Grüne werden Niederösterreich-Wahl nicht anfechten
Wien / St. Pölten – Niederösterreichs Grüne werden die Landtagswahl vom 28. Jänner nicht anfechten. Das erklärte Parteichefin Helga Krismer am Donnerstag. Zuvor hatte der grüne Landesausschuss über die Frage abgestimmt. Die Funktionäre entschieden sich laut Krismer mit Zweidrittelmehrheit gegen eine Anfechtung.
Ein Gutachten attestierte einer Anfechtung wegen der umstrittenen Neuregelung des Wahlrechts für Zweitwohnsitzer ( derStandard berichtete) zwar gute Chancen. Die Grünen haben aber schlicht kein Geld für einen weiteren Wahlkampf. Krismer zeigte sich am Donnerstag frustriert darüber, dass die demokratiepolitische Verantwortung stets an den Grünen hängenbleibe.
Von Unregelmäßigkeiten bei der Landtagswahl sind die Grünen überzeugt, anfechten wollen sie sie aber nicht: Zu groß ist die Sorge, am Ende selbst ruiniert zu sein. Parteichefin Krismer ließ ihrem Ärger freien Lauf.
Wien / St. Pölten – Der Frust war spürbar im Kaffeehaus schräg visà-vis dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) – dort, wo die Grünen verkündeten, dass nun erst einmal Schluss ist mit der Weltretterei. Die Partei wird die niederösterreichische Landtagswahl nicht anfechten.
Ein von ihnen beauftragtes Gutachten kommt zwar zum Schluss, dass die Grundlagen für die Landtagswahl vom 28. Jänner verfassungswidrig seien und eine Anfechtung große Chancen auf Erfolg hätte. Dennoch entschied der Landesausschuss der Grünen – bestehend aus dem Parteivorstand, den Landtagsabgeordneten und einem Vertreter pro Bezirk – laut Krismer mit Zweidrittelmehrheit – gegen eine Anfechtung.
Frust über „blöde Nachred’“
Es überwog die Sorge, schon rein finanziell keinen weiteren Wahlkampf stemmen zu können und damit womöglich aus dem Landtag zu fliegen. Krismer zeigte sich am Donnerstag frustriert darüber, dass die Grünen immer die seien, „die sagen, bitte bleiben wir auf dem Boden der Verfassung“, und sich so „hochgradig unsympathisch“machten. In Österreich hätten die, „die aufzeigen, dann auch noch die blöde Nachred’“.
Die Grünen fühlten sich „mittlerweile ziemlich alleine, und das kostet auch sehr viel Kraft, wenn man das immer alleine stemmen muss“, sagte Krismer. Das Dilemma der Grünen sei „fast ein literarisches Drama“.
Die Landesparteichefin hatte die Entscheidung an das rund 30köpfige Gremium delegiert, weil sie sich selbst nach eigenen Angaben außerstande sah, sie zu treffen: Ein weiterer Wahlkampf würde die Landespartei in erhebliche finanzielle Turbulenzen stürzen, außerdem ist nicht gesichert, dass die Grünen den Einzug in den Landtag ein weiteres Mal schaffen würden. Bei der Wahl im Jänner erreichten sie rund 6,5 Prozent, für den Einzug in den Landtag sind vier Prozent notwendig.
„Ich kann nicht mehr“
Zudem haftet Krismer laut eigenen Angaben mit 300.000 Euro privat für einen Parteikredit, womit sie unter anderem begründete, dass sie selbst gegen die Anfechtung gestimmt hat: „Ich möchte, aber ich kann nicht mehr.“
Für einen weiteren Wahlkampf fehlte den Grünen schlicht das Geld, argumentierte Krismer – sie geht auch davon aus, dass Neos und FPÖ keine zusätzlichen Mittel hätten. Am Ende würde die ÖVP dann „wieder fünf, sechs Millionen“in einen Wahlkampf stecken. Eine Anfechtung brächte also „einen enormen Wettbewerbsvorteil für die ÖVP“.
Die Partei ließ von dem Rechtsanwalt Heinrich Vana und dem Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk ein Gutachten erstellen, laut dem die rechtliche Grundlage für die Landtagswahl sowie die Abläufe im Vorfeld verfassungswidrig waren.
Wie berichtet, führte eine Novelle des Wahlrechts für Zweitwohnsitzer in Niederösterreich teilweise zu Chaos in den Gemeinden, denen die Prüfung des Wahlrechts auferlegt wurde. Schwammige Formulierungen im Gesetz ermöglichten, dass in einigen Gemeinden hunderten Nebenwohnsitzern das Wahlrecht entzogen wurde, in anderen keinem einzigen. Dem STANDARD und den Grünen liegen auch Fälle vor, in denen Bürger – gesetzeswidrig – nicht über die Streichung aus der Wählerevidenz informiert wurden. Dadurch konnten sie nicht gegen die Entscheidung ihres Bürgermeisters vorgehen.
Krismer sprach zuletzt auch von Fällen, bei denen Bürgermeister auf Druck von aus der Evidenz gestrichenen Bürgern diese wenigen Tage vor der Wahl noch in die Wählerevidenz „hineingeschwindelt“hätten.
Das von ihnen beauftragte Gutachten wollen die Grünen bei der konstituierenden Sitzung des Landtags einbringen. „Dieses Gutachten wird die ÖVP ernst nehmen müssen.“Primäres Ziel sei nun, die ÖVP dazu zu bringen, das Gesetz vor der Gemeinderatswahl im Jahr 2020 zu reparieren.
Neos wollen Reparatur
Bernhard Ebner, Landesgeschäftsführer der ÖVP, sagte zur APA: „Wir haben von Anfang an gesagt: Die Entscheidung, ob die Grünen die Wahl anfechten oder nicht, obliegt ausschließlich den Grünen.“SPÖ-Landesparteivorsitzender Franz Schnabl sieht die Entscheidung der Grünen „mit Wohlwollen“. Das Wahlergebnis hätte sich bei einer Wiederholung nicht großartig verändert.
Die Neos Niederösterreich – seit der Landtagswahl ebenfalls im Landtag vertreten – drängten in einer Reaktion auf eine rasche „Reparatur und Demokratisierung“des Wahlrechts.