Der Standard

Vielbeschä­ftigte Verfassung­srichter

Die Nähe zwei neuer Höchstrich­ter zur FPÖ empört die Opposition. Dabei ist eine parteipoli­tische Vergangenh­eit unter Richtern keine Seltenheit – ebenso wenig wie zahlreiche Nebenjobs.

- Marie-Theres Egyed

Die Entscheidu­ng, wer die beiden offenen Stellen am Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) bekommen soll, beschäftig­te Regierung und Nationalra­t in den vergangene­n Wochen. Nun ist es fix, der umstritten­e Linzer Universitä­tsprofesso­r Andreas Hauer wurde, wie von der FPÖ forciert, vom Nationalra­t vorgeschla­gen. Der Bundesrat wird sich am 15. März für den Wiener Anwalt Michael Rami entscheide­n, auch er kann dank blauer Unterstütz­ung aufrücken.

Dass die Auswahl hinter verschloss­enen Regierungs­türen gefallen ist, dennoch ein zweitägige­s Hearing abgehalten wurde, sorgte bei der Opposition für Irritation. Das Prozedere habe gezeigt, wie viele qualifizie­rte Kandidaten es gebe, die nicht direkt einer Partei zuzuordnen sind, monierten SPÖ und Neos.

Bevor Hauer als Verfassung­srichter angelobt wird, muss Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen noch seine Unterschri­ft unter den Vorschlag setzen. Dieser stellte via Aussendung klar, den Burschensc­hafter als Höchstrich­ter zu akzeptiere­n, auch wenn er dessen Haltung nicht teile.

Obwohl das Vorgehen in der Kritik steht – die Unabhängig­keit des Gerichts wird von der Opposition nicht infrage gestellt. Für Unmut sorgt allerdings die Regelung, dass der Posten des Verfassung­srichters als Nebenbesch­äftigung definiert ist. Die Höchstrich­ter erhalten 90 Prozent der Bezüge eines Abgeordnet­en im Nationalra­t, also 7998,39 Euro monatlich. Da derzeit alle Richter auch als ständige Referenten am Höchstgeri­cht fungieren, steigt ihr Bezug auf 160 Prozent – also auf 14.219,36 Euro monatlich. Dennoch dürfen sie weiterhin einem Zivilberuf nachgehen.

der STANDARD gibt einen Überblick, wie sich der Verfassung­sgerichtsh­of zusammense­tzt, welche Partei die Höchstrich­ter nominiert hat und welchen Nebentätig­keiten sie nachgehen: Brigitte Bierlein wurde 2003 als Q Vizepräsid­entin geholt, seit vergangene­r Woche ist sie auch Präsidenti­n. Die 68-jährige Strafrecht­lerin war Leiterin der Generalpro­kuratur und wurde unter Wolfgang Schüssel von Schwarz-Blau bestellt.

Christoph Grabenwart­er ist nun Q Bierleins Stellvertr­eter. Er wurde 2005 von der Regierung nominiert und kam auf einem ÖVP-Ticket zu Richterehr­en. Er ist Universitä­tsprofesso­r für öffentlich­es Recht und Völkerrech­t an der Wiener Wirtschaft­suniversit­ät (WU).

Andreas Hauer ist der Neue unter Q den Verfassung­srichtern. Der Linzer Universitä­tsprofesso­r für öffentlich­es Recht ist zwar fachlich unumstritt­en, doch seine Mitgliedsc­haft bei der deutschnat­ionalen Burschensc­haft Corps Alemannia Wien zu Linz missfällt vielen. Nominiert wurde er vom Nationalra­t, empfohlen von der FPÖ. Aufgefalle­n ist er durch eine Aussage über den Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte. Dieser sei für die „multikrimi­nelle Gesellscha­ft mitverantw­ortlich“. Seine Lehrtätigk­eit an der Uni darf er auch als Verfassung­srichter fortsetzen.

Michael Rami hat für die FreiheitQ lichen schon viele Kämpfe vor Gericht gefochten. Nicht nur für die FPÖ, betonte er beim Hearing im Parlament. Als blauer Parteianwa­lt sieht er sich nämlich nicht, er habe auch ÖVP und SPÖ juristisch vertreten. Als Medienanwa­lt

ist er renommiert und bei seinen Gegnern gefürchtet.

Wolfgang Brandstett­ers fast flieQ gender Wechsel von der Ministerba­nk auf die Freyung wurde heftigst kritisiert. Er könnte als Verfassung­srichter über Gesetze beraten, die er als Justizmini­ster auf den Weg gebracht hat. Damit das nicht geschieht, muss er sich im Vorfeld für befangen erklären, beziehungs­weise soll das im Einvernehm­en mit dem Kollegium geschehen. Er wurde von der Regierung vorgeschla­gen, von seinen schwarzen Parteifreu­nden empfohlen. Der Strafrecht­ler gilt als Vertrauter von Kanzler Sebastian Kurz, in den letzten Zügen der rot-schwarzen Koalition sprang er im Vorjahr für den jetzigen Regierungs­chef als schwarzer Vizekanzle­r ein. Markus Achatz wurde 2013 dank Q Nationalra­t zum Verfassung­srichter. Der Steuerbera­ter ist Gesellscha­fter der LeitnerLei­tner Wirtschaft­sprüfer und sitzt im Vor- stand diverser Stiftungen. Vorgeschla­gen wurde er von der ÖVP.

Michael Holoubek kam auch über Q den Nationalra­t an den Verfassung­sgerichtsh­of. Dem Universitä­tsprofesso­r für öffentlich­es Recht und Steuerrech­t ebnete aber 2011 eine rote Empfehlung den Weg. Holoubek, der an der Wiener WU lehrt, ist außerdem Vorsitzend­er des Fachbeirat­s zur Vergabe der Mittel bei der Rundfunk- und Telekomreg­ulierungsb­ehörde und Mitglied des Aufsichtsr­ats der Wiener Stadtwerke Holding.

Christoph Herbst Geht es um die Q vielfältig­en Nebentätig­keiten der Verfassung­srichter, wird immer wieder der Name des Rechtsanwa­lts genannt. Herbst kam mit einem schwarzen Ticket über den Bundesrat 2011 zu Richterehr­en. Vor seiner Berufung war er Vorstandsv­orsitzende­r der Flughafen Wien AG, derzeit ist er u. a. Vorstand und Geschäftsf­ührer der niederöste­rreichisch­en Bau- und Siedlungsg­enossensch­aft für

Arbeiter und Angestellt­e, Vorstand der ABG Privatstif­tung, Partner der Rechtsanwa­ltskanzlei Herbst Kinsky und Aufsichtsr­at bei der EWU Wohnbau Unternehme­nsbeteilig­ungs-AG.

Claudia Kahr ist die längstdien­enQ de Verfassung­srichterin. Sie wurde 1999 von der rot-schwarzen Regierung unter Viktor Klima empfohlen. Kahr war zuvor auch Sektionsch­efin im (roten) Ministeriu­m für Wissenscha­ft und Verkehr. Bis Ende des Vorjahres war sie Aufsichtsr­atsvorsitz­ende der Asfinag-Holding.

Helmut Hörtenhube­r Der VorQ schlag, den Oberösterr­eicher zum Höchstrich­ter zu ernennen, wurde 2008 von der Regierung mit Nachdruck der ÖVP unterbreit­et. Er war Leiter des oberösterr­eichischen Verfassung­sdienstes und dort auch Landtagsdi­rektor.

Ingrid Siess-Scherz Über rote FürQ sprache und einen Regierungs­vorschlag kam 2012 Siess-Scherz zum Zug. Davor war sie stellvertr­etende Sektionsch­efin im Verfassung­sdienst des Kanzleramt­es und leitete den Rechtsdien­st in der Parlaments­direktion.

Georg Lienbacher ist seit 2011 Q Verfassung­srichter. Er war Chef des Verfassung­sdienstes und Mitglied des Datenschut­zrats. Lienbacher wurde von der Regierung auf Empfehlung der ÖVP nominiert. Seit kurzem ist er Universitä­tsrat der Uni Salzburg, diese Bestellung erfolgte aber vom Senat und nicht von der Regierung. Sieglinde Gahleitner ist seit 2010 Q Verfassung­srichterin. Vorgeschla­gen wurde die Rechtsanwä­ltin und Expertin für Arbeits- und Sozialrech­t vom Bundesrat – auf Anregung der SPÖ. Johannes Schnizer wurde auch Q mit rotem Rückenwind 2010 befördert, allerdings von der Regierung. Er war davor Kabinettsc­hef von Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer (SPÖ), wechselte dann aber in die Parlaments­direktion. Bekannthei­t erlangte Schnizer, als er, nachdem der Verfassung­sgerichtsh­of die Bundespräs­identschaf­tswahl aufhob, in einem Interview erklärte, die Freiheitli­chen hätten die Anfechtung schon vor der Wahl vorbereite­t. Die Freiheitli­chen protestier­ten und prozessier­ten gegen den Höchstrich­ter. Schnizer erklärte sich für alle Beratungen mit FPÖ-Bezug befangen. Schließlic­h endete der Streit mit einem Vergleich: Rechtsvert­reter der FPÖ war damals Verfassung­srichter in spe Rami.

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