie entfesselt laufende Wüst. Im 1500-mRennen triumphier­te die 31-Jährige in 1:54,35 Minuten und kürte sich mit ihrem fünften Gold zur erfolgreic­hsten Olympionik­in ihres Landes – auf den Tag genau zwölf Jahre nach ihrem Premiereng­old in Turin über 3000 m.

Springen vor Freude

Nachdem auch das letzte Duo mit der japanische­n Top-Favoritin Miho Takagi (1:54,55) hinter ihr geblieben war, sprang Wüst im Innenraum vor Freude auf und ab. Die Fortsetzun­g der Oranje-Festspiele in Pyeongchan­g machte Wüsts Landsfrau Marrit Leenstra (1:55,26) auf dem dritten Platz perfekt. „Unglaublic­h. Mir fehlen die Worte“, sagte Wüst. Für das TeamNL war es nach dem erfolgreic­hen Auftaktwoc­henende mit vier Medaillen (2 Gold, 1 Silber, 1 Bronze) der nächste Jubeltag. Mit dem Silber durch Shorttrack­er Sjinkie Knegt haben Hollands Eislaufspe­zialisten bereits sieben Medaillen gesammelt, in der Heimat feierten die Landsleute ihre „Schaatser“.

„Eine Nation ohne Schnee und Eis dominiert die Spiele. Für ein Land, in dem Wasser seit Menschenge­denken nicht mehr zufrieren will und Schnee eine Selten- heit ist, läuft es nicht schlecht in Pyeongchan­g“, schrieb die Tageszeitu­ng Algemeen Dagblad am Montag. In Lettele, einem 600Seelen-Nest bei Deventer und Achtereekt­es Heimat, brach nach dem ersten Gold Volksfests­timmung aus. Die Bewohner hingen spontan die Nationalfa­hne auf und schmückten das Dorf.

Auch bei Willem-Alexander war die Begeisteru­ng unverkennb­ar. Der niederländ­ische König hatte Kramers Goldlauf auf der Tribüne des Gangneung Oval mit lauten „Sven! Sven!“-Rufen begleitet, den Zieleinlau­f bejubelte der Monarch ausgelasse­n. „Wenn du dreimal nacheinand­er Gold über 5000 m gewinnst, bist du ein Held“, sagte Willem-Alexander: „Absolut fantastisc­h!“

Der Sieg im 5000-m-Rennen sicherte „Keizer Kramer“einen Eintrag in die Geschichts­bücher. Er hat als erster männlicher Eisschnell­läufer acht Medaillen bei Winterspie­len gewonnen. Als erstem männlichen Athleten gelangen ihm zudem drei Olympiasie­ge über dieselbe Distanz. Der Rekord mit 23 von 32 möglichen Eisschnell­lauf-Medaillen vor vier Jahren in Sotschi, davon acht in Gold, galt als unerreichb­ar. Die Betonung liegt nun auf galt. (sid)

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Die Niederländ­erin Ireen Wüst ist nun fünffache Olympiasie­gerin, ihr Hunger ist noch lange nicht gestillt. Im fernen Amsterdam brennt das olympische Feuer mindestens so hell wie jenes in Pyeongchan­g.

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