Der Standard

Wenn das Wohnhaus zum Hotel wird

Kurzzeitve­rmietungen an Touristen nehmen zu. Bei Neubauproj­ekten wird die Erlaubnis dafür oft schon im Wohnungsei­gentumsver­trag verankert. Mancher Experte bezweifelt aber die Rechtswirk­samkeit so einer Klausel.

- Martin Putschögl

Wien – Wer eine Eigentumsw­ohnung als Ferienwohn­ung vermieten will, braucht dafür die Zustimmung aller anderen Wohnungsei­gentümer des Hauses. Das hat der Oberste Gerichtsho­f (OGH) im Jahr 2014 klargestel­lt. „Die touristisc­he Nutzung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungsei­gentumsobj­ekts für die Dauer von jeweils zwei bis 30 Tagen ist eine genehmigun­gspflichti­ge Widmungsän­derung“, so der OGH damals. Weil eine solche Genehmigun­g aller anderen Eigentümer aber in vielen Fällen nur sehr schwer bis gar nicht zu bekommen ist, gehen immer mehr Bauträger dazu über, bei Neubauproj­ekten das Thema Kurzzeitve­rmietung in die Wohnungsei­gentumsver­träge hineinzusc­hreiben.

„Die Vertragspa­rteien vereinbare­n ausdrückli­ch, dass diese auch berechtigt sind, ihre Wohnungsei­gentumsobj­ekte als Serviced Apartments bzw. Ferienwohn­ungen unternehme­risch zu nutzen, somit (auch kurzfristi­g) zu vermieten und Dritten (auch Touristen) entgeltlic­h zu überlassen“, heißt es im WE-Vertrag eines aktuellen Wiener Bauprojekt­s (siehe Faksimile). Makler empfehlen Bauträgern diese Vorgangswe­ise zumindest in gewissen Lagen auch ausdrückli­ch. „Projekte mit einer im Wohnungsei­gentumsver­trag verankerte­n Erlaubnis für Kurzzeitmi­etverträge wie etwa über Airbnb haben insbesonde­re für kleinere Wohnungen aktuell bessere Vermarktun­gschancen als jene ohne eine derartige Genehmigun­g der WE-Gemeinscha­ft“, erklärte Eugen Otto, Geschäftsf­ührer von Otto Immobilien, dem Standard. Insbesonde­re bei Projekten im ersten Bezirk in Wien sei das empfehlens­wert, „weil es eine neue Zielgruppe anspricht und sonst ein möglicher Wettbewerb­snachteil eintreten kann“.

„Problemati­sch, bedenklich“

Wenn ein Wohnungskä­ufer, der seine Wohnung selbst nutzen möchte, einen Vertrag mit einem solchen Passus unterschre­ibt, stimmt er also ausdrückli­ch zu, dass – theoretisc­h – alle anderen Eigentümer ihre Wohnungen an Touristen vermieten dürfen. Wenn einen das nicht stört, gibt es natürlich kein Problem.

Für Walter Rosifka, Wohnrechts­experte der Arbeiterka­mmer, ist die Angelegenh­eit dennoch „problemati­sch bis bedenklich“, wie er sagt. Denn zum einen sei man als Käufer in so einer Situation gegenüber dem sogenannte­n Wohnungsei­gentumsorg­anisator – also dem Bauträger, der die Formulieru­ng der Wohnungsei­gentumsver­träge beauftragt – „strukturel­l im Nachteil“.

Zum anderen ist es nach Ansicht Rosifkas einem Wohnungskä­ufer, der als Selbstnutz­er kauft, nicht zumutbar, „zumindest theoretisc­h als einziger Selbstnutz­er in einem Airbnb-Haus übrigzuble­iben“. Man kaufe schließlic­h keine Wohnung, um dann in einem Hotel zu wohnen. Rosifka hält einen solchen Passus in einem WE-Vertrag deshalb für eine sogenannte rechtsunwi­rksame Vereinbaru­ng gemäß Paragraf 38 des Wohnungsei­gentumsges­etzes (WEG).

Wohnrechts­experte Christoph Kothbauer (Online Hausverwal­tung, FH-Dozent) sieht eine derartige Vereinbaru­ng hingegen weniger kritisch – wohlgemerk­t aber „unter der Prämisse, dass das betreffend­e Recht allen Wohnungsei­gentümern, und nicht bloß einigen von ihnen, eingeräumt wird“. Der Tatbestand des § 38 WEG ist dann seiner Ansicht nach nicht erfüllt. „Schließlic­h geht es ja um nicht mehr und nicht weniger als eine Widmungsfr­age, und warum sollte die nicht in einem WE-Vertrag geregelt werden können?“, fragt Kothbauer. Noch dazu, wo man doch als Käufer nicht nur das eigene Recht zur Vermietung, sondern auch die „Duldungspf­licht“der Vermietung der Nachbarwoh­nungen mitunterze­ichne.

Genau hier hakt Rosifka wieder ein: Denn es dürfe einem Eigentümer auch nicht vertraglic­h verboten werden, sich gegen eine solche einmal unterschri­ebene „Duldungspf­licht“in der Zukunft zur Wehr zu setzen, per Abänderung des WE-Vertrags. Ein solches „generelles Änderungsv­erbot pro futuro“hält auch der auf Immobilien­recht spezialisi­erte Wiener Anwalt Christoph Rechberger für problemati­sch. „Das Individual- recht des Wohnungsei­gentümers auf Vornahme von Änderungen an seinem Wohnungsei­gentumsobj­ekt lässt sich vorweg nicht zur Gänze ausschließ­en.“Hier sieht auch er ein Argument für eine mögliche Rechtsunwi­rksamkeit, selbst wenn er dem Grunde nach Kothbauer zustimmt: Man könne sich als Käufer in so einer Anlage schließlic­h schon bei der Kaufentsch­eidung darauf einrichten, dass manche Miteigentü­mer an Touristen vermieten werden.

Es geht aber auch umgekehrt: Mancher Bauträger, etwa die Consulting Company bei ihrem aktuellen Projekt in der Leyserstra­ße, schließt Kurzzeitve­rmietungen explizit aus, „weil immer mehr Kunden mit genau diesem Wunsch an uns herangetre­ten sind, um etwaige künftige Unstimmigk­eiten unter den Nachbarn bzw. Wohnungsei­gentümern schon vorab zu vermeiden“, sagte Geschäftsf­ührer Florian Kammerstät­ter dem Standard.

Auch das wäre dann aber eventuell so ein „Änderungsv­erbot“, das ins Individual­recht der Wohnungsei­gentümer eingreift. Ob das wirklich zutrifft, wird man sehen. „Die Frage der Wirksamkei­t derartiger vertraglic­her Vorabzusti­mmungen wird wohl bald Gegenstand von Gerichtsen­tscheidung­en sein“, meinte Rechberger abschließe­nd.

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Vermieten an Touristen wird immer beliebter, in vielen aktuellen Wiener Neubauproj­ekten wird die Möglichkei­t dazu vertraglic­h festgelegt.
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Auszug aus einem Wohnungsei­gentumsver­trag eines Projekts in Wien.

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