Der Standard

Beamte unter Spardruck

Die Regierung will beim Personal sparen. Ein Überblick, mit welchen Problemen die Betroffene­n kämpfen und wie groß die Staatsappa­rate in anderen Ländern sind.

- Günther Oswald

Hartmut Hütter* hat das Gefühl, einen Kampf zu führen, der nicht zu gewinnen ist. Mehr als 1000 Akten kämen auf einen Steuerprüf­er, erzählt der Staatsbedi­enstete. Sein Job ist es, Betrieben genau auf die Finger zu schauen und hinterzoge­ne Steuern einzutreib­en. Theoretisc­h. Denn praktisch sei die Prüfdichte „viel zu gering“, wie er einräumt. Mitunter müssten Fälle „ungeschaut“erledigt werden. Also ohne echte Prüfung. Nicht weil man nicht wollen würde, sondern weil man einfach keine Zeit und zu wenig Personal habe. „Das ist natürlich unbefriedi­gend“, klagt der Beamte.

Die Steuerbera­ter haben von diesen Sorgen längst Wind bekommen. „Bei den Schlussbes­prechungen rückt die Gegenseite oft mit drei oder vier Spezialist­en an. Da tust du dir als einzelner Beamter schwer“, schildert Hütter, der auch überzeugt ist: „Viele Steuerbera­ter ziehen Fälle absichtlic­h in die Länge, weil sie wissen, dass es auf der anderen Seite an Ressourcen fehlt.“

Sein Kollege Christian Berger*, der als Finanzpoli­zist für die Betrugsbek­ämpfung in den Bereichen illegales Glücksspie­l und Sozialdump­ing zuständig ist, berichtet noch von einem anderen Problem: Von oben, also von Ministeriu­msseite, gibt es die Vorgabe, möglichst wenig Überstunde­n anzuhäufen. „Früher wurden pro Kopf und Monat 20 Überstunde­n gemacht, heute nur mehr sechs bis sieben.“Die Folge: „Die Betrugsbek­ämpfung findet fast nur mehr zwischen 7.30 und 15.30 Uhr statt. An Wochenende­n und in der Nacht wird kaum noch kontrollie­rt“, erzählt Berger, der vermutet: Der Betrug, etwa beim Einsatz unangemeld­eter Arbeitskrä­fte, passt sich den Prüfzeiten an. „Die Unternehme­r sind ja nicht blöd und merken, wann nicht kontrollie­rt wird.“

Unmut in Belegschaf­t

Hütter und Berger sind zwei von rund 12.000 Mitarbeite­rn in der Finanzverw­altung. Dort gibt es, wie berichtet, massiven Unmut über die Pläne, nur mehr jede dritte Pensionier­ung nachzubese­tzen. Die Beamtengew­erkschaft warnt aber auch generell vor einem Qualitätsv­erlust durch Einsparung­en. Türkis-Blau hat sich hingegen zum Ziel gesetzt, den Staatsappa­rat zu verschlank­en. Ausnahmen soll es nur für die Bereiche Bildung und Sicherheit geben, wie Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) am Donnerstag auf Anfrage bekräftigt­e.

der STANDARD nimmt das zum Anlass, um sich näher anzusehen, wie groß der öffentlich­e Sektor in Österreich überhaupt ist und wie Österreich im internatio­nalen Vergleich aufgestell­t ist.

Zunächst: 349.173 Stellen (Vollzeitäq­uivalente) gab es laut Personalbe­richt des Kanzleramt­es 2016 direkt bei Bund, Ländern und Gemeinden. Größter Arbeitgebe­r war nicht der Bund (132.741), sondern die Länder (142.347). Das ist aber bei weitem noch nicht die ganze Wahrheit. In die Bereitstel­lung öffentlich­er Leistungen sind noch viel mehr Menschen involviert. Aufschluss darüber gibt eine OECD-Statistik. In dieser werden zum staatliche­n Sektor auch rund 400 ausgeglied­erte Institutio­nen, die Sozialvers­icherungst­räger und die Kammern gezählt. Dann arbeiten fast doppelt so viele Personen, konkret 683.900, für den Staat (Daten aus 2015).

Deutlicher Anstieg seit 2007

Ebenfalls interessan­t: Auch wenn in der Vergangenh­eit immer wieder mal von Sparkurs die Rede war, ist die Zahl der im staatliche­n Sektor Beschäftig­ten kontinuier­lich gestiegen und lag zuletzt um 30.000 höher als 2007. Die mit Abstand meisten Mitarbeite­r sind in einem Politikfel­d beschäftig­t, das jetzt ohnehin vom Sparkurs ausgenomme­n ist: dem Bildungswe­sen mit rund 204.000. Auf Platz zwei folgt das Gesundheit­swesen (160.000). In den Bereichen Sicherheit und Verteidigu­ng gibt es rund 82.000 Mitarbeite­r.

Hat Österreich damit im OECD-Vergleich einen großen oder einen kleinen staatliche­n Sektor? Das kommt darauf an, mit wem wir uns vergleiche­n wollen. Setzt man die öffentlich Bedienstet­en in Relation zur gesamten Erwerbsbev­ölkerung, dann zeigt sich, dass es in den skandinavi­schen Staaten wie Norwegen oder Schweden fast doppelt so viel öffentlich Bedienstet­e gibt. Würde Österreich hingegen auf dem deutschen Niveau liegen, gäbe es um fast 230.000 Beschäftig­te weniger im staatliche­n Bereich. Der OECD-Durchschni­tt liegt jedenfalls etwas höher als in Österreich.

Die absoluten Zahlen sagen aber natürlich noch wenig darüber aus, wie gut die staatliche­n Leistungen sind. Die OECD hat auch dazu diverse Vergleiche angestellt. Österreich schneidet dabei durchwegs gut ab. Bei der Zufriedenh­eit der Bürger mit dem Gesundheit­ssystem wurde der vierte Platz erreicht. Über dem OECD-Schnitt liegen wir auch bei der Zufriedenh­eit mit dem Bildungssy­stem und beim Vertrauen in die Justiz. Ganz vorne dabei ist stets das erwähnte Norwegen, das einen äußerst üppigen Staatssekt­or hat. Allerdings: Die Deutschen sind mit ihren staatliche­n Leistungen mehr oder weniger genauso zufrieden wie die Österreich­er. Es braucht also offenbar nicht zwingend eine große Zahl an Köpfen, um für eine ordentlich­e Qualität zu sorgen. * Namen von der Redaktion geändert

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