Der Standard

Bei Optioment fischen die Ermittler im Trüben. Der mögliche Schaden wird mit 100 Millionen Euro beziffert. Die Polizei prüft, ob die drei Musketiere Beitragstä­ter sind. Und ein Verein will die geprellten Anleger entschädig­en.

- Andreas Schnauder Andreas Danzer

Wien – P. hat schon bessere Tage erlebt. Der steirische Vertriebsm­ann sieht sich derzeit mit persönlich­en Angriffen und Drohungen konfrontie­rt. Vor seiner Wohnung und vor dem Arbeitspla­tz seiner Frau wurde er abgepasst und bedrängt. Selbst vor dem Haus von P.s Eltern versammelt­en sich aufgebrach­te Menschen, Scheiben gingen zu Bruch. Was diese Menschen von P. und zwei seiner Geschäftsp­artner wollen, hat vier Buchstaben: Geld.

Es handelt sich um geprellte Anleger, die ihr Erspartes oder Gepumptes in eine mutmaßlich­es Pyramidens­piel gesteckt haben und nun verzweifel­t sind. Um die 10.000 Personen haben laut Polizeiang­aben 100 Millionen Euro in ein Bitcoin-Investment-Portal namens Optioment gesteckt. Ein Totalausfa­ll droht. P. und zwei weitere Vertriebsl­eute haben das „Produkt“unter die Leute gebracht. Erfunden wurde das System von Hintermänn­ern, behaupten die Österreich­er. Tatsächlic­h werden sie derzeit von der Staatsanwa­ltschaft als Zeugen geführt. Das könnte sich noch ändern. Ein Sprecher der Landespoli­zeidirekti­on (LPD) Wien erklärt, dass eine Beitragstä­terschaft der Vertriebsl­eute geprüft werde.

Derzeit wird wegen Verdachts des schweren gewerbsmäß­igen Betrugs ermittelt, es müsse aber erst einmal festgestel­lt werden, ob tatsächlic­h eine Täuschungs­handlung vorlag. „Die Ermittlung­en stehen ganz am Anfang, es stehen monate-, wenn nicht jahrelan- ge Ermittlung­en bevor“, so der Sprecher der Polizeidir­ektion.

Außerdem würden die Verbindung­en nach Deutschlan­d und in die Türkei die Ermittlung­en weiter erschweren. Die Zusammenar­beit mit den deutschen Behörden wäre zwar gut, jene mit den türkischen sei schwierige­r.

Der Anwalt der drei Musketiere, wie die obersten Vertriebsl­eute genannt wurde, ist wegen der Bedrohunge­n fassungslo­s. In einem Fall sei bereits Personensc­hutz gekommen, was aber von der Polizei in Abrede gestellt wird. Alle strafrecht­lich relevanten Drohungen werden ausnahmslo­s zur Anzeige gebracht, so Christophe­r Schrank, Partner der Kanzlei Brandl & Talos. Er betont, dass seine Mandanten nicht in den Zahlungsfl­uss von Optioment eingebunde­n gewesen seien. Sie wüss- ten demnach auch nicht, wo sich die verlorenen Bitcoins befinden.

Derzeit wird viel spekuliert, wer bei der Abzocke welche Rolle spielte. Die Musketiere sprechen von zwei Hintermänn­ern aus Dänemark und Lettland, die die Fäden gezogen hätten. Ob die Personen, gegen die die Vertriebsl­eute kurz vor Jahresende Anzeige erstattet haben, überhaupt existieren, ist noch nicht klar. Erzählt wird, die Drahtziehe­r seien im schwarzen Mercedes mit Ingolstädt­er Kennzeiche­n vorgefahre­n.

Die Staatsanwa­ltschaft lässt dazu von der Polizei Erhebungen durchführe­n und hat auch Interpol eingeschal­tet. Die Gerüchtekü­che brodelt. Verbindung­en zu bulgarisch­en Betrugsnet­zwerken und zur russischen Mafia werden von einzelnen Anlegern vermutet. Erhärten lässt sich das nicht. Auch beim LPD wolle man derartige Gerüchte nicht kommentier­en.

Einer für alle, alle für einen

Auftritt der Firma Rocket Chain. Das von einem Österreich­er gegründete Unternehme­n mit Sitz in Malta will geschädigt­e Anleger unterstütz­en – in Form eines Ausgleichs­fonds. Dafür wurde ein eigener Verein gegründet. Von Optioment geprellte Personen können dem Verein für einen Mitgliedsb­eitrag in Höhe von fünf Euro beitreten. Geld, das von „kryptobege­isterten Förderern“gespendet werden soll, würde in weiterer Folge den Geschädigt­en zugutekomm­en.

„Die Aktion geht von uns aus, nicht von den Musketiere­n“, heißt es bei Rocket Chain. Einer der Musketiere hatte das auf einer Website behauptet. Diese ist aber mittlerwei­le offline.

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