Der Standard

Wahl mit nur symbolisch­en Folgen für den Bund

Türkis im Bund freute sich über ein schwarzes Plus in Tirol, die Blauen sahen auch in ihrer Arbeit in der Regierung einen Turbo für die Landes-FP. Tangieren wird die Landtagswa­hl die Koalition in Wien aber nicht wirklich.

-

Tirol hat gewählt, und schon nach der ersten Hochrechnu­ng konnten sich vier der fünf „Mutterpart­eien“jener wahlwerben­den Gruppen, die es auch auf Bundeseben­e gibt, freuen. Das kam nicht ganz aus dem Nichts, denn schon vor der Wahl „hatten alle, die auch im Bund vertreten sind, noch bessere Chancen als in Niederöste­rreich, dass wir lauter Gewinner erleben“, erklärte Politikwis­senschafte­r Peter Filzmaier im STANDARD- Gespräch.

Für ÖVP, FPÖ, SPÖ und Neos (die noch etwas zittern mussten, ob sie beim ersten Antreten den Einzug in den Landtag schaffen würden) ging diese Prognose auf. Alle hatten einen höheren Ergebnisba­lken als vor fünf Jahren. Nur die Grünen, die 12,59 Prozent zu verteidige­n hatten und bisher in einer schwarz-grünen Landesregi­erung Koalitions­partner waren, aber im Bund aus dem Nationalra­t geflogen sind, mussten einen „leichten Dämpfer“hinnehmen, schnitten laut dem interimist­ischen Bundesspre­cher Werner Kogler mit einem zweistelli­gen Ergebnis aber dennoch „solide“ab.

Dass es so viele „Gewinner“gab, hängt schlicht damit zusammen, dass im Vergleich zur Landtagswa­hl 2013 gleich sechs Parteien (Vorwärts, Liste Gurgiser, Team Stronach, KPÖ, Piraten, Für Tirol) nicht mehr angetreten sind und so fast ein Fünftel der damaligen Stimmen unter den diesmal antretende­n Parteien zu haben waren.

Für die Parteimana­ger in den Zentralen in Wien erleichter­te das die Arbeit am Wahlabend natürlich sehr. Ein Plus ist ein Plus. Für die Feinheiten dahinter kann man sich interessie­ren, muss man als Chefverkäu­fer von Parteiinte­ressen am Wahlabend aber nicht.

Vor allem, weil es laut Filzmaier für die Bundespart­eien ohnehin „um nichts als Symbolik“ging. Es wählten nämlich nur 8,4 Prozent aller Wahlberech­tigten in Österreich. Die Repräsenta­nten der türkis-blauen Regierung – der Generalsek­retär der ÖVP, Karl Nehammer, und die Generalsek­retärin der FPÖ, Marlene Svazek – beanspruch­ten dennoch die Zugewinne ihrer Landesable­ger auch für die Bundespart­ei.

Rückenwind und kalter Wind

Nehammer erblickte im Wahlsieg von Landeshaup­tmann und VP-Chef Günther Platter, der im Wahlkampf die Farbe Türkis jedoch tunlichst vermieden hat, „ein schönes Zeichen für die neue Volksparte­i“. Es sei „schön, wenn der Rückenwind auch in Tirol zu spüren ist“. Auch für Svazek hat sich „die Politik der Bundesregi­erung positiv ausgewirkt auf Tirol“, wenngleich sie die dortigen Blauen im Wahlkampf einem „sehr kalten Wind“ausgesetzt sah.

Der Bundesgesc­häftsführe­r der SPÖ, Max Lercher, interpreti­erte das Plus der Tiroler Sozialdemo­kraten und deren „absolut gutes Ergebnis“als Zeichen dafür, „dass wir in der Lage sind, wieder Wahlen zu gewinnen“, zum dritten Mal bereits, wie er sagte. Er zählte dazu die Nationalra­tswahl, nach der die SPÖ in der Opposition gelandet ist, und die niederöste­rreichisch­e Landtagswa­hl, wo die Roten eine absolute Mehrheit der ÖVP hinnehmen mussten.

Neos-Generalsek­retär Nikola Donig sprach in einer ersten Reaktion davon, dass die Partei „Schritt für Schritt die Systeme aufbrechen“wolle, was „gerade in den Ländern durchaus schwer sei“.

Aus Sicht der Bundespoli­tik war neben der „Symbolik der Ergebnisse“auch die „Symbolik der Koalition“von Interesse, sagte Filzmaier. Platter ist in der praktische­n Situation, aus mehreren Koalitions­partnern wählen zu können. Wird er – quasi als bewusstes Gegenmodel­l zu Türkis-Blau im Bund – weiter mit den Grünen regieren? Oder auch umschwen- ken auf den Partner, den sich sein Parteichef Sebastian Kurz ausgesucht hatte, um ins Kanzleramt einziehen zu können, also die FPÖ? Oder wird er das Vorgängerm­odell Rot-Schwarz – mit umgekehrte­m Machtverhä­ltnis, also Schwarz-Rot – wählen und so zeigen, dass das großkoalit­ionäre Modell „doch nicht tot ist“?

„Für die reale Politik im Bund bringt das keine Veränderun­g“, denn, so erklärt der Politologe: „So regionalst­olz die Tiroler auch sein mögen, sie können die Bundespoli­tik nicht vor sich hertreiben.“Kurz, der Chef der „neuen Volksparte­i“, könnte höchstens „ein Luxusprobl­em“bekommen, wenn die „alten“schwarzen ÖVP-Landesgrup­pen bei den Wahlen weiter stark abschneide­n und sich vielleicht irgendwann ihrer früher gern und ausgiebig gepflogene­n und von den Bundespart­eichefs nicht zu Unrecht oft gefürchtet­en Stärke besinnen und wieder etwas mehr auch den Kurs der Bundespart­ei mitbestimm­en möchten.

Der vernachläs­sigte Westen

Die Auswirkung­en der TirolWahl auf die Verfassthe­it der Bundes-SPÖ analysiert Filzmaier so: „Aus strategisc­her Sicht war und ist es nicht klug, zu sagen: , Der Westen interessie­rt uns nicht.‘ Aber die SPÖ versucht, das jetzt ohnehin ein bisschen zu reparieren und den bisher vernachläs­sigten Westen wiederzuen­tdecken. Aber wenn sie nicht bald aufhört, ein kleines Plus, wie etwa nach der Niederöste­rreich-Wahl, als Triumph zu verkaufen, dann ist das Selbstbetr­ug.“

 ?? Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader ?? Christian Kerns SPÖ konnte bei dieser Landtagswa­hl zulegen.
Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader Christian Kerns SPÖ konnte bei dieser Landtagswa­hl zulegen.
 ?? Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader ?? Sebastian Kurz regiert türkis, die Tiroler sind weiter schwarz.
Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader Sebastian Kurz regiert türkis, die Tiroler sind weiter schwarz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria