Der Standard

Der Satiren-Überzieher

Ein Versuch von Vizekanzle­r Strache offenbart: Satire ist kein Herrschaft­smittel

- Ronald Pohl

Das letzte „Lei, lei“war noch gar nicht verklungen. Man meinte, das Ertragen des Villacher Faschings hätte das Bedürfnis nach brachialsa­tirischer Belustigun­g in diesem Land fürs Erste gestillt. Da, gerade rechtzeiti­g zum Ausklang des Faschings, reihte sich Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache noch rasch unter die Satiriker ein. In einem Facebook-Posting definierte er – in deutlicher Anlehnung an eine ORF-Werbekampa­gne – den Österreich­ischen Rundfunk als Ort, „an dem Lügen zu Nachrichte­n werden“.

Über den zweifelhaf­ten Wahrheitsg­ehalt dieser Äußerung werden sich laut Aussage von ZiB 2- Anchorman Armin Wolf die Vertreter der heimischen Justiz die Köpfe zu zerbrechen haben. Wolfs Konterfei ist es, das den freiheitli­chen Satireauft­ritt illustrier­t (Untertitel: „ORF wie wirr“). Der persönlich­e Angriff leistet den Hinweis, wer in den Augen des Vizekanzle­rs für die Produktion von „Lügen“einzustehe­n habe.

Weil das offenbar noch nicht genug Satire ist, wird in Anlehnung an Trump das Informatio­nsangebot des ORF als „das Beste aus Fake News, Lügen und Propaganda, Pseudokult­ur und Zwangsgebü­hr“verhöhnt. Und weil eine derart unlustige Attacke auf ein Medienunte­rnehmen in unseren Breiten, gelinde gesagt, ungewöhnli­ch ist, musste Strache seiner satirische­n Bemühung den Beipackzet­tel eilig dazulegen. Bei dem Spottposti­ng handle es sich um eine „klar ersichtlic­h überzogene Satire!“. an vermag sich gar nicht auszumalen, wie denn in Straches Augen eine Satire auszusehen hätte, bei der er – vielleicht um den Spaß nicht zu weit zu treiben! – für einmal nicht überzieht. Der Umstand, dass Satire die von ihr aufgespürt­en Übelstände konsequent übertreibt, entspringt keiner Ethik der Unverantwo­rtlichkeit. Schon gar nicht liegt ihm eine Haltung von Jux und Tollerei zugrunde.

Satire stellt, wenn notwendig, Sachverhal­te von öffentlich­em Interesse auf den Prüfstand, um sie als Missstände zu erweisen, und zwar vor aller Augen. Die Schärfe, deren sie sich dabei gelegentli­ch bedient, ist der Einsicht in das Funktionie­ren real wirksamer Kräfteverh­ältnisse geschuldet. Hohn und Übertreibu­ng sind Mittel der Schwachen. Sie sollen dazu dienen,

Mdie Anmaßung der Macht, ihre Neigung zu Korruption und Missbrauch wohlkalkul­iert der Lächerlich­keit preiszugeb­en.

Bizarr wird der Sachverhal­t, wenn ehrwürdige Werkzeuge der Satire von der Hand dessen, der aus Gründen der Aufklärung jemand Mächtigere­n als verlogen brandmarkt, direkt in diejenige der Regierungs­macht übergehen soll. Satire ist kein übertragba­res Gut, das beliebig die Seiten wechselt. Mit der Macht ist ohnehin nicht zu spaßen – auch dann nicht, wenn ihr Inhaber ein auf die heimische Verfassung vereidigte­r Vizekanzle­r ist.

Wer, wie Strache, in angeblich satirische­r Absicht „klar ersichtlic­h überzieht“, der okkupiert eine satirische Notwehrmaß­nahme, die nicht für seinesglei­chen vorgesehen ist. Und so wird man wiederum der freiheitli­chen Unsitte gewahr, der Kunst – der die FPÖ gewohnheit­smäßig misstraut – und der Satire „Narrenfrei­heit“zu unterstell­en, nur um die beiden um ihre Unbotmäßig­keit insgeheim zu beneiden.

Noch ist an Strache kein gottbegnad­eter Satiriker verlorenge­gangen. Doch gnade Gott, alle Regierende­n würden mit der nämlichen Lustigkeit Ernst machen.

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