Gekipptes Rauchverbot dürfte beim Verfassungsgericht landen
Opposition erwägt, das Höchstgericht damit zu befassen – Wien will als Bundesland ebenfalls VfGH anrufen
Wien – Nach dem Kippen des Rauchverbots durch die türkisblaue Regierung erwägt die Opposition den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH). SPÖ, Neos und die Liste Pilz wollen prüfen, ob die Einschätzung von Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk tatsächlich Gewicht hat. Er betrachtet die bestehende Regelung, die weitergeführt werden soll, kritisch und nennt mehrere Argumente, die eine Prüfung durch den VfGH zulassen würden.
So könnte zum Beispiel der Gleichheitsgrundsatz verletzt werden, denn mit der aktuellen Regelung im Arbeitnehmerschutzgesetz sind Beschäftigte im Hotel- und Gastgewerbe beim Schutz vor Zigarettenrauch am Arbeitsplatz ausgenommen. Dass eine Berufsgruppe explizit nicht vor dem schädlichen Tabakrauch geschützt wird, könnte gleichheitswidrig sein. „Wenn so ein Fall vor dem VfGH landet, sind die Chancen groß, dass das Arbeitnehmerschutzgesetz in diesem Punkt gekippt wird“, sagte er den Salzburger Nachrichten.
Weiters hält er die Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereich für möglicherweise wirkungslos – jedenfalls unterstreiche das eine Studie der Medizinuniversität Wien.
Aus ihr gehe hervor, dass bei einem Großteil der überprüften Lokale die Trennung der Bereiche offenbar nicht funktioniere. Gesundheitsschädliche Konzentrationen an Feinstaub in Nichtraucherbereichen wurden gemessen. Sie gehen auf den Zigarettenrauch im Nebenraum zurück. Die Vorkehrungen zum Nichtraucherschutz könnten dadurch wirkungslos sein, und wirkungslose Maßnahmen seien nicht verfassungskonform. Das besage das Sachlichkeitsgebot.
Sowohl betroffene Arbeitnehmer als auch der Nationalrat mit einem Drittelantrag könnten eine Prüfung beim Höchstgericht ins Rollen bringen. Aber auch Wien als Bundesland kann hier tätig werden, sagte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Donnerstag im STANDARD- Gespräch: „Mein Vorschlag ist, dass Wien den Verfassungsgerichtshof anruft“, sagte die grüne Stadträtin.
Wenn Wien als Bundesland aktiv werde, würde der Prüfungsprozess schneller eingeleitet werden können als bei der Klage eines Betroffenen. „Das ist dann ein sehr langwieriger Weg, da braucht es Jahre bis zu einer Entscheidung“, sagte Vassilakou.
Die SPÖ wolle jede Chance ergreifen, um das Gesetz doch noch in Kraft treten zu lassen, hieß es aus der Bundespartei am Donnerstag. Man wolle in den kommenden Tagen mit den Neos und der Liste Pilz Gespräche führen. Außerdem sollen die eigenen Experten die Rechtslage auch noch prüfen.
Die Neos signalisierten am Donnerstag großes Interesse: „Wir wollen auf alle Fälle prüfen, ob es Sinn macht, vor den VfGH zu gehen, und ob es tatsächlich verfassungswidrig sein kann“, sagte ein Sprecher zur APA. Gespräche mit der SPÖ wolle man führen.
Rein rechnerisch würde sich das notwendige Drittel der Abgeordneten im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ und Neos ausgehen – sogar noch, wenn einer der Mandatare der beiden Parteien nicht mitziehen würde.
Auch die Liste Pilz will sich Gesprächen mit den anderen Oppositionsparteien nicht verschließen. Man prüfe die Möglichkeit und sei bereit, einen Drittelantrag zu unterstützen, sagte Klubobmann Peter Kolba.
Hearing im Ausschuss
Immerhin ein kleines Ergebnis brachte der Druck der Opposition: Die Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie wird am kommenden Dienstag im Gesundheitsausschuss einem Hearing unterzogen. Ungeachtet dessen verabschiedeten ÖVP und FPÖ am Ende des Plenums am Donnerstag einen Fristsetzungsantrag, mit dem gesichert ist, dass die Initiative rechtzeitig Anfang Mai in Kraft treten kann.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) selbst hatte in der Fragestunde eine Verlängerung des derzeitigen Status quo angekündigt und betont, zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags mit der FPÖ zu stehen. Den Unterzeichnern des „Don’t smoke“-Volksbegehrens drückte er seinen Respekt aus.