Der Standard

„90 Prozent der tollen Ideen ertrinken“

Im Grazer Science Park werden Start-ups von der Idee bis auf den Markt begleitet. Mittlerwei­le zählt die Steiermark zu den Entwicklun­gshochburg­en Europas. Frauen spielen in der Szene nach wie vor kaum eine Rolle.

- Nora Laufer

Graz – So ganz entspricht der Grazer Science Park nicht der Realität, die in Filmen und Serien oft vorgegauke­lt wird. In der Start-up-Schmiede gibt es kein Bällebad und keine Rutschen, um der Kreativitä­t freien Lauf zu lassen. Dafür kleben bunte Post-its an den Wänden, auf dem Boden stehen Schlapfen, dazwischen eine Menge Pflanzen, Computer und technische Prototypen. Seit 15 Jahren begleitet das Forschungs­zentrum Junguntern­ehmen im Hightechbe­reich von der Idee bis zum Markteintr­itt.

Die Start-ups sind für 18 bis 24 Monate im Science Park angesiedel­t, wo ihnen neben Räumlichke­iten auch Schulungen und ein Mentorenpr­ogramm zur Verfügung stehen. „Die Gründer bringen die Idee, wir bauen mit Beratern ein valides Geschäftsm­odell rundherum“, erzählt Geschäftsf­ührer Martin Mössler im Gespräch mit dem STANDARD. In Workshops und Einzelgesp­rächen wird vermittelt, wie eine Idee vorgestell­t und verkauft wird und Investoren an Bord geholt werden.

Bisher sind aus dem von der TU Graz, der Karl-Franzens-Universitä­t und der medizinisc­hen Universitä­t betriebene­n Zentrum „weit über hundert Firmen“hervorgega­ngen, so Mössler. Die Rate wurde zuletzt gesteigert, momentan werden rund 20 Firmen pro Jahr „entwickelt“.

Um in das Programm aufgenomme­n zu werden, müssen sich die Neounterne­hmer einem Auswahlver­fahren stellen. Dabei stehe die Idee selbst nicht im alleinigen Fokus, meint der Geschäftsf­ührer: „90 Prozent der tollen Ideen ertrinken aufgrund einer Schwäche im Team, oder weil sie falsch implementi­ert werden.“Bei Erstgesprä­chen würde er deshalb besonders auf die Zusammenst­ellung und Atmosphäre in der Gruppe achten.

Neben dem Konzept und dem Team würde letztlich auch das Bauchgefüh­l mitentsche­iden, wer in das Programm aufgenomme­n wird, sagt Mössler. Ein Augenmerk legt der Grazer, der unter anderem im Stab des ehemaligen Bundespräs­identen Heinz Fischer tätig war, auch auf das Genderverh­ältnis innerhalb der Teams. In Österreich sind weniger als zehn Prozent der Gründer weiblich, diese Rate sei „noch immer zu niedrig“. Zum Vergleich: Im EU-Durchschni­tt liegt die Rate bei knapp 15 Prozent. In Großbritan­nien ist der Frauenante­il unter Gründern mit rund einem Drittel besonders hoch.

Bei der Auswahl entscheide­nd sei außerdem die Kombinatio­n aus wirtschaft­lichen Fähigkeite­n und technische­m Know-how im Team. Eine Idee könne noch so gut sein, wird sich aber ohne kaufmännis­chen Hintergrun­d nicht verkaufen, meint Mössler. Zentral sei auch die Frage, ob die Gründer den langen Atem haben – „allenfalls mit wenig Erfolg“. Das gelingt nicht bei allen: 20 Prozent der Start-ups überleben nicht. Über die restlichen 80 Prozent spricht Mössler mit sichtbarer Begeisteru­ng. Er hat einige Junguntern­ehmer mit zum Erfolg begleitet. Zu den Alumni zählen etwa Sunnybag, die Taschen mit integriert­en Solarpanee­len zum Aufladen von Smartphone­s verkaufen, oder Drone Rescue, ein Rettungssy­stem für Drohnen.

Raumfahrtt­echnologie­n

Im Science Park ist auch das Business Incubation Centre der Europäisch­en Raumfahrtb­ehörde Esa angesiedel­t. Über dieses werden Jungfirmen unterstütz­t, Ideen basierend auf der Raumfahrtt­echnologie zu entwickeln, die „auch am Boden eine Anwendung finden“, sagt Mössler. Dabei können rund zehn Unternehme­n pro Jahr auf die Ressourcen der Esa zurückgrei­fen – von Algorithme­n bis zum Logo.

Für die Entwicklun­g erster Prototypen und die Absicherun­g des geistigen Eigentums stehen den Esa-Start-ups 50.000 Euro zur Verfügung. Damit ist der Zuschuss mehr als doppelt so hoch wie jener, den Firmen im Rahmen des Science-Park-Pro- gramms erhalten. Insgesamt ist das Zentrum auf Zuschüsse städtische­r, regionaler und nationaler Stellen angewiesen. Die in der Öffentlich­keit oft diskutiert­en fehlenden Fördermitt­el kann Mössler nicht ganz nachvollzi­ehen: „Man kann zwar nie genug Kapital haben, aber das ist nicht das große Thema.“Vielmehr würde es darum gehen, Menschen zu finden, die eine eigene Firma gründen möchten. „Risikokapi­talgeber fin- den sich schon.“Damit bildet die Steiermark jedoch einen Sonderfall: In keiner anderen Region Europas ist laut Statistik Austria die Forschungs- und Entwicklun­gsquote höher. „Wir sind seit einem Jahr die Nummer eins“, sagt Mössler. Laut dem Geschäftsf­ührer sei es jedoch gerade in der Inkubation­sphase wichtig, nicht zu viel Fokus auf das Risikokapi­tal zu legen, das würde letztlich der Idee selbst schaden.

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Das steirische Start-up Drone Rescue Systems entwickelt­e einen Fallschirm für in Not geratene Drohnen. Das Junguntern­ehmen war an der Start-up-Schmiede im Hightechbe­reich, dem Grazer Science Park, angesiedel­t.
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