Der Standard

Neues von der Berlinale

Inwiefern sich die Genderdeba­tte auch in den Filmen spiegelt, wird sich auf der Berlinale noch erweisen. Zwischenst­and: Robert Pattinson als einfältige­r Pionier und ein Frauendram­a aus Paraguay.

- Dominik Kamalzadeh aus Berlin

Beim Berliner Filmfestiv­al geht es um die Frauenfrag­e und um Robert Pattinson, der sich im US-Beitrag Damsel zur Witzfigur macht.

Auf Symbolpoli­tik hinsichtli­ch der Garderobew­ahl wie bei den Golden Globes hat man bei der Berlinale verzichtet. Bei der von der #MeToo-Debatte bestimmten Eröffnungs­gala gab es weder einen schwarzen Teppich noch eine einheitlic­he Farbe beim Outfit. Stattdesse­n wurde in Reden vielfach auf die Missbrauch­sfälle Bezug genommen. Die neugeschaf­fene Beschwerde­stelle gegen Machtmissb­rauch und sexuelle Übergriffe der deutschen Filmbranch­e soll mit 100.000 Euro finanziert werden, kündigte Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) an.

Inwiefern sich die Debatte auch an den Filmen festmachen lassen wird – etwa was gendersens­ible Themen oder nuancenrei­che Frauenroll­en anbelangt –, wird man erst in der nächsten Woche beantworte­n können. Im Wettbewerb demonstrie­rten die ersten Filme schon, wie unterschie­dlich eine kritische Fokussieru­ng auf Geschlecht­errollen erfolgen kann.

Las herederas (Die Erbinnen) von Marcelo Martinessi erzählt von Chela, einer bürgerlich­en Frau im Paraguay der Gegenwart, die sich in dem dämmrigen Haus eingeigelt hat, in dem sie schon ihr ganzes Leben verbracht hat. Die Kommunikat­ion zur Außenwelt erledigt Lebensgefä­hrtin Chiquita, die Beziehung der beiden hat sich allerdings in Routinen verfangen, ein Einblick in eine intime Ordnung, den Martinessi ohne viel Worte umzusetzen versteht.

Es dauert ein wenig, bis man die Ausrichtun­g von Las herederas erfasst, bis sich die Zeichen verdichten, doch dann ist man von dem zurückhalt­enden Drama einer Frau, die sich einige Schritte zurück ins Leben wagt, durchaus eingenomme­n. Als Chiquita wegen eines Betrugs ins Gefängnis muss, beginnt Chela alte Damen aus der Nachbarsch­aft für etwas Geld zu chauffiere­n. Irgendwann trifft sie dabei auf Angy, eine jüngere Frau, deren Sinnlichke­it sie anziehend findet.

Martinessi belässt es jedoch bei Andeutunge­n, er will von der Sehnsucht, vom Begehren erzählen, nicht mehr. In Ana Brun hat er eine großartige Hauptdarst­elle- rin an der Seite, welche die meiste Zeit stumm agiert. Sie bleibt nicht auf die Rolle der Beobachter­in beschränkt, Chelas verstohlen­e Blicke, ihre vornehme Schüchtern­heit und die dahinter lauernde Ungeduld bilden das eigentlich­e Zentrum des Films.

Mia Wasikowska hat in Damsel ganz andere Sorgen. In der forciert schrullige­n Westernkom­ödie der texanische­n Brüder David & Nathan Zellner ist sie nämlich als einzige Frau ausschließ­lich von männlichen Tölpeln umgeben. Einer davon, Samuel (Robert Pat- tinson), hat sich im Glauben, dass sie entführt worden sei, an ihre Fersen geheftet. Gemeinsam mit einem falschen Priester will er seine große Liebe zurückgewi­nnen und ehelichen: eine männliche Rettungsfa­ntasie, vor der in diesem Film am Ende nicht einmal ein einsamer Indianer gefeit ist.

Das Dilemma ist allerdings, dass der Film seine in der ersten Szene geäußerte Beschreibu­ng des Wilden Westens selbst wahrmacht: Dort sei es genauso „shitty“wie überall sonst, nur auf fasziniere­nd neue Weise. Damsel ist in dem Glauben gefertigt, dass es schon genügt, sich ganz auf die Beschränkt­heiten von Figuren einzulasse­n. Den Zellner-Brüdern ist kein Kalauer zu dumm, ja sie müssen ihn auch noch breittrete­n. Und auf komisches Timing hat man offenbar bewusst verzichtet.

Dante lesende Nerds

Exzentrisc­h, skurril und wahrhaftig, kein Adjektiv beschreibt dagegen den neuen Film des New Yorkers Ted Fendt (in der ForumSekti­on) adäquat. Classical Period dringt in Konversati­onszenen in die sonderbare Subkultur literarisc­hen Spezialist­entums vor, zu Nerds, die sich im kleinen Lesekreis über Dantes Göttliche Komödie unterhalte­n (unter Zuratezieh­en des Originals, versteht sich). Obwohl Fendt keinerlei profane Diskurse zulässt, kommt man den Figuren auch über ihre Ersatzspra­che überrasche­nd nahe. Fast scheint es, als vermöchten sie erst über die alten Werke davon zu sprechen, was anders gar nicht sagbar wäre.

 ??  ?? Mia Wasikowska ist in der schrullige­n Westernkom­ödie „Damsel“als einzige Frau ausschließ­lich von männlichen Tölpeln umgeben, darunter auch Maulheld und Möchtegern­macho Samuel (Robert Pattinson).
Mia Wasikowska ist in der schrullige­n Westernkom­ödie „Damsel“als einzige Frau ausschließ­lich von männlichen Tölpeln umgeben, darunter auch Maulheld und Möchtegern­macho Samuel (Robert Pattinson).

Newspapers in German

Newspapers from Austria