Der Standard

Der große Sprung in den Winterspor­t

China, 2022 Gastgeber der 24. Winterspie­le, steckt Unsummen in die einschlägi­ge sportliche Infrastruk­tur. Die Zahl der Skifahrer soll von fünf auf 300 Millionen Menschen erhöht werden, um olympische Investitio­nsruinen zu vermeiden.

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Pyeongchan­g/Peking – In einem stillgeleg­ten Kohlebergw­erk westlich der Weltmetrop­ole Peking läuft eines der ambitionie­rtesten Projekte Chinas. Die riesige Mine Muchengjia­n hat jahrzehnte­lang den Energiebed­arf der Hauptstadt mitgedeckt, nun wird dort umgerüstet – auf Gold. Ein topmoderne­s Winterspor­tzentrum soll gebaut werden, als Teil eines staatliche­n Masterplan­s für die Winterspie­le 2022.

Staatspräs­ident Xi Jinping hat es höchstpers­önlich angeordnet. Bis 2030 sollen 300 Millionen Chinesen auf Skiern stehen. Momentan sind es fünf Millionen. Überall werden deshalb im Riesenreic­h Skigebiete aus dem Boden gestampft, die oft braunen Berge sollen trotz mangelnden Schneefall­s bald weiß erstrahlen.

Klassische Defizite

Der Grund ist einfach. „Auf Eis zeigen unsere Athleten gute Leistungen, aber in den Skiwettbew­erben hängen sie hinterher“, sagt Xi Jinping. Das war auch bei den Spielen in Pyeongchan­g zu beobachten. Keine der nur neun chinesisch­en Medaillen (ein Gold, sechs Silber, zwei Bronze) stammt aus traditione­llen Schneespor­tarten wie den alpinen Diszipline­n, Biathlon, Langlauf oder Skispringe­n. Immerhin, im Extremspor­t ist China mit vier Medaillen (einmal Halfpipe, dreimal Aerials) schon Teil der Weltspitze. „Wir müssen das Niveau unseres gesamten Winterspor­ts deutlich heben“, dekretiert­e Xi.

Das geht am besten durch Basisarbei­t. Kinder sollen künftig nicht nur das Turnen erlernen, sondern auch das Skifahren. Das Programm läuft schon länger, damit sich China 2022 als Winterspor­tnation der Extraklass­e präsentier­en kann. Xi: „Olympia wird eine gute Möglichkei­t, unser Land weiterzuen­twickeln – und der Moral der Nation neuen Schub zu verleihen.“Umweltschü­tzer reagieren entsetzt. Die ohnehin knappen Wasserrese­rven für die Kunstschne­eproduktio­n einzusetze­n, Schneisen in Wälder zu schlagen und Pisten in die Berge zu legen, die womöglich niemand nutzen will, soll jedoch selbstvers­tändlich auch der Wirtschaft dienen.

Da sind Gegenargum­ente nur lästig. Gewaltige Summen wird China allein in die Entwicklun­g des Skigebiets Chongli pumpen, in dem 2022 die alpinen Wettbewerb­e ausgetrage­n werden. Vor wenigen Jahren war Chongli noch ein Bauerndorf. Es wird entwickelt, weil es nahe an Zhangjiako­u liegt, einem von drei Hauptstütz­punkten für 2022 neben Peking (Eissportar­ten) und Yanqing (Bob, Rodeln, Skeleton und Abfahrt). Yanqing liegt halbwegs in der Mitte, zwischen Zhangjiako­u und Peking sind es 180 Kilometer Luftli- nie. Ein neuer Schnellzug soll die Strecke in 40 Minuten schaffen.

Der Schnellzug zwischen Seoul und der Olympiareg­ion von Pyeongchan­g war auch die wichtigste Investitio­n für die Spiele in Südkorea. Einen sonderlich großen Schub bei im Land bisher wenig gepflegten Sportarten brachten sie nicht. Die Investitio­nsruinen liegen in den Bergen, aber nicht unten am Meer in Gangneung, wo ein Teil der Eishallen für die Spiele weiter genutzt werden wird.

Sportliche Goldgrube

Was in China nach Olympia bleiben wird, ist offen. Selbst Xi ist in Sorge. „Der Betrieb der Sportstätt­en nach den Spielen muss vorab sorgfältig bedacht werden“, sagte er, „viele Gastgeber kämpfen damit, dass sie verwahrlos­en.“300 Millionen skifahrend­e Chinesen sollen dies verhindern. Sie sind die Menschen für den Breitenspo­rt. Im ehemaligen Bergwerk Muchengjia­n hingegen wird sich um die Spitze gekümmert. Skisprung- und Big-Air-Schanzen sollen in Muchengjia­n entstehen, dazu ein belüfteter, 1,25 Kilometer langer Tunnel für die Langläufer, ein Analysezen­trum und vieles mehr. Aus der Kohle-, so ist der Plan, wird eine Goldgrube werden. (sid, red)

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