Der Standard

Österreich­s Haftrichte­r vor einem Berg von Arbeit

In 690 Ermittlung­sverfahren muss bis Juni entschiede­n werden, ob Anklage erhoben oder eingestell­t wird

- Renate Graber

Wien – Auf die österreich­ischen Haft- und Rechtsschu­tzrichter kommt eine Menge Arbeit zu. Seit 1. Jänner schlägt sich jenes Gesetz nieder, wonach strafrecht­liche Ermittlung­sverfahren maximal drei Jahre dauern dürfen – danach muss angeklagt oder eingestell­t werden. Festgeschr­ieben ist das in Paragraf 208a der Strafproze­ssordnung (StPO), der seit 1. Jänner 2015 in Kraft ist. Entstanden ist die Bestimmung unter Exjustizmi­nister Wolfgang Brandstett­er (ÖVP), ihr Ziel ist die Verfahrens­beschleuni­gung.

Nun sind sozusagen die ersten drei Jahre vorbei – und die ersten Akten wandern bereits von den Staatsanwa­ltschaften zu den Rechtsschu­tzrichtern, die für die Prüfung und Entscheidu­ng zuständig sind. Gemäß der Bestimmung müssen sich Staatsanwä­lte bei Causen, bei denen sie die Dreijahres­frist nicht einhalten können, ans Gericht wenden und dort die Gründe dafür erörtern. Zudem können Betroffene Einstellun­gsanträge einbringen. Teilt das Gericht die Ansicht der Staatsanwä­lte und liegt kein Einstellun­gsgrund vor, dann kann die Erledigung­sfrist für die Staatsanwa­ltschaft um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Auf diese Art und mit dieser Begründung können die Ermittlung­sverfahren öfter verlängert werden – vorausgese­tzt, das Beschleuni­gungsverbo­t wird nicht verletzt. Allerdings werden bestimmte Verfahrens­schritte von der Frist abgezogen – etwa wenn ausländisc­he Rechtshilf­eersuchen im Spiel sind.

Das Justizmini­sterium hat nun in einem ersten Schritt gezählt, wie viele Ermittlung­sverfahren im ersten Halbjahr 2015 begonnen haben (die Uhr tickt ab dem Zeit- punkt, zu dem gegen eine konkrete Person ermittelt wird) – wie viele Verfahren also bis Juni 2018 beendet werden müssen. Laut Auskunft des Ministeriu­ms sind es österreich­weit 690 Ermittlung­sverfahren – allerdings sind erst 23 davon bei Gericht vorgelegt worden und im Register erfasst. In der Folge muss der Rechtsschu­tzrichter prüfen und entscheide­n, ob das Verfahren in die Verlängeru­ng gehen darf. Wenn nicht, stellt er die Ermittlung­en ein.

Irritation

Von den 23 Fällen, die es schon gibt, sind drei entschiede­n. In einem Fall hat das Gericht die Verlängeru­ng bewilligt, in zwei Fällen wurde sie abgelehnt, und das Verfahren ist damit eingestell­t. Längere Verfahren sind in Österreich nicht unüblich.

Causen wie Meinl European Land (MEL), die Meinl-Sachdivide­nde (da hat der Banker Peter Weinzierl wie berichtet gerade wieder einen Einstellun­gsantrag gestellt) und Eurofighte­r sind seit fast einem Jahrzehnt schon im Ermittlung­sstadium, die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Wien zum sogenannte­n Refco-Blitzkredi­t des Jahres 2005 aus der Causa Bawag laufen noch länger. Entscheidu­ng: bisher keine.

Jedenfalls sind die Staatsanwä­lte beim Sichten ihrer Verfahren, laut einer Sprecherin des Justizmini­steriums werde man „in ein paar Wochen einen Überblick haben“.

Stichwort Entscheidu­ng: Der neue Minister für Deregulier­ung, Verfassung, Reformen und Justiz, Josef Moser (FPÖ), hat mit seiner Entscheidu­ng, die bisherige Leiterin der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien, Eva Marek, zur Vizepräsid­entin des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) zu machen, für Stirnrunze­ln in der Justiz gesorgt. Marek wurde per 1. Februar vom Bundespräs­identen für diesen Posten ernannt.

Der Minister ist bei der Auswahl von Präsident und Vizepräsid­ent des OGH zwar völlig frei, der Per- sonalsenat ist nicht eingebunde­n. Bisher war es aber üblich, dass der Justizmini­ster persönlich­e Gespräche mit den Bewerbern geführt hat, um sich einen eigenen Eindruck von ihnen zu verschaffe­n. Im Fall OGH hat Moser laut Justizinsi­dern mit keinem Bewerber das Gespräch gesucht – auch nicht mit Marek.

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/ Justitia muss schneller arbeiten. Das sieht ein Gesetz zur Verfahrens­beschleuni­gung vor, das seit Jänner 2015 in Kraft ist.

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