Wenn das Wohnhaus zum Hotel wird
Kurzzeitvermietungen an Touristen nehmen zu. Bei Neubauprojekten wird die Erlaubnis dafür oft schon im Wohnungseigentumsvertrag verankert. Mancher Experte bezweifelt aber die Rechtswirksamkeit so einer Klausel.
Wien – Wer eine Eigentumswohnung als Ferienwohnung vermieten will, braucht dafür die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer des Hauses. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) im Jahr 2014 klargestellt. „Die touristische Nutzung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjekts für die Dauer von jeweils zwei bis 30 Tagen ist eine genehmigungspflichtige Widmungsänderung“, so der OGH damals. Weil eine solche Genehmigung aller anderen Eigentümer aber in vielen Fällen nur sehr schwer bis gar nicht zu bekommen ist, gehen immer mehr Bauträger dazu über, bei Neubauprojekten das Thema Kurzzeitvermietung in die Wohnungseigentumsverträge hineinzuschreiben.
„Die Vertragsparteien vereinbaren ausdrücklich, dass diese auch berechtigt sind, ihre Wohnungseigentumsobjekte als Serviced Apartments bzw. Ferienwohnungen unternehmerisch zu nutzen, somit (auch kurzfristig) zu vermieten und Dritten (auch Touristen) entgeltlich zu überlassen“, heißt es im WE-Vertrag eines aktuellen Wiener Bauprojekts (siehe Faksimile). Makler empfehlen Bauträgern diese Vorgangsweise zumindest in gewissen Lagen auch ausdrücklich. „Projekte mit einer im Wohnungseigentumsvertrag verankerten Erlaubnis für Kurzzeitmietverträge wie etwa über Airbnb haben insbesondere für kleinere Wohnungen aktuell bessere Vermarktungschancen als jene ohne eine derartige Genehmigung der WE-Gemeinschaft“, erklärte Eugen Otto, Geschäftsführer von Otto Immobilien, dem Standard. Insbesondere bei Projekten im ersten Bezirk in Wien sei das empfehlenswert, „weil es eine neue Zielgruppe anspricht und sonst ein möglicher Wettbewerbsnachteil eintreten kann“.
„Problematisch, bedenklich“
Wenn ein Wohnungskäufer, der seine Wohnung selbst nutzen möchte, einen Vertrag mit einem solchen Passus unterschreibt, stimmt er also ausdrücklich zu, dass – theoretisch – alle anderen Eigentümer ihre Wohnungen an Touristen vermieten dürfen. Wenn einen das nicht stört, gibt es natürlich kein Problem.
Für Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, ist die Angelegenheit dennoch „problematisch bis bedenklich“, wie er sagt. Denn zum einen sei man als Käufer in so einer Situation gegenüber dem sogenannten Wohnungseigentumsorganisator – also dem Bauträger, der die Formulierung der Wohnungseigentumsverträge beauftragt – „strukturell im Nachteil“.
Zum anderen ist es nach Ansicht Rosifkas einem Wohnungskäufer, der als Selbstnutzer kauft, nicht zumutbar, „zumindest theoretisch als einziger Selbstnutzer in einem Airbnb-Haus übrigzubleiben“. Man kaufe schließlich keine Wohnung, um dann in einem Hotel zu wohnen. Rosifka hält einen solchen Passus in einem WE-Vertrag deshalb für eine sogenannte rechtsunwirksame Vereinbarung gemäß Paragraf 38 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG).
Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer (Online Hausverwaltung, FH-Dozent) sieht eine derartige Vereinbarung hingegen weniger kritisch – wohlgemerkt aber „unter der Prämisse, dass das betreffende Recht allen Wohnungseigentümern, und nicht bloß einigen von ihnen, eingeräumt wird“. Der Tatbestand des § 38 WEG ist dann seiner Ansicht nach nicht erfüllt. „Schließlich geht es ja um nicht mehr und nicht weniger als eine Widmungsfrage, und warum sollte die nicht in einem WE-Vertrag geregelt werden können?“, fragt Kothbauer. Noch dazu, wo man doch als Käufer nicht nur das eigene Recht zur Vermietung, sondern auch die „Duldungspflicht“der Vermietung der Nachbarwohnungen mitunterzeichne.
Genau hier hakt Rosifka wieder ein: Denn es dürfe einem Eigentümer auch nicht vertraglich verboten werden, sich gegen eine solche einmal unterschriebene „Duldungspflicht“in der Zukunft zur Wehr zu setzen, per Abänderung des WE-Vertrags. Ein solches „generelles Änderungsverbot pro futuro“hält auch der auf Immobilienrecht spezialisierte Wiener Anwalt Christoph Rechberger für problematisch. „Das Individual- recht des Wohnungseigentümers auf Vornahme von Änderungen an seinem Wohnungseigentumsobjekt lässt sich vorweg nicht zur Gänze ausschließen.“Hier sieht auch er ein Argument für eine mögliche Rechtsunwirksamkeit, selbst wenn er dem Grunde nach Kothbauer zustimmt: Man könne sich als Käufer in so einer Anlage schließlich schon bei der Kaufentscheidung darauf einrichten, dass manche Miteigentümer an Touristen vermieten werden.
Es geht aber auch umgekehrt: Mancher Bauträger, etwa die Consulting Company bei ihrem aktuellen Projekt in der Leyserstraße, schließt Kurzzeitvermietungen explizit aus, „weil immer mehr Kunden mit genau diesem Wunsch an uns herangetreten sind, um etwaige künftige Unstimmigkeiten unter den Nachbarn bzw. Wohnungseigentümern schon vorab zu vermeiden“, sagte Geschäftsführer Florian Kammerstätter dem Standard.
Auch das wäre dann aber eventuell so ein „Änderungsverbot“, das ins Individualrecht der Wohnungseigentümer eingreift. Ob das wirklich zutrifft, wird man sehen. „Die Frage der Wirksamkeit derartiger vertraglicher Vorabzustimmungen wird wohl bald Gegenstand von Gerichtsentscheidungen sein“, meinte Rechberger abschließend.