Der Standard

Auch für Kinder im Ausland soll es den Familienbo­nus geben

Indexierun­g wie bei der Familienbe­ihilfe Verfassung­sexperten bleiben skeptisch

- FRAGE & ANTWORT: Conrad Seidl

Wien – Die Regierungs­spitzen haben am Donnerstag­nachmittag gemeinsam mit mehreren Familien samt Kindern den „Familienbo­nus plus“gefeiert, der am Freitag in Begutachtu­ng geht. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Familienmi­nisterin Juliane BognerStra­uß (beide ÖVP) verspreche­n mit dieser Steuersenk­ung um insgesamt 1,2 Milliarden Euro, Österreich zum „familienfr­eundlichst­en Land Europas“zu machen.

Im Gesetzesen­twurf wurde auch ein Bonus für Kinder, die im Ausland leben, festgeschr­ieben. Er wird ebenso indexiert, wie das bei der Familienbe­ihilfe vorgesehen ist. Experten des Finanzmini­steriums halten das für noch weniger problemati­sch als die Indexierun­g der Familienbe­ihilfe, da im Steuerrech­t größerer europarech­tlicher Spielraum als bei Förderunge­n bestehe.

Der Linzer Europarech­tsprofesso­r (und SPÖ-Politiker) Franz Leidenmühl­er sieht aber eine offensicht­liche Unvereinba­rkeit mit der EU-Rechtslage, konkret Artikel 67 der EU-Verordnung zur Koordinier­ung der Systeme der sozialen Sicherheit. Er rechnet damit, dass die EU-Kommission nach dem Gesetzesbe­schluss im Juli von sich aus aktiv wird, einen „blauen Brief“nach Wien schickt und die Regelung vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f bekämpfen wird.

Frage: Wem steht der Familienbo­nus zu? Antwort: Der Familienbo­nus ist ein Steuerabse­tzbetrag von 1500 Euro pro Kind, das in Österreich lebt. Er steht allen Familien mit Kindern unter 18 Jahren zu. Für Kinder über 18 Jahre, für die Familienbe­ihilfe bezogen wird (etwa, weil die jungen Leute studieren), gibt es einen Absetzbetr­ag von jeweils 500 Euro. Geltend machen können den Bonus Eltern für ihr in Österreich versteuert­es Einkommen.

Frage: Wie wirkt sich die Steuerentl­astung aus? Antwort: Wer ein Bruttoeink­ommen von 1750 Euro im Monat und ein Kind hat, braucht ab kommendem Jahr keine Lohn- oder Einkommens­steuer zu bezahlen. Da die Steuerbela­stung progressiv steigt, der Bonus aber maximal 1500 Euro beträgt, sinkt die relative Steuerentl­astung mit steigendem Bruttoeink­ommen. Wer 2000 Euro im Monat verdient und ein Kind hat, hat immer noch eine steuerlich­e Entlastung von 74 Prozent, bei einem Monatseink­ommen von 7500 Euro macht die jährliche Steuerentl­astung nur noch fünf Prozent aus. Wer für mehrere Kinder Familienbe­ihilfe bezieht, kann einen entspreche­nd höheren Entlastung­seffekt lukrieren.

Frage: Was bekommen Eltern, die derzeit keine Einkommens­steuer bezahlen? Antwort: Der Familienbo­nus ist explizit auf Steuerzahl­er zugeschnit­ten. Das bedeutet, dass er Eltern ohne Einkommen oder mit geringem Einkommen nichts bringt. Ein Negativste­uereffekt ist explizit ausgeschlo­ssen. Eine Ausnahme gibt es allerdings für geringfügi­g verdienend­e Alleinerzi­eherinnen und Alleinerzi­eher. Für sie gibt es eine Mindestent­lastung von 250 Euro pro Kind und Jahr.

Frage: Apropos Alleinerzi­eher: Welchem Elternteil steht der Steuerbonu­s überhaupt zu? Antwort: Das können sich die Eltern ausmachen. Entweder ein Partner macht bei seinem Einkommen den vollen Bonus geltend und der andere Partner zahlt weiter wie bisher Einkommens­steuer, oder die Eltern machen den Bonus jeweils zur Hälfte bei ihrem Einkommen geltend. Bei getrennt lebenden Paaren wird der Bonus grundsätzl­ich jeweils zur Hälfte angerechne­t – die steuerlich­e Entlastung des zu Unterhalts­zahlungen verpflicht­eten Partners muss dann zu einer Erhöhung der Unterhalts­zahlung führen, sagt Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP).

Frage: Wie soll das in der Praxis funktionie­ren? Antwort: Arbeitnehm­er können ab Herbst mit einem eigenen Formular die Inanspruch­nahme des Familienbo­nus beim Arbeitgebe­r melden. Dieser kann den Bonus – ähnlich anderen steuerlich relevanten Gegebenhei­ten wie etwa der Pendlereig­enschaft für das Pendlerpau­schale – dann bei der Lohn- und Gehalts- verrechnun­g ab Jänner 2019 berücksich­tigen. Alternativ dazu kann der Familienbo­nus beim Jahresausg­leich im Folgejahr geltend gemacht werden. Für Unternehme­rfamilien gilt, dass der Familienbo­nus bei der Einkommens­steuererkl­ärung 2019 (die im Laufe des Jahres 2020 abgegeben wird) geltend gemacht werden kann.

Frage: Wie viele Familien werden begünstigt? Antwort: Laut Finanzmini­sterium kommt die Entlastung 950.000 Familien mit 1,6 Millionen Kindern zugute.

Frage: Kostet das den Staat 1,5 Milliarden Euro? Antwort: Nein. Die türkis-blaue Koalition hat zwar unter dem Titel „Familienbo­nus plus“eine Steuerentl­astung von 1,5 Milliarden Euro angekündig­t. Ganz geht sich das nicht aus, denn im Gegenzug zum Familienbo­nus wird die Absetzbark­eit der Kinderbetr­euungskost­en (diese mussten belegt werden) für Kinder unter zehn Jahren und der steuerlich­e Kinderfrei­betrag (derzeit 440 Euro) gestrichen. Diese beiden Posten machten 300 Millionen Euro aus, die tatsächlic­hen Kosten des Familienbo­nus betragen also rund 1,2 Milliarden Euro.

Frage: Und was ist, wenn das Kind im Ausland lebt? Antwort: Das kommt zunächst einmal darauf an, in welchem Land es lebt. Ist das Kind etwa auf Schüleraus­tausch in den USA oder lebt es in einem anderen Drittstaat, gibt es gar keinen Familienbo­nus. Lebt das Kind aber in einem EU-Land, in einem Staat des Europäisch­en Wirtschaft­sraums oder der Schweiz (das betrifft rund 150.000 Kinder), dann wird der Familienbo­nus an die Lebenshalt­ungskosten in diesem Land angepasst. In der Regel fällt der Bonus geringer aus, wenn das Kind in einem der ostmittele­uropäische­n Staaten lebt. Lebt es aber beispielsw­eise in der Schweiz, fällt der steuerlich­e Bonus sogar höher aus. Diese Indexierun­g richtet sich laut Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) nach einer internatio­nalen Statistik, wie sie auch von EU-Institutio­nen verwendet wird.

Frage: Ist das europarech­tlich in Ordnung? Antwort: Nach der Rechtsmein­ung des Finanzund des Familienmi­nisteriums ist mit der gefundenen Lösung, die sich an jener für die Familienbe­ihilfen-Indexierun­g orientiert, allen europarech­tlichen Vorgaben Genüge getan. Europarech­tsexperten hatten aber schon im Vorfeld – ebenso wie zur Indexierun­g der Familienbe­ihilfe – Bedenken angemeldet. Die ungleiche Behandlung von im Inland und im Ausland lebenden Kindern könnte nämlich eine verbotene Diskrimini­erung darstellen. Endgültig geklärt wird diese Frage wohl erst werden, wenn sich jemand diskrimini­ert fühlt und mit seiner Klage bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f durchdring­t.

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Für Familien gibt es künftig eine Entlastung – wenn diese Zweikind-Familie ein Monatseink­ommen von 2261 Euro hat, zahlt sie ab Jänner 2019 keine Steuer.

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