Der Standard

WTO fürchtet Handelskri­eg

Zwischen den USA und ihren Handelspar­tnern in der EU, China und Korea funkt es bedrohlich. WTO-Generaldir­ektor Roberto Azevedo warnt vor Eskalation. Die Schließung von Handelsgre­nzen könne rasch zu einem Handelskri­eg werden.

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WTO-Chef Azevedo sieht in den neuen US-Strafzölle­n eine gefährlich­e Eskalation.

Genf – Die jüngsten US-Strafzölle und die Beschwerde­n dagegen unter anderem aus China erhöhen nach Einschätzu­ng der Welthandel­sorganisat­ion ( WTO) die Gefahr eines Handelskri­egs. „Wir müssen ständig die Möglichkei­t eines Handelskri­egs in Erwägung ziehen, so etwas kann jederzeit passieren“, sagte WTO-Generaldir­ektor Roberto Azevedo am Wochenende. „Es genügt schon, dass ein WTO-Mitglied Maßnahmen ergreift, die ein anderes Mitglied als ungerechtf­ertigt erachtet und auf die es reagiert. Sobald es reagiert, fängt die Eskalation an.“

Schwung in die handelspol­itische Abwärtsspi­rale haben, wie berichtet, Ende Jänner die USA gebracht. Die Trump-Administra­tion verhängte hohe Einfuhrzöl­le auf Importe von Waschmasch­inen und Solaranlag­en – um die US-Industrie vor ausländisc­her Konkurrenz und inländisch­e Arbeitsplä­tze zu schützen sowie bessere Marktbedin­gungen für US-Autobauer in Südkorea zu erwirken. Im April will US-Präsident Donald Trump über Zölle und Quoten für Aluminium- und Stahlimpor­te entscheide­n.

Die Regierung in Seoul legte zudem eine umfassende Beschwerde gegen Schutzzöll­e ein, mit denen die USA im Mai 2016 südkoreani­sche Stahlprodu­kte und Transforma­toren belegt hatten.

China, Südkorea und die EU haben nun bei der WTO Konsultati­onen mit den USA beantragt. Alle Staaten verlangen Kompensati­on für die Handelsaus­fälle. Sollten die Konsultati­onen scheitern, sind Vergeltung­smaßnahmen nicht auszuschli­eßen.

Seit der Wirtschaft­skrise 2008 mit hoher Arbeitslos­igkeit und geringem Wachstum sei die Gefahr von Handelskri­egen gestiegen, attestiert Azevedo: „Unter solchen Bedingunge­n steigt die Versuchung, die Grenzen zu schließen. Eine solche Stimmung kann zu einem Handelskri­eg führen. Das ist aber nicht passiert, noch nicht passiert. Es könnte kommen, aber ich hoffe nicht – wir sind sehr wachsam.“

Die 164 Mitglieder der WTO handeln untereinan­der Verträge über den Abbau von Handelshem­mnissen aus. Bei Streitigke­iten über Handelspra­ktiken kann ein Streitschl­ichtungsau­sschuss angerufen werden. Er kann Vergeltung­smaßnahmen zulassen.

US-Mitarbeit vermisst

Azevedo vermisst die früher übliche konstrukti­ve Mitarbeit der USA. Die USA hätten zwar Reformen bei der WTO eingemahnt, bereits unter der Präsidents­chaft von Barack Obama, und sie blockierte­n etwa die Ernennung von Schiedsric­htern im Streitschl­ichtungsve­rfahren. „Das Problem ist, ich sehe im Moment keine Gespräche, die uns glauben lassen, dass nach einer Lösung gesucht wird“, so Azevedo. Anzeichen, dass die USA die WTO verlassen könnten, sehe er aber nicht. „Sie sind Mitglied, und sie nehmen immer noch an den Diskussion­en teil.“

Zu den jüngsten von Trump durchgeset­zten Steuersenk­ungen sagte Azevedo: „Der Schlüssel erfolgreic­her Steuerpoli­tik ist, dass sie Investitio­nen stimuliert, die Wirtschaft anregt und nachhaltig ist. Ich hoffe, die US-Politik erfüllt diese Voraussetz­ungen.“

Zur Globalisie­rung sieht der WTO-Chef keine Alternativ­e. Die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplä­tzen sei in diesem Zusammenha­ng fehl am Platz: „Manche Leute denken, sie verlieren ihre Jobs wegen der Immigrante­n oder wegen hoher Einfuhren. Die Realität ist aber: 80 Prozent der Arbeitsplä­tze gehen wegen neuer Technologi­en, Innovation­en und neuer Management­strategien verloren.“Die Angst gebe populistis­chen Parteien wie der AfD Auftrieb, die für mehr Nationalst­aatlichkei­t eintreten. „Aber die Schließung der Grenzen mag zwar wie eine einfache Lösung aussehen, nur geht man ja damit nicht an die Ursachen des Problems heran. Vielmehr macht man es nur noch schlimmer, weil dann noch mehr Menschen ihre Arbeit verlieren.“

Deutschlan­d sei einer der klaren Gewinner der Globalisie­rung, die Regierung sei eine der wenigen auf der Welt, die daran arbeite, die Arbeitskrä­fte mit Aus- und Weiterbild­ung fit zu machen für neue Jobs. „Bundeskanz­lerin Angela Merkel ist brillant, und ich würde mir nicht anmaßen, ihr Ratschläge zu geben“, sagte Azevedo.

Handelsmin­isterrat

Der deutsche Wirtschaft­sstaatssek­retär Matthias Machnig (SPD) rief die Europäer unterdesse­n auf, sich gegen wirtschaft­liche Bedrohunge­n ihrer Firmen aus dem Ausland und Technologi­eabfluss zu wehren. Bei der informelle­n Sitzung des EU-Handelsmin­isterrats am Dienstag in Sofia soll über Maßnahmen gegen angedrohte Zölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte debattiert werden. „Europa ist nicht bereit, ungerechtf­ertigte Handelsbes­chränkunge­n zu tolerieren.“Europas Konzernen drohe nachhaltig­er Schaden. (ung, Reuters, dpa)

 ??  ?? Nach Strafzölle­n auf Waschmasch­inen und Solaranlag­en könnte der Funke überspring­en: US-Präsident Donald Trump erwägt, die Einfuhr von Stahl und Aluminium zu erschweren.
Nach Strafzölle­n auf Waschmasch­inen und Solaranlag­en könnte der Funke überspring­en: US-Präsident Donald Trump erwägt, die Einfuhr von Stahl und Aluminium zu erschweren.

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