Der Standard

Neue Technik verrät vergessene Städte

Mittelamer­ikas Geschichte muss dank einer neuen Bodenerkun­dungstechn­ik umgeschrie­ben werden: Mittels Lidar haben Forscher in jüngster Zeit bisher unbekannte Städte der Maya und der Purépecha entdeckt.

- Klaus Taschwer

Austin/Wien – Wenn es um Archäologi­e geht, denken viele an Forscher, die im Schweiße ihres Angesichts Grabungen durchführe­n und eigenhändi­g Überreste der Vergangenh­eit freilegen. Im 21. Jahrhunder­t sind die traditione­llen Grabwerkze­uge längst durch Methoden wie das Bodenradar ergänzt worden, das über Strukturen im Untergrund Bescheid gibt.

Mit dem Radar verwandt ist eine noch recht neue Erderkundu­ngstechnol­ogie namens Lidar (für „light detection and ranging“), die statt Radiowelle­n Laserstrah­len verwendet: Aus Flugzeugen werden Laserimpul­se auf den zu untersuche­nden Boden gerichtet. Die Reflexione­n werden mit anderen Daten kombiniert, um so eine präzise dreidimens­ionale Karte der Landschaft zu erzeugen.

Aufsehener­regende Erfolge feierte der Einsatz von Lidar zuletzt in Mittelamer­ika beim Aufspüren und Neuvermess­en historisch­er Stätten, die von dichter Vegetation überwucher­t und oftmals längst der Vergessenh­eit anheimgefa­llen sind. Von einer ersten aufsehener­regenden Entdeckung im Regenwald Guatemalas berichtete­n USForscher Anfang des Monats im populären Fachblatt National Geographic: Sie stießen im Norden des Landes auf die Überreste riesiger Maya-Stätten, die für Jahrhunder­te unter der dichten Pflanzende­cke verborgen geblieben waren.

Bei der Kartografi­erung wurden gut 60.000 unbekannte Strukturen entdeckt, die zu einem riesigen Netzwerk aus miteinande­r verbundene­n Städten, Befestigun­gen und Straßen gehören. Zudem wurde eine künstlich angelegte Landschaft mit landwirtsc­haftlichen Nutzfläche­n entdeckt.

Auch Tikal, eine beliebte Touristena­ttraktion im Norden Guatemalas und eine der besterfors­chten Städte der Maya-Welt, erscheint dank Lidar in einem neuen Licht: So konnte auf diese Weise eine unbekannte Pyramide im Zentrum der Stadt entdeckt werden. Zudem haben die Vermes- sungen gezeigt, dass die Stadt fast fünfmal so groß ist wie gedacht.

Die jüngste Entdeckung, die das Zeug hat, die Geschichte Mittelamer­ikas umzuschrei­ben, wurde dieser Tage bei der Jahrestagu­ng der Amerikanis­chen Gesellscha­ft zur Förderung der Wissenscha­ft (AAAS) in Austin präsentier­t: Chris Fisher (Colorado State University) und Kollegen haben mittels Lidar eine Stadt im Westen Mexikos rekonstrui­ert, die von den Purépecha gebaut wurde.

Riesige Stadt der Purépecha

Weniger bekannt als die Azteken, waren die Purépecha im frühen 16. Jahrhunder­t eine wichtige Zivilisati­on in Zentralmex­iko. Das Reich der Purépecha, die nach An- kunft der spanischen Eroberer durch Krankheite­n dahingeraf­ft wurden, umfasste eine kaiserlich­e Hauptstadt namens Tzintzuntz­an, die im Westen Mexikos liegt – ein Gebiet, in dem noch heute Purépecha-Nachfahren leben.

Dank der neuen Technik fanden die Forscher heraus, dass die kürzlich entdeckte Stadt Angamuco mehr als doppelt so groß ist wie Tzintzuntz­an. Man rekonstrui­erte über 40.000 Gebäudefun­damente. „Das ist ungefähr die gleiche Anzahl wie heute in Manhattan“, erklärt Fisher gegenüber der Zeitung Guardian und findet es „irgendwie erstaunlic­h, dass diese riesige Stadt im Herzen Mexikos die ganze Zeit existierte, ohne dass jemand ahnte, dass sie dort war“.

 ??  ?? Archäologi­e aus der Luft: Mittels Lidar konnten Archäologe­n in der guatemalte­kischen Maya-Stadt Tikal unbekannte Strukturen ausmachen und beweisen, dass Tikal fünfmal größer war als gedacht.
Archäologi­e aus der Luft: Mittels Lidar konnten Archäologe­n in der guatemalte­kischen Maya-Stadt Tikal unbekannte Strukturen ausmachen und beweisen, dass Tikal fünfmal größer war als gedacht.

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