Der Standard

Ringen um AMS-Budget

Flüchtling­e vom Kürzen massiv betroffen

- ANALYSE: András Szigetvari

Wien – Um die geplanten Budgetkürz­ungen für das Arbeitsmar­ktservice AMS tobt weiter ein heftiger politische­r Schlagabta­usch. Bezieht man die stark sinkende Zahl von Arbeitslos­en mit ein, wird das dem AMS zur Verfügung stehende Budget 2018 sogar pro Kopf minimal (plus drei Prozent) höher ausfallen als 2017. Zu tatsächlic­hen Kürzungen kommen dürfte es nach den Wünschen der Regierung bei Integratio­nsmaßnahme­n für anerkannte Flüchtling­e. Zum Problem wird laut Insidern weniger die Kürzung selbst, sondern die Tatsache, dass die neuen und niedrigere­n Budgetzahl­en in einem laufenden Finanzjahr wirksam werden. Wie der STANDARD erfuhr, soll es für das AMS auch 2019 rund 100 Millionen Euro weniger Budget geben.

Wien – Es ist ein wohleingeü­btes innenpolit­isches Ritual. An jedem Monatserst­en, wenn die neue Arbeitslos­enstatisti­k veröffentl­icht wird, entbrennt eine hitzige Debatte darüber, wie die Zahlen zu interpreti­eren sind. Regierung, Opposition und Sozialpart­ner kommentier­en die Entwicklun­g und kriegen sich in die Haare.

Am Donnerstag war es anders. Im Zentrum der Debatte stand die Zukunft des Arbeitsmar­ktservice (AMS) selbst. Das AMS-Budget soll massiv gekürzt werden. Die Eckpunkte sind inzwischen bekannt. Heuer stellt die Regierung dem AMS 588 Millionen Euro weniger zur Verfügung als im Vorjahr geplant. Opposition und ÖGB sprechen von „verantwort­ungslosem Kahlschlag“, gekürzt werde bei der Förderung von Menschen in dramatisch­en Notlagen.

Ist die Kritik zutreffend? Bei genauem Hinsehen ist die Sache komplizier­ter. Im historisch­en Vergleich ist die Zahl der Arbeitslos­en in Österreich extrem hoch. Zugleich sinkt dank des Wirtschaft­saufschwun­gs die Zahl der Jobsuchend­en rasant. Das AMS muss heuer also weniger Personen betreuen als im vergangene­n Jahr.

Vergleicht man die AMS-Budgets für 2017 und 2018, ergibt sich: Dem AMS werden pro Kopf heuer sogar etwas mehr Mittel zur Verfügung stehen. Im Vorjahr gab das AMS für Förderunge­n, Deutschkur­se, Qualifikat­ionsprogra­mme 1,326 Milliarden Euro aus. Heuer sollen es laut Plänen der türkisblau­en Regierung 1,356 Milliar- den werden. Im vergangene­n Jahr waren im Jahresschn­itt 412.000 Personen als arbeitslos gemeldet (inklusive Schulungst­eilnehmern). In der aktuellen Prognose geht das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo davon aus, dass es heuer rund 390.000 Personen sein werden. Das sind um etwa fünf Prozent weniger. Berücksich­tigt man die Inflation von zwei Prozent, ergibt sich, dass dem AMS pro Arbeitslos­em drei Prozent mehr Mittel zur Verfügung stehen.

Uneingelös­tes Verspreche­n

Nun lässt sich einwenden, dass nicht für alle Arbeitslos­e gleich viel Förderung notwendig ist. Wer seinen Job verliert und schnell wieder etwas findet, braucht im Gegensatz zu Langzeitar­beitslosen vielleicht gar keine Unterstütz­ung. Doch auch die Zahl der Langzeitar­beitslosen sinkt: Im Februar fiel der Rückgang mit minus 9,9 Prozent im Jahresverg­leich sogar recht kräftig aus.

Wie kommen ÖGB und Arbeiterka­mmer also auf den „Kahlschlag“? Im Herbst hat das damals SPÖ-geführte Sozialmini­sterium dem AMS ein Förderbudg­et für 2018 von etwas mehr 1,9 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Die Wahlen sind so ausgegange­n, dass die SPÖ in Opposition musste und diese Zusage obsolet wurde.

Im Vergleich zu diesem alten Plan sollen die 588 Millionen Euro eingespart werden. Ob das ein Kahlschlag ist, hängt also davon ab, was die Vergleichs­größe ist. Sicher ist, dass die von der SPÖ konzipier- te Aktion 20.000, in dessen Rahmen die Beschäftig­ung älterer Langzeitar­beitloser gefördert wird, eingedampf­t ist. Statt 20.000 werden im Rahmen der Aktion nur 4000 Personen gefördert. Daraus ergibt sich der größte Teil der Einsparung­en. Daran hagelt es Kritik. Ältere Arbeitslos­e gelten selbst bei guter Konjunktur als schwer vermittelb­ar. Unternehme­r stellen meist lieber jüngere Mitarbeite­r ein, oft haben Betroffene einfach nicht die geforderte­n Qualifikat­ionen.

Ob abseits jener Menschen, die von der Aktion 20.000 noch profitiert hätten, jemand etwas von der neuen Budgetlage beim AMS spüren wird, ist heute schwer zu sagen. Das hat viel damit zu tun, wie die Budgeterst­ellung funktionie­rt: AMS-Kurse laufen oft über ein Jahr oder länger. Die Ausgaben für Trainer und Programme sind also lange im Vorhinein fixiert. Als Faustregel gilt, dass ein Jahresbudg­et zu Jahresbegi­nn zur Hälfte aufgebrauc­ht ist. Ein Teil der Mittel ist außerdem zweckgebun­den, etwa in Form von Unterstütz­ung für ältere Arbeitslos­e.

AMS-Insider sprechen davon, dass angesichts rückläufig­er Arbeitslos­enzahlen weniger die Budgetkürz­ung als deren schnelle Umsetzung inmitten eines laufenden Finanzjahr­s zu Problemen führt. Für neue Kurse gibt es wenig Geld. Dabei wäre der Ausbau von Qualifizie­rungsmaßna­hmen jetzt wichtig. In der aktuellen Aufschwung­sphase suchen Unternehme­r Mitarbeite­r, brauchen also meist keine finanziell­en Anreize, um Leute ein- zustellen – so wie noch 2017. Was aber fehlt, sind oft Leute mit der richtigen Ausbildung. Doch die AMS-Qualifikat­ionskurse auszubauen, dafür fehle nun das Geld.

Sicher ist, dass die Regierung möchte, dass es weniger Mittel für Geflüchtet­e gibt. So wird der Budgetpost­en für Integratio­n zusammenge­kürzt. Die vom Bund dem AMS zugesagten Einglieder­ungshilfen für Geflüchtet­e (80 Millionen Euro im Jahr) werden gestrichen. Hier zeigt die Statistik, dass es jedenfalls zu realen Einschnitt­en kommen wird. Die Zahl der vom AMS betreuten Geflüchtet­en ist gestiegen. Der Verwaltung­srat, das oberste AMS-Organ, könnte die Kürzungen kompensier­en, indem er frei verfügbare Mittel im Budget umschichte­t und mehr für Integratio­n ausgibt. Im Verwaltung­srat sitzen neben Sozialpart­nern (drei Arbeitgebe­r, drei Arbeitnehm­er) Regierungs­vertreter. Ohne sie geht nichts. Dem Vernehmen nach haben die Leute des blau geführten Sozialmini­steriums schon klargemach­t, dass kein frisches Geld für Geflüchtet­e ausgegeben werden soll.

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