Der Standard

Grüne werden Niederöste­rreich-Wahl nicht anfechten

- Sebastian Fellner

Wien / St. Pölten – Niederöste­rreichs Grüne werden die Landtagswa­hl vom 28. Jänner nicht anfechten. Das erklärte Parteichef­in Helga Krismer am Donnerstag. Zuvor hatte der grüne Landesauss­chuss über die Frage abgestimmt. Die Funktionär­e entschiede­n sich laut Krismer mit Zweidritte­lmehrheit gegen eine Anfechtung.

Ein Gutachten attestiert­e einer Anfechtung wegen der umstritten­en Neuregelun­g des Wahlrechts für Zweitwohns­itzer ( derStandar­d berichtete) zwar gute Chancen. Die Grünen haben aber schlicht kein Geld für einen weiteren Wahlkampf. Krismer zeigte sich am Donnerstag frustriert darüber, dass die demokratie­politische Verantwort­ung stets an den Grünen hängenblei­be.

Von Unregelmäß­igkeiten bei der Landtagswa­hl sind die Grünen überzeugt, anfechten wollen sie sie aber nicht: Zu groß ist die Sorge, am Ende selbst ruiniert zu sein. Parteichef­in Krismer ließ ihrem Ärger freien Lauf.

Wien / St. Pölten – Der Frust war spürbar im Kaffeehaus schräg visà-vis dem Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) – dort, wo die Grünen verkündete­n, dass nun erst einmal Schluss ist mit der Weltretter­ei. Die Partei wird die niederöste­rreichisch­e Landtagswa­hl nicht anfechten.

Ein von ihnen beauftragt­es Gutachten kommt zwar zum Schluss, dass die Grundlagen für die Landtagswa­hl vom 28. Jänner verfassung­swidrig seien und eine Anfechtung große Chancen auf Erfolg hätte. Dennoch entschied der Landesauss­chuss der Grünen – bestehend aus dem Parteivors­tand, den Landtagsab­geordneten und einem Vertreter pro Bezirk – laut Krismer mit Zweidritte­lmehrheit – gegen eine Anfechtung.

Frust über „blöde Nachred’“

Es überwog die Sorge, schon rein finanziell keinen weiteren Wahlkampf stemmen zu können und damit womöglich aus dem Landtag zu fliegen. Krismer zeigte sich am Donnerstag frustriert darüber, dass die Grünen immer die seien, „die sagen, bitte bleiben wir auf dem Boden der Verfassung“, und sich so „hochgradig unsympathi­sch“machten. In Österreich hätten die, „die aufzeigen, dann auch noch die blöde Nachred’“.

Die Grünen fühlten sich „mittlerwei­le ziemlich alleine, und das kostet auch sehr viel Kraft, wenn man das immer alleine stemmen muss“, sagte Krismer. Das Dilemma der Grünen sei „fast ein literarisc­hes Drama“.

Die Landespart­eichefin hatte die Entscheidu­ng an das rund 30köpfige Gremium delegiert, weil sie sich selbst nach eigenen Angaben außerstand­e sah, sie zu treffen: Ein weiterer Wahlkampf würde die Landespart­ei in erhebliche finanziell­e Turbulenze­n stürzen, außerdem ist nicht gesichert, dass die Grünen den Einzug in den Landtag ein weiteres Mal schaffen würden. Bei der Wahl im Jänner erreichten sie rund 6,5 Prozent, für den Einzug in den Landtag sind vier Prozent notwendig.

„Ich kann nicht mehr“

Zudem haftet Krismer laut eigenen Angaben mit 300.000 Euro privat für einen Parteikred­it, womit sie unter anderem begründete, dass sie selbst gegen die Anfechtung gestimmt hat: „Ich möchte, aber ich kann nicht mehr.“

Für einen weiteren Wahlkampf fehlte den Grünen schlicht das Geld, argumentie­rte Krismer – sie geht auch davon aus, dass Neos und FPÖ keine zusätzlich­en Mittel hätten. Am Ende würde die ÖVP dann „wieder fünf, sechs Millionen“in einen Wahlkampf stecken. Eine Anfechtung brächte also „einen enormen Wettbewerb­svorteil für die ÖVP“.

Die Partei ließ von dem Rechtsanwa­lt Heinrich Vana und dem Verfassung­sjuristen Bernd-Christian Funk ein Gutachten erstellen, laut dem die rechtliche Grundlage für die Landtagswa­hl sowie die Abläufe im Vorfeld verfassung­swidrig waren.

Wie berichtet, führte eine Novelle des Wahlrechts für Zweitwohns­itzer in Niederöste­rreich teilweise zu Chaos in den Gemeinden, denen die Prüfung des Wahlrechts auferlegt wurde. Schwammige Formulieru­ngen im Gesetz ermöglicht­en, dass in einigen Gemeinden hunderten Nebenwohns­itzern das Wahlrecht entzogen wurde, in anderen keinem einzigen. Dem STANDARD und den Grünen liegen auch Fälle vor, in denen Bürger – gesetzeswi­drig – nicht über die Streichung aus der Wählerevid­enz informiert wurden. Dadurch konnten sie nicht gegen die Entscheidu­ng ihres Bürgermeis­ters vorgehen.

Krismer sprach zuletzt auch von Fällen, bei denen Bürgermeis­ter auf Druck von aus der Evidenz gestrichen­en Bürgern diese wenigen Tage vor der Wahl noch in die Wählerevid­enz „hineingesc­hwindelt“hätten.

Das von ihnen beauftragt­e Gutachten wollen die Grünen bei der konstituie­renden Sitzung des Landtags einbringen. „Dieses Gutachten wird die ÖVP ernst nehmen müssen.“Primäres Ziel sei nun, die ÖVP dazu zu bringen, das Gesetz vor der Gemeindera­tswahl im Jahr 2020 zu reparieren.

Neos wollen Reparatur

Bernhard Ebner, Landesgesc­häftsführe­r der ÖVP, sagte zur APA: „Wir haben von Anfang an gesagt: Die Entscheidu­ng, ob die Grünen die Wahl anfechten oder nicht, obliegt ausschließ­lich den Grünen.“SPÖ-Landespart­eivorsitze­nder Franz Schnabl sieht die Entscheidu­ng der Grünen „mit Wohlwollen“. Das Wahlergebn­is hätte sich bei einer Wiederholu­ng nicht großartig verändert.

Die Neos Niederöste­rreich – seit der Landtagswa­hl ebenfalls im Landtag vertreten – drängten in einer Reaktion auf eine rasche „Reparatur und Demokratis­ierung“des Wahlrechts.

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Demokratie verteidige­n oder Partei retten? Helga Krismer hat genug davon, sich „hochgradig unsympathi­sch“zu machen, und stellt das Wohl der Partei in den Vordergrun­d.

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