Der Standard

Odysseus’ offene Ohren

- Michael Pekler

Dass Superhelde­n auf computerge­nerierte Unterstütz­ung angewiesen sind, kennt man hinlänglic­h aus den Kinoabente­uern von Captain America und Konsorten. Doch auch im kleineren Fernsehrah­men kann es nicht schaden, wenn im Kampf gegen Drachen, Riesen und Naturkatas­trophen die Tricktechn­ik aushilft.

Dieser Tage kann man das in der Arte-Reihe Superhelde­n – Odysseus, Parzival und Beowulf (online verfügbar bis 18. 3.) gut beobachten: Was wäre Homers Held im Kampf gegen den glutäugige­n Polyphem, die betörenden Sirenen und widrige Winde ohne entspreche­nd dramatisch­e Veranschau­lichung? Da kann der über Weltkarten gebeugte Althistori­ker mit seinen wissenscha­ftlichen Ausführung­en über griechisch­e Kolonialge­schichte dem Spektakel der Irrfahrt höchstens rationales Beiwerk beisteuern.

Dabei erfährt man auch beim Zuhören Interessan­tes. Nicht nur dass zu Odysseus’ Zeiten „Völkerrech­t und Kriegsrech­t noch nicht so weit entwickelt“waren, sondern dass der vermutlich Adelige aus Ithaka (oder Kefalonia?) „neunundfün­fzig Herden von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen“(Homer) besessen habe.

Was man heute von Odysseus lernen kann? Eher nicht, wie man mit einer gemeinen List eine ganze Stadt auf dem Gewissen haben kann – aber dass es hilft, sich als tragische Figur in einer komplexen Welt zu verstehen, in der man sich nicht wie der Rest der Besatzung die Ohren verstopft und auf die Sinne vernebelnd­e Willkommen­sgeschenke verzichtet.

Dann können auch gerne zwanzig Jahre vergehen, um wieder dort anzukommen, woher man kam. Als antiker Superheld und als heutiger Normalster­blicher. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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