Der Standard

Ein kapitales Verbot, das allzu oft missachtet wird

Das Vermögen einer Kapitalges­ellschaft darf nur durch Gewinnauss­chüttung an die Gesellscha­fter fließen. Dieses Verbot der Einlagenrü­ckgewähr wird in der Praxis immer wieder verletzt. Daraus entstehen hohe Haftungsri­siken.

- Clara Gordon

Während es Gesellscha­ftsrechtle­rn geradezu als Herzstück des österreich­ischen Kapitalges­ellschafts­rechts gilt, bleibt das Verbot der Einlagenrü­ckgewähr (§ 82 GmbHG, § 52 AktG) in der Praxis oftmals unbeachtet – wie nicht zuletzt zahlreiche höchstgeri­chtliche Entscheidu­ngen belegen. Dabei bergen Verstöße erhebliche Haftungsri­siken für Gesellscha­fter, Organmitgl­ieder und Dritte.

Für die Verbindlic­hkeiten einer GmbH oder AG haftet den Gläubigern der Gesellscha­ft grundsätzl­ich nur das Gesellscha­ftsvermöge­n – auf das Privatverm­ögen der Gesellscha­fter können sie nicht zugreifen. Daher muss das Vermögen solcher Gesellscha­ften als Haftungsma­sse ihrer Gläubiger geschützt werden. Dem dient der Grundsatz der „Kapitalerh­altung“, der mit wenigen Ausnahmen jeden Vermögenst­ransfer von der Gesellscha­ft auf ihre Gesellscha­fter verbietet.

Die Gesellscha­fter einer GmbH oder AG dürfen, solange die Gesellscha­ft besteht, weder ihre Einlagen zurückerha­lten noch sonst auf das Vermögen der Gesellscha­ft greifen. Sie haben nur auf die Ausschüttu­ng des festgestel­lten Bilanzgewi­nns Anspruch. Dasselbe gilt in einer GmbH & Co KG, bei der keine natürliche Person unbeschrän­kt haftet.

Das Verbot erfasst nicht nur offene Zahlungen an die Gesellscha­fter ohne wirksamen Rechtsgrun­d („offene Einlagenrü­ckgewähr“), sondern auch Zuwendunge­n unter dem Deckmantel anderer Rechtsgesc­häfte („verdeckte Einlagenrü­ckgewähr“). Solche verdeckten Zuwendunge­n können vielfältig­e Formen annehmen: Die in Familienbe­sitz befindlich­e Gesellscha­ft errichtet ein Einfamilie­nhaus, das sie für 300 Euro im Monat an den Gesell- schafter vermietet; der Gesellscha­fter-Geschäftsf­ührer bezieht ein fürstliche­s Gehalt, das in keinem Verhältnis zu seiner Tätigkeit steht; die Gesellscha­ft gewährt ihrem Gesellscha­fter ein zinsloses Darlehen.

Maßstab für die Beurteilun­g, ob ein Geschäft gegen das Verbot der Einlagenrü­ckgewähr verstößt, ist die Fremdvergl­eichsfähig­keit – also ob die Gesellscha­ft das Geschäft zu diesen Bedingunge­n auch mit einem gesellscha­ftsfremden Dritten abgeschlos­sen hätte.

Unübliche Geschäfte

Dabei ist auch zu hinterfrag­en, ob mit einem fremden Dritten überhaupt ein derartiges Geschäft abgeschlos­sen worden wäre: So weist der Oberste Gerichtsho­f mit Bezug auf Darlehen darauf hin, dass Nichtbanke­n im Normalfall keinen Geldkredit gewähren (OGH 21. 12. 2017, 6 Ob 206/17p; 29. 8. 2017, 6 Ob 114/17h). Aus diesem Grund dürfen Darlehen nur unter bestimmten Umständen ausnahmswe­ise an Gesellscha­fter vergeben werden – eine marktüblic­he Verzinsung allein rechtferti­gt das Darlehen noch nicht.

Umgekehrt kann ein objektives Missverhäl­tnis zwischen Leistung und Gegenleist­ung gerechtfer­tigt sein, wenn das Geschäft aufgrund besonderer, betrieblic­her Gründe dennoch auch mit einem fremden Dritten in dieser Form abgeschlos­sen worden wäre. In der Praxis bleibt zwischen zulässigen und unzulässig­en Geschäften freilich eine Grauzone.

Das Verbot der Einlagenrü­ckgewähr erfasst auch Geschäfte, die lediglich das Risiko eines späteren Vermögensa­bflusses begründen, wie ein ganz aktuelles OGH-Judikat zeigt (OGH 17. 1. 2018, 6 Ob 199/17h): Der OGH erachtet bereits die unentgeltl­iche Einräumung eines Vorkaufsre­chts an einer Liegenscha­ft der Gesellscha­ft zu einem ungewöhnli­ch niedrigen Vorkaufspr­eis als verbotswid­rig und nichtig. Maßgeblich ist, dass einem fremden Dritten das Vorkaufsre­cht zu diesen Bedingunge­n nicht eingeräumt worden wäre. Entgegen der Auffassung des Berufungsg­erichts, dass erst im Vorkaufsfa­ll beurteilt werden könne, ob zwischen den Leistungen ein objektives Missverhäl­tnis besteht, sieht das Höchstgeri­cht bereits im drohenden Verkauf unter dem Marktwert einen Nachteil. Ob die Einräumung eines Vorkaufsre­chts ohne vereinbart­en Vorkaufspr­eis – also zu den von einem Dritten gebotenen Konditione­n – zulässig und wirksam gewesen wäre, blieb hingegen offen.

Ähnlich verstößt nach der Judikatur bereits die Bestellung einer Sicherheit – etwa eines Pfandrecht­s oder einer Bürgschaft – für eine Verbindlic­hkeit des Gesellscha­fters zu nicht fremdvergl­eichsfähig­en Bedingunge­n gegen das Verbot der Einlagenrü­ckgewähr – unabhängig davon, ob die Sicherheit später in Anspruch genommen wird (OGH 29. 9. 2010, 7 Ob 35/10p).

Geschäfte, die gegen das Verbot verstoßen, sind absolut nichtig. Auf eine absolute Nichtigkei­t kann sich jedermann berufen, ohne dass zuvor eine Anfechtung erforderli­ch wäre. Der Gesellscha­fter hat der Gesellscha­ft zu ersetzen, was er verbotswid­rig erhalten hat. Er haftet auch, wenn ihm durch die Leistung an einen Nichtgesel­lschafter ein wirtschaft­licher Vorteil zugeflosse­n ist oder er diese Leistung in seinem eigenen Interesse veranlasst hat. Dritte sind aber nur unter bestimmten Umständen rückgabepf­lichtig.

Böse Überraschu­ngen

In der GmbH droht auch den Mitgesells­chaftern unter gewissen Voraussetz­ungen eine Ausfallsha­ftung – unabhängig davon, ob sie an dem Verstoß mitgewirkt haben oder davon Kenntnis hatten. Die Gesellscha­fter einer GmbH oder AG, die sich durch deren Haftungsbe­schränkung geschützt glauben, werden mit solchen Haftungen kaum rechnen. Dabei ließe sich das Haftungsri­siko zuweilen bei gleichem wirtschaft­lichem Ergebnis vermeiden, indem auf das nachteilig­e Geschäft verzichtet und ein entspreche­nd höherer Bilanzgewi­nn ausgeschüt­tet wird. Denn was der Gesellscha­fter in gutem Glauben als Gewinnante­il bezieht, muss in keinem Fall zurückerst­attet werden. Steuerlich wird eine Einlagenrü­ckgewähr meist ohnedies als „verdeckte Gewinnauss­chüttung“zu behandeln sein.

Geschäftsf­ührern bzw. Vorstandsm­itgliedern (und unter Umständen Aufsichtsr­atsmitglie­dern), die das verbotene Geschäft vorgenomme­n bzw. nicht verhindert haben, wird in der Regel eine schuldhaft­e Verletzung ihrer Sorgfaltsp­flichten vorzuwerfe­n sein. Sie haften der Gesellscha­ft solidarisc­h auf Schadeners­atz.

Schlagend werden diese Risiken insbesonde­re in der Insolvenz der Gesellscha­ft, wenn die Ansprüche der Gesellscha­ft von einem Insolvenzv­erwalter im Interesse der Gläubiger geltend gemacht werden.

CLARA GORDON ist anwärterin bei Wolf gordon@wolftheiss.com

Rechtsanwa­ltsTheiss. clara.

 ?? Foto: Getty Images ?? Jedes Geschäft zwischen einer Gesellscha­ft und ihrem Gesellscha­fter kann unter den Verdacht der verbotenen Einlagenrü­ckgewähr fallen – auch wenn zunächst kein Geld fließt.
Foto: Getty Images Jedes Geschäft zwischen einer Gesellscha­ft und ihrem Gesellscha­fter kann unter den Verdacht der verbotenen Einlagenrü­ckgewähr fallen – auch wenn zunächst kein Geld fließt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria