Ein kapitales Verbot, das allzu oft missachtet wird
Das Vermögen einer Kapitalgesellschaft darf nur durch Gewinnausschüttung an die Gesellschafter fließen. Dieses Verbot der Einlagenrückgewähr wird in der Praxis immer wieder verletzt. Daraus entstehen hohe Haftungsrisiken.
Während es Gesellschaftsrechtlern geradezu als Herzstück des österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts gilt, bleibt das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG, § 52 AktG) in der Praxis oftmals unbeachtet – wie nicht zuletzt zahlreiche höchstgerichtliche Entscheidungen belegen. Dabei bergen Verstöße erhebliche Haftungsrisiken für Gesellschafter, Organmitglieder und Dritte.
Für die Verbindlichkeiten einer GmbH oder AG haftet den Gläubigern der Gesellschaft grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen – auf das Privatvermögen der Gesellschafter können sie nicht zugreifen. Daher muss das Vermögen solcher Gesellschaften als Haftungsmasse ihrer Gläubiger geschützt werden. Dem dient der Grundsatz der „Kapitalerhaltung“, der mit wenigen Ausnahmen jeden Vermögenstransfer von der Gesellschaft auf ihre Gesellschafter verbietet.
Die Gesellschafter einer GmbH oder AG dürfen, solange die Gesellschaft besteht, weder ihre Einlagen zurückerhalten noch sonst auf das Vermögen der Gesellschaft greifen. Sie haben nur auf die Ausschüttung des festgestellten Bilanzgewinns Anspruch. Dasselbe gilt in einer GmbH & Co KG, bei der keine natürliche Person unbeschränkt haftet.
Das Verbot erfasst nicht nur offene Zahlungen an die Gesellschafter ohne wirksamen Rechtsgrund („offene Einlagenrückgewähr“), sondern auch Zuwendungen unter dem Deckmantel anderer Rechtsgeschäfte („verdeckte Einlagenrückgewähr“). Solche verdeckten Zuwendungen können vielfältige Formen annehmen: Die in Familienbesitz befindliche Gesellschaft errichtet ein Einfamilienhaus, das sie für 300 Euro im Monat an den Gesell- schafter vermietet; der Gesellschafter-Geschäftsführer bezieht ein fürstliches Gehalt, das in keinem Verhältnis zu seiner Tätigkeit steht; die Gesellschaft gewährt ihrem Gesellschafter ein zinsloses Darlehen.
Maßstab für die Beurteilung, ob ein Geschäft gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt, ist die Fremdvergleichsfähigkeit – also ob die Gesellschaft das Geschäft zu diesen Bedingungen auch mit einem gesellschaftsfremden Dritten abgeschlossen hätte.
Unübliche Geschäfte
Dabei ist auch zu hinterfragen, ob mit einem fremden Dritten überhaupt ein derartiges Geschäft abgeschlossen worden wäre: So weist der Oberste Gerichtshof mit Bezug auf Darlehen darauf hin, dass Nichtbanken im Normalfall keinen Geldkredit gewähren (OGH 21. 12. 2017, 6 Ob 206/17p; 29. 8. 2017, 6 Ob 114/17h). Aus diesem Grund dürfen Darlehen nur unter bestimmten Umständen ausnahmsweise an Gesellschafter vergeben werden – eine marktübliche Verzinsung allein rechtfertigt das Darlehen noch nicht.
Umgekehrt kann ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gerechtfertigt sein, wenn das Geschäft aufgrund besonderer, betrieblicher Gründe dennoch auch mit einem fremden Dritten in dieser Form abgeschlossen worden wäre. In der Praxis bleibt zwischen zulässigen und unzulässigen Geschäften freilich eine Grauzone.
Das Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst auch Geschäfte, die lediglich das Risiko eines späteren Vermögensabflusses begründen, wie ein ganz aktuelles OGH-Judikat zeigt (OGH 17. 1. 2018, 6 Ob 199/17h): Der OGH erachtet bereits die unentgeltliche Einräumung eines Vorkaufsrechts an einer Liegenschaft der Gesellschaft zu einem ungewöhnlich niedrigen Vorkaufspreis als verbotswidrig und nichtig. Maßgeblich ist, dass einem fremden Dritten das Vorkaufsrecht zu diesen Bedingungen nicht eingeräumt worden wäre. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, dass erst im Vorkaufsfall beurteilt werden könne, ob zwischen den Leistungen ein objektives Missverhältnis besteht, sieht das Höchstgericht bereits im drohenden Verkauf unter dem Marktwert einen Nachteil. Ob die Einräumung eines Vorkaufsrechts ohne vereinbarten Vorkaufspreis – also zu den von einem Dritten gebotenen Konditionen – zulässig und wirksam gewesen wäre, blieb hingegen offen.
Ähnlich verstößt nach der Judikatur bereits die Bestellung einer Sicherheit – etwa eines Pfandrechts oder einer Bürgschaft – für eine Verbindlichkeit des Gesellschafters zu nicht fremdvergleichsfähigen Bedingungen gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr – unabhängig davon, ob die Sicherheit später in Anspruch genommen wird (OGH 29. 9. 2010, 7 Ob 35/10p).
Geschäfte, die gegen das Verbot verstoßen, sind absolut nichtig. Auf eine absolute Nichtigkeit kann sich jedermann berufen, ohne dass zuvor eine Anfechtung erforderlich wäre. Der Gesellschafter hat der Gesellschaft zu ersetzen, was er verbotswidrig erhalten hat. Er haftet auch, wenn ihm durch die Leistung an einen Nichtgesellschafter ein wirtschaftlicher Vorteil zugeflossen ist oder er diese Leistung in seinem eigenen Interesse veranlasst hat. Dritte sind aber nur unter bestimmten Umständen rückgabepflichtig.
Böse Überraschungen
In der GmbH droht auch den Mitgesellschaftern unter gewissen Voraussetzungen eine Ausfallshaftung – unabhängig davon, ob sie an dem Verstoß mitgewirkt haben oder davon Kenntnis hatten. Die Gesellschafter einer GmbH oder AG, die sich durch deren Haftungsbeschränkung geschützt glauben, werden mit solchen Haftungen kaum rechnen. Dabei ließe sich das Haftungsrisiko zuweilen bei gleichem wirtschaftlichem Ergebnis vermeiden, indem auf das nachteilige Geschäft verzichtet und ein entsprechend höherer Bilanzgewinn ausgeschüttet wird. Denn was der Gesellschafter in gutem Glauben als Gewinnanteil bezieht, muss in keinem Fall zurückerstattet werden. Steuerlich wird eine Einlagenrückgewähr meist ohnedies als „verdeckte Gewinnausschüttung“zu behandeln sein.
Geschäftsführern bzw. Vorstandsmitgliedern (und unter Umständen Aufsichtsratsmitgliedern), die das verbotene Geschäft vorgenommen bzw. nicht verhindert haben, wird in der Regel eine schuldhafte Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten vorzuwerfen sein. Sie haften der Gesellschaft solidarisch auf Schadenersatz.
Schlagend werden diese Risiken insbesondere in der Insolvenz der Gesellschaft, wenn die Ansprüche der Gesellschaft von einem Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubiger geltend gemacht werden.
CLARA GORDON ist anwärterin bei Wolf gordon@wolftheiss.com
RechtsanwaltsTheiss. clara.