Eine Konferenz auf der Suche nach Sicherheit
In München verhandeln 500 Entscheidungsträger die unübersichtliche Weltlage
Die Sicherheitskonferenz in München begann mit einem Appell: Europa müsse größere Entschlossenheit zum Einsatz seines Militärs zeigen. „Der Aufbau von Fähigkeiten und Strukturen ist das eine“, sagte die Gastgeberin, die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, am Freitag in ihrer Eröffnungsrede. „Das andere ist der gemeinsame Wille, das militärische Gewicht auch tatsächlich einzusetzen, wenn es die Umstände erfordern.“
Der französische Präsident Emmanuel Macron habe recht, wenn er dies von den Europäern einfordere und als Ziel ein Europa beschreibe, das seiner Verantwortung zum Schutz anderer gerecht werde. „Deutschland und Frankreich sind bereit, das europäische Projekt gemeinsam weiter voranzutreiben – und wir laden alle Europäer ein, mit voranzuschreiten“, erklärte von der Leyen.
500 Entscheidungsträger aus Politik, Streitkräften und NGOs haben sich zur vormaligen „Wehrkundetagung“in München einge- funden. Das Aufkommen von Sicherheitskräften ist enorm, das Hotel Bayerischer Hof ein Hochsicherheitstrakt. UN-Generalsekretär António Guterres hat sich angesagt, für die EU kommen Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Kommissar Julian King. Die Nato ist mit Generalsekretär Jens Stoltenberg vertreten.
Hotspot Bayrischer Hof
Die USA sind in diesem Jahr etwas schwächer präsent. Verteidigungsminister James Mattis reiste an, auch Sicherheitsberater H.R. McMaster. Deren Chef Donald Trump zog das Wirtschaftsforum in Davos München vor, wiewohl die Sicherheitskonferenz als der politische Hotspot gilt und Davos eher als reiner Marketingauftrieb. Immerhin: Der frühere Vizepräsident Joe Biden kam als Privatmann vorbei, um die KleistpreisLaudatio auf US-Senator John McCain zu halten, der aus Krankheitsgründen erstmals seit Jahrzehnten nicht in München weilte.
Erwartet wurde neben den britischen und französischen Premiers auch Bundeskanzler Sebastian Kurz, der am Samstag eine Rede halten sollte. Deren Grundtenor: „In Vielfalt geeint“, so Kurz, der am Freitag bereits mit seinem israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu, mit EU-Brexit-Verhandler Michel Barnier und GoogleChef Eric Schmidt zusammentraf.
Die Themenlage war wie immer so umfassend wie undurchsichtig. Theresa May etwa kam mit ihren Brexit-Positionen im Gepäck nach Deutschland, das das Lager der Befürworter auch eines harten Brexits anführt. In Sachen Ukraine sollte es Gespräche zwischen den Deutschen, Franzosen, Ukrainern und Russen geben. Unter anderem eine friedenserhaltende Truppe für den Osten (wahrscheinlich unter österreichischer Beteiligung) sollte besprochen werden. Insider erwarteten aber keinen Durchbruch. Die Gespräche seien hastig vorbereitet, weder Moskau noch Kiew hätten echtes Interesse an Ergebnissen. „Vielleicht gibt es etwas auf Papier, aber vorwiegend Papier ist das Minsker Abkommen auch“, sagte ein hoher Diplomat dem STANDARD. Vereinbarungen wür- den in diesem Fall sehr oft nicht umgesetzt.
Topthema war auch die vorübergehend olympisch beruhigte Lage auf der koreanischen Halbinsel. Ebenso der wieder aufflammende Konflikt in Syrien, Migration, Cybersecurity (neun Großkonzerne einigten sich vor der Konferenz auf eine Charta, die die Sicherheit im Netz erhöhen soll) und ganz generell die in Auflösung befindliche Weltordnung.
Der frühere deutsche Diplomat und Konferenzpräsident Wolfgang Ischinger warnte schon im Vorfeld der Tagung, dass die Welt seit Jahrzehnten erstmals wieder in großer Gefahr sei, in einen unkalkulierbaren militärischen Konflikt hineinzugeraten. Vor allem deshalb, weil sich die großen weltpolitischen Spieler wie die USA und Russland einander kaum noch vertrauen würden.
Genau deshalb war auch von Experten wie dem SWP-Chef Volker Perthes zu hören, dass sich Europa nicht mehr auf die Ordnungsmacht USA verlassen dürfe, sondern seine Sicherheit selbst in die Hand nehmen müsse.