Der auffällig unauffällige Trainer
Stefan Weissenböck macht als Individualtrainer beim deutschen Serienmeister Bamberg einzelne Basketballspieler besser. Der 44-jährige Mistelbacher erweckt damit bereits Interesse in der NBA. Ein Besuch in Bamberg.
Bamberg – Strullendorf, Oberfranken. Trainingszentrum des neunfachen deutschen Basketballmeisters Bamberg, nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt. Stefan Weissenböck steht in schwarzer Jogginghose und T-Shirt in der Halle und schaut sich die Wurfbewegungen der Profis an. Sein Zeitplan ist durchgetaktet, am Vormittag lässt sich die halbe Mannschaft von ihm beraten. „Wenn wir schlecht werfen im Match, ist das auch schlecht für mich“, sagt Weissenböck.
Der 44-jährige Mistelbacher gehört bei Brose Bamberg zu einem 14-köpfigen Trainerstab, auf das Coaching in Spielen hat er aber keinen Einfluss. Er ist Individualtrainer. „Ich bin bewusst unsichtbar. Die Spieler wissen, dass es mich gibt, der Headcoach weiß, dass ich seine Spieler besser mache. Ansonsten bleibe ich im Hintergrund.“
Bamberg, eine pittoreske Kleinstadt mit mittelalterlichem Kern und der weltweit höchsten Dichte an Bierbrauereien, wird liebevoll Freak-City genannt. Nirgendwo in Deutschland ist die BasketballEuphorie größer. In den vergangenen acht Jahren wurden sieben Meistertitel geholt, mit einem Etat von 18 Millionen Euro spielt man längst in Europas BasketballKönigsklasse, der Euroleague, mit. In Deutschland gibt es ein Wettrüsten mit Bayern München (16 Millionen Euro Budget), wo Uli Hoeneß große Pläne wälzt.
Die Erwartungshaltung in Bamberg ist enorm hoch. „Bei uns kommt jede Niederlage einem Begräbnis gleich, die Stadt steht kopf. Wenn wir dreimal am Stück verlieren, bleibt sogar der Buschauffeur stehen und beschwert sich. Es ist der Fluch, dauernd gewinnen zu müssen.“
Ein Headcoach wird an Erfolgen gemessen. Woran misst man einen Individualtrainer? An der Wurfquote der Spieler zum Beispiel. Weissenböck korrigiert deren Technik, Fußstellung, Bewegungsabläufe. Immer in Absprache mit den Spielern. „Ich stelle mich nicht über die Sportler, und das merken diese auch schnell.“Dass Bamberg regelmäßig Spieler an europäische Topklubs und auch an die NBA verliert, ist Bestätigung für seine Arbeit.
Mit St. Pölten wurde Weissenböck in den 1990ern dreimal Meister, er spielte 34-mal für Österreichs Nationalteam, nach Auslandsstationen an der Hawaii Pacific University, in Lissabon und Nürnberg wechselte er die Seiten. Begonnen hat Weissenböck in Nürnberg in der zweiten deutschen Liga und später in Bamberg als Assistent und VideoScout. Mittlerweile reichen ihm 30 Sekunden, um die Schwächen eines Spielers zu erkennen. Gearbeitet wird prinzipiell jeden Tag.
Eine Fernliebe
Interesse am Job des Headcoachs hat Weissenböck nicht, darum gibt es auch keine Konflikte mit dem Trainerteam um den italienischen Headcoach Andrea Trinchieri. „Es gibt Leute, die in dem Geschäft zwanzig Jahre mehr Erfahrung haben als ich. Ich glaube, ich wäre ein guter Headcoach, aber in meiner jetzigen Position bin ich besser.“
Das hat sich bis zur weltbesten Basketballliga, der NBA, herumgesprochen. Im vergangenen Jahr lehnte Weissenböck Angebote von Oklahoma City Thunder und den Brooklyn Nets ab. Sein Vertrag in Bamberg läuft noch bis 2020. „Mir taugt’s hier“, sagt der zweifache Vater. Derweil möchte sich Weis- senböck einen Job erschaffen, den es bisher nicht gibt: als Individualbetreuer, der sich mit NBA-Spielern quasi in einer Fernbeziehung befindet. Jakob Pöltl hat er bereits mit seinem Wurf geholfen, der Tscheche Tomas Satoransky (Washington Wizards) sucht Weissenböck regelmäßig im Sommer auf und um Rat an.
Das Trainingszentrum in Strullendorf befindet sich im ehemaligen Rathaus der Gemeinde. „Hier sind wir ein wenig abgeschottet, das ist wichtig.“Platz ist genug. Die Spieler haben großzügige Kabinen, neben dem Kraftraum gibt es auch eine Kältekammer für Kryotherapie (Regeneration). Weissenböck arbeitet am Tag des STANDARD- Besuchs mit dem Nachwuchs. Also Eins-gegen-einsDrills, Dribblings, Handwechsel, Techniktraining. Er gibt Kommandos, lobt, kritisiert. „Ich gebe den jungen Spielern alles mit, was ich weiß. Wenn sie schlampig sind, werde ich grantig, aber ich mache sie nie so zur Schnecke, dass sie ihr Gesicht verlieren.“
Weissenböck schwärmt von einem Sport, der sich rasant entwickle. „Es ist nicht mehr wie früher: Dribbling und Stopp. Heute tanzen Spieler übers Parkett, immer am Springen und Verzögern. Eine einfache Finte reicht nicht mehr, um zu scoren.“Auch deshalb werden NBA-Klubs weiterhin in Bamberg anrufen.