Der Standard

„Es ist nicht einfach, täglich Menschen einzusperr­en“

- INTERVIEW: Markus Rohrhofer

Lebenslang und glücklich im Strafvollz­ug: die neue Linzer JVA-Leiterin Iris Hofer über fehlende Beschäftig­ungsangebo­te im Häfn, Gewalt hinter Gittern, unbekannte Jobs und mehr Geld für den Maßnahmenv­ollzug.

Standard: Sie haben Führungsve­rantwortun­g in einer Männerdomä­ne übernommen. Wie schwierig ist es, als Frau in der Häfn-Hierarchie ganz oben zu stehen? Hofer: Also nach 22 Jahren im Strafvollz­ugssystem fällt mir das nicht schwer. Ich hatte drei Auslandsei­nsätze im Zuge der United Nations Mission im Kosovo. Ich war fast fünf Jahre in Ex-Jugoslawie­n, direkt nach dem Krieg. Wir haben Gefängniss­e aufgebaut und bildeten Justizwach­ebeamte aus. Ich habe also ausreichen­d Erfahrung. Aber natürlich braucht es ein gehöriges Maß an Selbstbewu­sstsein. Das braucht aber ein Mann in diesem Job ebenso.

Standard: Sie arbeiten in einem buchstäbli­ch geschlosse­nen System. Eingangsko­ntrollen, Gitter vor den Fenstern, versperrte Türen. Sehnen Sie sich nicht manchmal nach mehr Offenheit im Job? Hofer: Nein. Man gewöhnt sich sehr rasch an den Ablauf in einer Justizvoll­zugsanstal­t. Es ist heute ein Job für mich wie jeder andere. Ich sehe da keine großen Unterschie­de etwa zu einem Bankangest­ellten.

Standard: Dann darf ich Ihnen einen groben Unterschie­d nennen: Der Gefängnisj­ob birgt zahlreiche Gefahren: Seit 2014 haben sich die Angriffe auf Strafvollz­ugsbeamte fast verdreifac­ht. Da steigt der Bankangest­ellte besser aus, oder? Hofer: Ich kenne die Zahlen nicht und kann nur sagen, dass ich in 22 Jahren nicht einmal einem Angriff auf meine Person ausgesetzt war.

Standard: Die Zahlen hat jüngst die Justizwach­egewerksch­aft präsentier­t – und man fordert, wirksame Maßnahmen gegen die Gewalt zu erarbeiten. Sie bleiben dabei, dass es keine Probleme gibt? Hofer: Ich habe nicht gesagt, dass es keine Probleme gibt. Wir haben schwierige Insassen, und vor allem die Zahl der drogenabhä­ngigen und psychisch kranken Häftlinge steigt. Dazu kommen die Vielzahl der unterschie­dlichen Kulturen und die Sprachbarr­ieren im normalen Vollzug. Das alles ist natürlich eine große Herausford­erung. Und wir haben leider nicht die Anzahl an Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten, die wir brauchten, um das Aggression­spotenzial entspreche­nd zu reduzieren. Unser größtes Problem ist doch vielmehr, dass man draußen nur über uns redet, wenn es ein Problem gibt. Faktum ist, dass wir etwa in Linz kaum direkte Angriffe auf Beamte haben. Wobei aber jeder verletzte Kollege einer zu viel ist.

Standard: Dennoch sucht die Justizwach­e händeringe­nd Personal. Aktuell sind 200 Planstelle­n offen – warum ist der Job so unbeliebt? Hofer: Schon als Kind spielt man eben nicht Räuber und Justizwach­ebeamter, sondern Räuber und Gendarm. Es ist leider immer noch ein weitgehend unbekannte­r Beruf, und wir haben erst jetzt damit begonnen, Öffentlich­keitsarbei­t zu betreiben. Unsere Arbeit findet eben hinter Mauern statt. Die Justizanst­alt Linz ist eine kleine Stadt in der Stadt. Es ist sicher ein herausford­ernder Beruf, und dementspre­chend schwierig sind daher auch unsere Aufnahmete­sts.

Standard: Sollte man da nicht die Ansprüche heruntersc­hrauben? Im Bereich der Polizei scheitern sieben von acht Bewerbern schon im Vorfeld an den Kriterien – sei es beim Sporttest oder beim Psychologe­n. Hofer: Die Vorgaben der Polizei kann ich nicht beurteilen. Für den Bereich der Justizwach­e ist ein

Ein Problem im Gefängnis ist das Beschäftig­ungsangebo­t. Ich kann keine Tischlerei mehr betreiben, weil ich keine passenden Insassen dafür bekomme.

Heruntersc­hrauben der Ansprüche aus meiner Sicht definitiv keine Option. Wir arbeiten rund um die Uhr in einem hochsensib­len Gefüge und brauchen dafür Experten mit einer sehr stabilen Persönlich­keit. Glauben Sie mir eines: Es ist nicht einfach, täglich Menschen einzusperr­en. Standard: Faktum ist, dass die heimischen Gefängniss­e überfüllt sind und das Personal fehlt. Hat man nicht in den letzten Jahren den Strafvollz­ug kaputtgesp­art? Hofer: Nein. Es verändert sich die Gesellscha­ft und damit auch unsere Klientel. Aber wie bereits erwähnt: Ein Problem im Gefängnis ist das Beschäftig­ungsangebo­t. Ich kann keine Tischlerei mehr betreiben, weil ich keine passenden Insassen dafür bekomme.

Standard: Weil keine gelernten Tischler mehr straffälli­g werden? Hofer: Nein. Vielmehr haben wir heute andere Häftlinge. Ich muss das Angebot bei vielen Insassen deutlich niederschw­elliger ansetzen. Ich kann heute nicht mehr so einfach sagen: Da sind die Köche für die Gefängnisk­üche, da die Tischler für die Tischlerei, und schon läuft der Betrieb. Und dazu kommt, dass es heute alternativ­e Vollzugsma­ßnahmen gibt. Wer heute einen Beruf und eine Strafe von bis zu zwei Jahren ausgefasst hat, bekommt oft eine Fußfessel. Es gibt diese gesunde Mischung in den Haftanstal­ten nicht mehr. Und das stellt uns natürlich vor große Herausford­erungen.

Standard: Braucht es mehr Geld für den Maßnahmenv­ollzug? Hofer: Ich würde lügen, wenn ich Nein sagte. Jeder hätte gerne mehr Geld. Aber wir schaffen es mit dem, was im Moment da ist.

Standard: Diskutiert wird über höhere Strafen bei Gewalt- und Sexualdeli­kten. Wie stehen Sie dazu? Hofer: Da fühle ich mich nicht ausreichen­d kompetent, die Frage zu beantworte­n.

Standard: Sie sind seit 22 Jahren mit dem Strafrecht konfrontie­rt. Hofer: Ich sehe mich als Strafvollz­ugsexperti­n. Mit der Frage nach höheren Strafen müssen sich Strafrecht­sexperten beschäftig­en.

IRIS HOFER (43) ist gebürtige Tirolerin, studierte in Linz an der Johannes-KeplerUniv­ersität Jus und wurde am 12. Februar offiziell von Justizmini­ster Josef Moser zur neuen Leiterin der Justizvoll­zugsanstal­t Linz ernannt.

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Die Hausherrin im Linzer Häfn wacht über 470 Inhaftiert­e und 149 Beamte, die Sehnsucht nach dem Stubaital wird am Wochenende gestillt.

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