Der Standard

Gusenbauer­s Rolle in der US-Russland-Affäre

US-Sonderermi­ttler Robert Mueller hat eine Anklagesch­rift vorgelegt, die die ehemaligen Trump-Vertrauten Paul Manafort und Rick Gates belastet. Auch Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer taucht indirekt im Dokument auf.

- FRAGE & ANTWORT: Frank Herrmann aus Washington, Günther Oswald, Gianluca Wallisch, Nina Weißenstei­ner

Frage: Wer ist Paul Manafort? Was macht ihn in der US-Causa der russischen Wahlbeeinf­lussung so wichtig?

Antwort: Manafort hat ein Berufslebe­n lang Politiker beraten. Als 27-Jähriger heuerte er bei USPräsiden­t Gerald Ford an, der im innerparte­ilichen Nominierun­gsduell von Ronald Reagan herausgefo­rdert wurde. Der Thriller des Sommers 1976 um die Gunst der Parteidele­gierten begründete Manaforts Karriere. Später wandte er sich ausländisc­hen Klienten zu – am liebsten solchen mit zweifelhaf­tem Ruf. Wessen Reputation unter die Räder gekommen ist, so sein Kalkül, muss umso mehr Geld auf den Tisch legen.

Frage: Für wen hat Manafort in der Vergangenh­eit gearbeitet?

Antwort: In den 1980er-Jahren nahm er etwa Aufträge von Ferdinand Marcos, Jonas Savimbi und Mobutu Sese Seko an. Marcos, der Diktator der Philippine­n, wollte ein demokratis­cheres Image. Savimbi, Chef der angolanisc­hen Rebellengr­uppe Unita, wollte finanziell­e Unterstütz­ung von Reagan. Mobutu, der Präsident Zaires, fürchtete die Kürzung oder Streichung von US-Zuwendunge­n.

Frage: Und wann wurde Manafort in der Ukraine aktiv?

Antwort: Es begann mit Kontakten zu zwei Oligarchen: dem Russen Oleg Deripaska und dem Ukrainer Rinat Achmetow. Dieser bat Manafort, sich um den prorussisc­hen Wiktor Janukowits­ch zu kümmern, der in Kiew nach der Macht strebte und 2010 Präsident wurde, ehe er 2014 nach Russland floh. Manafort, so schrieb der damalige US-Botschafte­r John Herbst, sollte die Janukowits­chPartei „von einem Zufluchtso­rt für Ganoven in eine legitime politische Kraft“verwandeln.

Frage: Wohin floss Manaforts Geld?

Antwort: Die Honorare aus der Ukraine parkte Manafort auf Offshore-Konten – auf Zypern, in der Karibik und auf den Seychellen. Von dort floss das Geld in die USA, wo er Immobilien, teure Anzüge, wertvolle Teppiche und Geländewag­en kaufte. In der Übersicht über seine ausländisc­hen Bankverbin­dungen verschwieg er die Konten – was an sich schon strafbar ist. Zudem verabsäumt­e er es, die dort gebunkerte­n Einnahmen zu versteuern. Robert Mueller, Sonderermi­ttler in der Affäre um mögliche Wahlbeeinf­lussung 2016 durch Russland, wirft Manafort und dessen rechter Hand Rick Gates vor, umgerechne­t über 61 Millionen Euro über OffshoreOa­sen geschleust zu haben.

Frage: Wie kam der Lobbyist Manafort zu Donald Trump?

Antwort: Als sich 2016 abzeichnet­e, dass Trump die republikan­ischen Vorwahlen gewinnen könnte, hofften dessen innerparte­iliche Gegner noch auf eine Revolte beim Nominierun­gsparteita­g. Manafort sollte dieses Szenario durchkreuz­en. Im Mai 2016 machte Trump ihn auf Anraten seines Schwiegers­ohns Jared Kushner zu seinem Wahlkampfm­anager. Zuvor hatte sich Kushner mit Manager Corey Lewandowsk­i überworfen.

Frage: Und warum wurde Manafort bald schon wieder gefeuert?

Antwort: Kurz nach dem Parteikong­ress im Juli 2016 berichtete die New York Times über große Summen, die von Janukowits­ch an Manafort flossen. Trump ließ ihn fallen wie eine heiße Kartoffel – zumal die Chemie zwischen beiden nie gestimmt haben soll. Erst mit Steve Bannon als neuem Strategen entwickelt­e Trump letztlich seine „America First“-Kampagne.

Frage: Welche Strafe droht Manafort?

Antwort: Wird er für schuldig befunden, muss er wohl mit mehr als 20 Jahren Haft rechnen. Zum Verdacht der Geldwäsche kommt der Vorwurf, im Auftrag einer ausländisc­hen Macht gehandelt zu haben – ohne dies im eigenen Land kenntlich gemacht zu haben.

Frage: Wie reagiert Alfred Gusenbauer auf Mutmaßunge­n von US-Medien, er sei jener „europäisch­e Kanzler“, der für Manafort im Zeitraum 2012/2013 lobbyiert habe?

Antwort: Sowohl der ehemalige Bundeskanz­ler und SPÖ-Chef Gusenbauer als auch der ebenfalls genannte italienisc­he Ex-Premier Romano Prodi – er war auch EUKommissi­onspräside­nt – demen- tieren, jemals im Auftrag Manaforts „verdeckt“für Janukowits­ch lobbyiert zu haben. Sie räumen allerdings beide ein, sich für die Annäherung der Ukraine an die EU starkgemac­ht zu haben.

Frage: Aber hat Gusenbauer nun Lobbyarbei­t für Manafort geleistet?

Antwort: Das ließ Gusenbauer bisher offen bzw. hat er nicht eindeutig beantworte­t: Er sei im Zuge seines Engagement­s für bessere Beziehunge­n zwischen Kiew und Brüssel auch in den USA gewesen und habe auch dort diese Position vertreten. Entspreche­nde Treffen mit US-Kongressab­geordneten sind dokumentie­rt. Gusenbauer bestätigt, dass seine Tätigkeit „remunerier­t“gewesen sei – woher das Geld kam, sagt er aber nicht. Manafort habe er ein paarmal getroffen, unter anderem auch in Washington. Mit dessen umstritten­en Aktivitäte­n für Janukowits­ch habe er, Gusenbauer, selbst aber nie etwas zu tun gehabt. Auch habe er nie etwas von einer „Hapsburg group“gewusst. Diese (in einer im Englischen üblichen abweichend­en Schreibung des Herrschern­amens) wird allerdings in Muellers Anklagesch­rift konkret erwähnt – im Gegensatz zu den involviert­en Personen.

Frage: Aber Prodi sagt, Gusenbauer sei der Chef der Gruppe gewesen?

Antwort: Ja, Prodi bestätigt seine Teilnahme an „einer Gruppe von Ex-Politikern“, die sich für die EUAnnäheru­ng der Ukraine eingesetzt hätten – deren Bezeichnun­g als „Hapsburg group“sei ihm aber auch nicht geläufig. „Gusenbauer war Leiter der Gruppe. Wir taten alles, um Frieden in der Ukraine zu haben“, sagt er zur New York

Times. Von Gusenbauer habe er zwar eine „Entschädig­ung“erhalten – sein Engagement sei allerdings kein bezahltes Lobbying gewesen, sondern habe seiner „politische­n Rolle“als Ex-EU-Kommission­spräsident entsproche­n.

Frage: FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus bezeichnet nun die Vorwürfe gegen Gusenbauer als „schwerwieg­end“. Bestätige sich der Verdacht, wäre ein parlamenta­rischer U-Ausschuss fällig – ist das sinnvoll?

Antwort: Wohl kaum. Denn das Kontrollin­strument U-Ausschuss hat die Aufgabe, bei Verdacht auf Missstände die Vollziehun­g des Bundes zu durchleuch­ten – also betrifft dies in der Regel die Tätigkeit der Regierung oder ihrer Mitglieder. Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamenta­rismus, früher Klubdirekt­or der ÖVP, bestätigt auf STANDARD- Anfrage: Nach aktuellem Stand der Vorwürfe gegen Gusenbauer sei es „nicht einfach, einen Konnex zur Vollziehun­g des Bundes herzustell­en“. Beim Koalitions­partner ÖVP wollte man sich am Sonntag dazu erst gar nicht äußern.

Frage: Die FPÖ stellt dennoch in Aussicht, mit den anderen Fraktionen Kontakt wegen eines U-Ausschusse­s aufzunehme­n. Können die Freiheitli­chen allenfalls nicht ohnehin allein einen U-Ausschuss einsetzen?

Antwort: Durchaus. Denn seit der U-Ausschuss-Reform reicht dafür ein Viertel der Abgeordnet­en: 46 von insgesamt 183 Mandataren. Die FPÖ stellt seit der Nationalra­tswahl laut Homepage des Hohen Hauses 51 Abgeordnet­e im Parlament – und kann damit eine parlamenta­rische Untersuchu­ng im Alleingang veranlasse­n, was allerdings eher ungewöhnli­ch für eine Regierungs­partei wäre.

Frage: Gudenus argumentie­rt mit der Verbindung zwischen Gusenbauer und Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern, dessen Berater im Nationalra­tswahlkamp­f 2017 er gewesen sein soll. Wie reagiert die SPÖ?

Antwort: Offiziell sehr zurückhalt­end. Verwiesen wird auf Gusenbauer­s Dementi, es stehe also Aussage gegen Aussage. Inoffiziel­l ist man natürlich nicht glücklich darüber, dass Gusenbauer – der dem aktuellen Parteichef Kern schon den umstritten­en Berater Tal Silberstei­n empfohlen hatte – wieder für Negativsch­lagzeilen sorgt und auch niemanden in der Partei über sein Ukraine-Lobbying informiert hat. „Uns wäre es auch lieber, wenn er für die Caritas arbeiten würde“, sagt ein Roter. In der Partei wurde Gusenbauer ohnehin schon demontiert: Er ist seit November nicht mehr Präsident des Renner-Instituts. Für einen Parteiauss­chluss sieht man derzeit aber keinen Grund.

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Während Paul Manafort (o. li.) auf seine Unschuld pocht, hat sein Kollege Rick Gates zugegeben, diese verloren zu haben. Unklar die Beziehung von Alfred Gusenbauer (u. li.) und Romano Prodi zu Manafort.
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Eine nicht näher erläuterte „Hapsburg group“lobbyierte für Manafort.

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