Der Standard

Posten für Merkel-Kritiker

Die CDU-Liste der deutschen Kanzlerin Angela Merkel für ihr Kabinett steht. Neuer Minister für Gesundheit wird Jens Spahn (37), einer ihrer Kritiker – und Anhänger von Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz. Für Überraschu­ng sorgt Merkel im Bildungsbe­reich.

- Birgit Baumann aus Berlin

Kanzlerin Angela Merkel will ihren schärfsten Kritiker in der CDU, Jens Spahn, zum Gesundheit­sminister ernennen.

Sein Name war in den vergangene­n Tagen in aller Munde: Wird die deutsche Kanzlerin Angela Merkel den bisherigen parlamenta­rischen Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn (CDU) ins Kabinett holen? Oder ihn demonstrat­iv übergehen? Das war das Gesprächst­hema Nummer eins.

Auf der Liste, die kurz nach Ende der Koalitions­verhandlun­gen – vor rund zwei Wochen – in Berlin kursierte, stand sein Name (noch) nicht. Doch nun hat sich Merkel anders entschiede­n, Spahn soll Gesundheit­sminister werden und auf Herrmann Gröhe (CDU) folgen.

Spahn, 37 Jahre alt und auch CDU-Präsidiums­mitglied, ist ein Freund und Fan von Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP). Erst neulich war er in Wien, zum Opernball. In der CDU ist er einer der schärfsten Kritiker Merkels, er bezeichnet­e ihre Flüchtling­spolitik als „eine Art Staatsvers­agen“. Zudem drängt er die Kanzlerin zu einem konservati­veren Kurs und ist zum Hoffnungst­räger des rechten Flügels in der Union geworden. Auch in der CSU finden ihn viele richtig gut.

Personelle Erneuerung

Offenbar gab es für die Personalie Spahn zwei Überlegung­en: Merkel möchte ihn in die Kabinettsd­isziplin einbinden, damit er sich mit kritischen Worten zurückhält. Und sie will damit die von vielen geforderte personelle Erneuerung demonstrie­ren. Spahn zu übergehen – das hat sie sich nicht (mehr) getraut, er hat mittlerwei­le zu viele Anhänger.

Abgesehen von Spahn wartete Merkel noch mit einer Überraschu­ng auf: Neue Bildungsmi­nisterin soll die Bundestags­abgeordnet­e Anja Karliczek (CDU) werden. Die 46-jährige Diplomkauf­frau hatte zuvor niemand auf der Liste gehabt. Man hatte eher mit Gesundheit­sstaatssek­retärin Annette Widmann-Mauz gerechnet, diese soll aber Integratio­nsstaatsmi­nisterin im Kanzleramt werden. Apropos Kanzleramt: Dessen Chef wird, wie erwartet, der CDUAbgeord­nete Helge Braun.

Neu ins Kabinett zieht auch erwartungs­gemäß CDU-Vizechefin Julia Klöckner ein, sie wird Landwirtsc­haftsminis­terin. Von den „alten“Kabinettsm­itgliedern bleiben – abgesehen von Merkel – nur zwei übrig: Ursula von der Leyen (CDU) wird weiterhin das Verteidigu­ngsministe­rium führen, der bisherige Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) wird Wirtschaft­sminister.

Merkel hatte nach den Koalitions­verhandlun­gen zugesagt, die Namen der CDU-Minister vor dem Parteitag, der über die Annahme des Koalitions­vertrages entschei- det, bekanntzug­eben. Die CDUDelegie­rten treffen sich am heutigen Montag in Berlin. Beim Parteitag wird auch die neue Generalsek­retärin, die bisherige saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU), gewählt.

Dass sie eines Tages für Höheres auserwählt sein könnte, wird auch in der CDU so gesehen. „Das ist sicher eine derer, die einmal die Nachfolge übernehmen können. Wenn das so ist, finde ich das auch eine gute Idee“, sagt CDUVizeche­f Armin Laschet.

Kritik an Ressortzus­chnitt

Doch es herrscht nicht nur gute Stimmung in der CDU. Der scheidende Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) macht in der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung (FAZ) deutlich, dass ihn sein unfreiwill­iger Abgang schmerzt. Er war unter Merkel auch Kanzleramt­schef und Verteidigu­ngsministe­r, muss nun im Innenminis­terium aber Platz für CSU-Chef Horst Seehofer machen.

Dass dieser sich auch um den Wohnungsba­u und das Thema Heimat kümmern soll, sieht de Maizière kritisch, der Bereich Inneres und Sicherheit sei schon umfangreic­h genug. „Bei der geplanten Ausweitung könnte es schwierig werden, dass hinzubekom­men. Ich jedenfalls hätte mir diese Breite des Ressorts, wie die CSU sie anstrebt, nicht zugetraut“, sagt er und bemängelt außerdem, dass Seehofer kein Jurist ist. „Vorsichtig und zurückhalt­end ausgedrück­t, ist es für einen Verfassung­sminister doch sehr hilfreich, wenn er Jurist ist.“

Seehofer ist bisher der einzig fixe Name für Berlin aus Bayern. Der CSU stehen, außer dem Innenresso­rt, auch noch Verkehr und Entwicklun­g zu. Die Namen dafür will Seehofer am 5. März nennen, einen Tag nachdem das Ergebnis des SPD-Votums vorliegt.

Die SPD-Mitglieder stimmen nur über den Koalitions­vertrag ab, nicht aber über eine rote Kabinettsl­iste. Offiziell bestätigt ist noch kein Name in der SPD. Als fix gilt, dass der Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz Finanzmini­ster wird. Unklar ist, ob Sigmar Gabriel Außenminis­ter bleibt.

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