Siegeszug der alten Volkspartei
Tirols Landeschef Platter hat die Wahl bewusst ohne Sebastian Kurz gewonnen
Wer sich in den vergangenen Wochen irgendwo im winterlichen Tirol eingebunkert hat, könnte meinen, es gibt sie gar nicht, „Die neue Volkspartei“. Günther Platter versprach im Wahlkampf weder neuen Stil noch Aufbruch. Eine Umfärbung auf Türkis verweigerte der schwarze Landeschef. Stattdessen stellte er klar, dass im heiligen Land ganz gewiss keine „Experimente“mit „rechten oder linken Spinnern“angestellt würden – „nicht wie im Bund“, war der unausgesprochene Nachsatz.
Kanzler Sebastian Kurz lud er lediglich zum Wahlkampfauftakt nach Innsbruck – als Gastredner. Platter hatte dem ÖVP-Chef durch gutes Zureden in den anderen schwarzen Ländern an die Macht verholfen. Auf einen Gegendienst konnte er, der Bannerträger der alten Volkspartei, getrost verzichten. Für seinen soliden Wahlsieg hatte er Kurz nicht nötig – auch wenn er am Wahltag laufend betonte, wie dankbar er ihm sei.
In Tirol wird gemunkelt, der junge Bundesobmann habe Platter überzeugen wollen, Schwarz-Blau in Betracht zu ziehen. Die beachtlichen Zugewinne der Freiheitlichen würden das nun ohnehin nahelegen. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass Platter mit den Grünen gut konnte und jetzt mit der SPÖ liebäugelt. Auch damit konterkariert er gewissermaßen die Linie der Bundesregierung – für die die Verachtung der Roten ein identitätsstiftendes Moment war.
Vorsichtig aufmüpfig sind die Schwarzen aus dem Bergland schon länger: Die ersten und nahezu einzigen offenen Kritiker der Personalpolitik von Kurz kamen aus dem Tiroler Arbeitnehmerbund, dessen Ehrenobmann Platter ist. Ein großer Revoluzzer war er zwar noch nie, doch zwischen Bund und Ländern gibt es in der Volkspartei traditionelle Sollbruchstellen. Wurde ein ÖVP-Obmann abgesägt, dann zumeist durch die Landesfürsten.
Kurz hat sich zwar durch mehrere Kniffe von den Landesorganisationen abgenabelt, gänzlich flügge ist er aber nicht. Man denke an bevorstehende Verhandlungen über Krankenkassen, Mindestsicherung, das Geld für den abgeschafften Pflegeregress oder das Thema Schule – da braucht er die Länder.
Platter hat sich durch diese Wahl, die er ohne Wiener Zutun bestritten hat, selbst legitimiert. Überspannt Kurz den Bogen und agiert er gegen die Länder, könnte der Tiroler das Gesicht des schwarzen Aufbegehrens werden. Er schuldet dem Parteichef nichts – und sitzt die nächsten Jahre fest im Sattel.
Wirklich gefährlich würde für Kurz wohl erst eine parteiinterne Gegenbewegung, die Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner anführte. Die gilt ihm als wohlgesinnt, hat im Jänner aber auch einen von der Bundespartei emanzipierten Wahlkampf geführt. In Kärnten, wo in einer Woche abgestimmt wird, hat die ÖVP keine Hausmacht, doch schon im Ap- ril folgt der Urnengang in Salzburg – eine weitere Westmacht, der ein gestandener Schwarzer vorsteht. Das Modell Platter könnte nun Schule machen. Schließlich haben Niederösterreich und Tirol gezeigt, dass der erwartete „Kurz-Effekt“in den Ländern kaum eine Rolle spielt. Der türkise Heilsbringer bleibt ein bundespolitisches Phänomen.
Als am Sonntag die Ergebnisse der ersten Hochrechnung präsentiert wurden, war Kurz in Tirol. Er klatschte, lächelte breit, dann schüttelte er dem gestärkten Landeschef die Hand – oder eigentlich: Platter schüttelte sie ihm.