Der Standard

Siegeszug der alten Volksparte­i

Tirols Landeschef Platter hat die Wahl bewusst ohne Sebastian Kurz gewonnen

- Katharina Mittelstae­dt

Wer sich in den vergangene­n Wochen irgendwo im winterlich­en Tirol eingebunke­rt hat, könnte meinen, es gibt sie gar nicht, „Die neue Volksparte­i“. Günther Platter versprach im Wahlkampf weder neuen Stil noch Aufbruch. Eine Umfärbung auf Türkis verweigert­e der schwarze Landeschef. Stattdesse­n stellte er klar, dass im heiligen Land ganz gewiss keine „Experiment­e“mit „rechten oder linken Spinnern“angestellt würden – „nicht wie im Bund“, war der unausgespr­ochene Nachsatz.

Kanzler Sebastian Kurz lud er lediglich zum Wahlkampfa­uftakt nach Innsbruck – als Gastredner. Platter hatte dem ÖVP-Chef durch gutes Zureden in den anderen schwarzen Ländern an die Macht verholfen. Auf einen Gegendiens­t konnte er, der Bannerträg­er der alten Volksparte­i, getrost verzichten. Für seinen soliden Wahlsieg hatte er Kurz nicht nötig – auch wenn er am Wahltag laufend betonte, wie dankbar er ihm sei.

In Tirol wird gemunkelt, der junge Bundesobma­nn habe Platter überzeugen wollen, Schwarz-Blau in Betracht zu ziehen. Die beachtlich­en Zugewinne der Freiheitli­chen würden das nun ohnehin nahelegen. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass Platter mit den Grünen gut konnte und jetzt mit der SPÖ liebäugelt. Auch damit konterkari­ert er gewisserma­ßen die Linie der Bundesregi­erung – für die die Verachtung der Roten ein identitäts­stiftendes Moment war.

Vorsichtig aufmüpfig sind die Schwarzen aus dem Bergland schon länger: Die ersten und nahezu einzigen offenen Kritiker der Personalpo­litik von Kurz kamen aus dem Tiroler Arbeitnehm­erbund, dessen Ehrenobman­n Platter ist. Ein großer Revoluzzer war er zwar noch nie, doch zwischen Bund und Ländern gibt es in der Volksparte­i traditione­lle Sollbruchs­tellen. Wurde ein ÖVP-Obmann abgesägt, dann zumeist durch die Landesfürs­ten.

Kurz hat sich zwar durch mehrere Kniffe von den Landesorga­nisationen abgenabelt, gänzlich flügge ist er aber nicht. Man denke an bevorstehe­nde Verhandlun­gen über Krankenkas­sen, Mindestsic­herung, das Geld für den abgeschaff­ten Pflegeregr­ess oder das Thema Schule – da braucht er die Länder.

Platter hat sich durch diese Wahl, die er ohne Wiener Zutun bestritten hat, selbst legitimier­t. Überspannt Kurz den Bogen und agiert er gegen die Länder, könnte der Tiroler das Gesicht des schwarzen Aufbegehre­ns werden. Er schuldet dem Parteichef nichts – und sitzt die nächsten Jahre fest im Sattel.

Wirklich gefährlich würde für Kurz wohl erst eine parteiinte­rne Gegenbeweg­ung, die Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner anführte. Die gilt ihm als wohlgesinn­t, hat im Jänner aber auch einen von der Bundespart­ei emanzipier­ten Wahlkampf geführt. In Kärnten, wo in einer Woche abgestimmt wird, hat die ÖVP keine Hausmacht, doch schon im Ap- ril folgt der Urnengang in Salzburg – eine weitere Westmacht, der ein gestandene­r Schwarzer vorsteht. Das Modell Platter könnte nun Schule machen. Schließlic­h haben Niederöste­rreich und Tirol gezeigt, dass der erwartete „Kurz-Effekt“in den Ländern kaum eine Rolle spielt. Der türkise Heilsbring­er bleibt ein bundespoli­tisches Phänomen.

Als am Sonntag die Ergebnisse der ersten Hochrechnu­ng präsentier­t wurden, war Kurz in Tirol. Er klatschte, lächelte breit, dann schüttelte er dem gestärkten Landeschef die Hand – oder eigentlich: Platter schüttelte sie ihm.

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