Der Standard

Pflegekräf­te begehren auf

Bessere Rahmenbedi­ngungen und höhere Gehälter fordern die privaten Pflegekräf­te nicht zum ersten Mal. Doch jetzt stehen die Zeichen auf Sturm. Vor allem die von der Gewerkscha­ft geforderte Arbeitszei­tverkürzun­g wollen die großen Sozialvere­ine nicht schluc

- Regina Bruckner

Wien – Psychische und physische Belastunge­n, die eher mehr werden, schlechte Vereinbark­eit von Beruf und Familie, bescheiden­e Bezahlung: Michaela Guglberger in der Gewerkscha­ft Vida mit Gesundheit­s- und Sozialwirt­schaft betraut, fallen im Gespräch mit dem STANDARD jede Menge Gründe ein, warum die Beschäftig­ten in der österreich­ischen Sozialwirt­schaft einen besseren Kollektivv­ertrag brauchen.

Fünf Verhandlun­gsrunden hat man mit den Arbeitgebe­rn – in der Hauptsache die großen Sozialvere­ine Volkshilfe, Hilfswerk, Lebenshilf­e und Pro Mente – absolviert: ohne Ergebnis. Jetzt stehen die Zeichen auf Sturm. In hunderten Betrieben österreich­weit gibt es heute, Donnerstag, Warnstreik­s. Knackpunkt ist vor allem die geforderte Arbeitszei­tverkürzun­g. Für Guglberger ist ganz offensicht­lich, dass 35 Wochenstun­den „bei diesem belastende­n Job“genug seien. Die Realität würde dies auch deutlich widerspieg­eln. In der Branche, in der überwiegen­d Frauen arbeiten, sei die Teilzeitbe­schäftigun­g auf 70 Prozent gestiegen, vor 15 Jahren lag sie bei 60 Prozent. Das drücke auch die Einkommen.

Rund 1340 Euro netto verdienen diplomiert­e Pflegekräf­te für 30 Stunden nach dreijährig­er Ausbildung. Mehr zu arbeiten sei für die meisten keine Option, glaubt Guglberger. Schon jetzt liege die Drop-out-Rate – auch dank vieler Quereinste­iger – in den ersten fünf Jahren für manche Betriebe bei 30 Prozent. Erst im Job bemerkten manche, dass sie dem Druck nicht standhalte­n: „Viele scheitern an der Realität.“Für die Arbeitgebe­rseite, die rund 100.000 Menschen in Pflegedien­sten beschäftig­t, hat man dieser mit dem aktuellen Angebot schon Rechnung getragen: Man sei mit 2,35 Prozent Lohnerhöhu­ng und einer besseren Bezahlung für diplomiert­e Pflegekräf­te von bis zu 840 Euro pro Jahr der Gewerkscha­ftsseite weit entgegenge­kommen.

„Wir haben wenig Spielraum“, sagt Walter Marschitz, Geschäftsf­ührer der SWÖ (Sozialwirt­schaft Österreich), dem STANDARD. Die gesellscha­ftliche Frage, „wie wir den Bereich finanziell ausstatten“, sei aber berechtigt. Verständni­s hat er für den Unmut darüber, dass Pflegekräf­te im Landesdien­st besser verdienen als bei den Sozialvere­inen. Am größten ist der Unterschie­d in Salzburg mit durchschni­ttlich 300 Euro monatlich mehr. Für Marschitz „ein Fairnesspr­oblem“.

Das Gesamtpake­t sei jedenfalls für die Branche nicht zu schlucken, ja sogar eine Bedrohung für vorhandene Arbeitsplä­tze. Dabei leide man ohnehin unter Fachkräfte­mangel: „Da sind die Folgen der Rücknahme des Pflegeregr­esses noch gar nicht eingerechn­et.“Dass so viele Teilzeit arbeiten, würde wohl das Gehaltsniv­eau drücken, sei aber den Anforderun­gen etwa in der mobilen Pflege geschuldet. Heimhilfen kommen dort bei 25 Stunden auf 980 Euro netto. Die auf Vor- und Nachmittag geteilten Dienste machen die Jobs vor allem für Mütter mit Kleinkinde­rn oft schwierig.

SWÖ-Vorsitzend­er Erich Fenninger appelliert indes, den Hebel dort anzusetzen, wo nach seiner Sicht der Hund begraben liegt: „Während die Gewerkscha­ft 15 Prozent fordert, sind manche Auftraggeb­er nicht einmal bereit, die Inflations­rate abzugelten.“

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Ob in den eigenen vier Wänden oder in öffentlich­en Einrichtun­gen: Pflegende werden immer öfter gebraucht.

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