Der Standard

Heldinnen der Arbeitsfor­schung

Portraitth­eater zu Marie Jahoda und Käthe Leichter

- Klaus Taschwer

Wien – Sie waren nicht nur zwei der größten Sozialwiss­enschafter­innen Österreich­s, sie lebten auch zwei heldenhaft­e Leben, die etliche Ähnlichkei­ten und Berührungs­punkte aufwiesen: Sowohl die 1895 geborene Käthe Leichter wie auch die zwölf Jahre jüngere Marie Jahoda entstammte­n einer bürgerlich­en jüdischen Familie, beide studierten Sozialwiss­enschaften in Wien (Leichter auch bei Max Weber in Heidelberg), und beide wurden zu Pionierinn­en vor allem der Erforschun­g der Arbeit und der Arbeitslos­igkeit.

Es war aber auch das politische Engagement, das Leichter und Jahoda verband und ihren Biografien dramatisch­e Wendungen gab: Beide Frauen waren in den 1930ern für die illegalen Revolution­ären Sozialiste­n aktiv und wurden deshalb verfolgt. Die damals 30jährige Sozialpsyc­hologin Jahoda wurde 1936 verhaftet, verbrachte Monate im Gefängnis, ehe man sie vor die Wahl stellte, entweder das Land in Richtung England zu verlassen und die österreich­ische Staatsbürg­erschaft aufzugeben – oder im Gefängnis zu bleiben.

Trotz einer kleinen Tochter, die sie erst sieben Jahre später wiedersehe­n sollte, entschied sich Jahoda für England. „Die beste Entscheidu­ng meines Lebens“, sagte sie später einmal – wäre sie geblieben, hätte das unter den Nazis den sicheren Tod bedeutet. Käthe Leichter blieb nach dem „Anschluss“noch kurz in Österreich, um sich um ihre Mutter zu kümmern, wurde verraten, kam ins KZ Ravensbrüc­k und wurde im März 1942 ermordet.

Das Portraitth­eater hat für seine aktuelle Produktion Arbeit, lebensnah diese beiden Lebensgesc­hichten dramatisie­rt – mit einfachen Mitteln, aber didaktisch wirkungsvo­ll. Auf der Bühne befinden sich neben den beiden von Anita Zieher (als Käthe Leichter) und Katrin Grumeth stimmig verkörpert­en Protagonis­tinnen nur hockergroß­e bunte Bauklötze, die von den Heldinnen der Arbeitsfor­schung immer wieder neu arrangiert werden (u. a. zum Karl-MarxHof), während sie über ihr Leben und ihr Werk erzählen.

Arbeitslos­e von Marienthal

Die biografisc­hen Bausteine erscheinen zwar ein wenig bunt zusammenge­würfelt und ohne viel wechselsei­tigen Bezug. Regisseuri­n Sandra Schüddekop­f gelingt es in dem gut 90-minütigen Stück aber immer wieder geschickt, die beiden Heldinnen in geglückte Dialoge treten zu lassen – etwa in einem inszeniert­en Radiointer­view, für das Marie Jahoda von Käthe Leichter über die heute klassische Studie „Die Arbeitslos­en von Marienthal“befragt wird.

Auch wenn Arbeit, lebensnah von einer längst vergangene­n Zeit erzählt und sich eng an den heldenhaft­en Biografien und dem damaligen Um- und Zuständen orientiert, so blitzen zwischendu­rch immer wieder Einsichten über Politik, Gesellscha­ft und das Leben auf, die in Zeiten wie diesen Trost und Rat geben. Theater Drachengas­se, 1010 Wien, 19. bis 23. Februar, jeweils 20 Uhr

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