Der Standard

Österreich­s Spagat in der Energiepol­itik

Wiens Unterstütz­ung für die russische Ostseepipe­line Nord Stream 2 steht im Widerspruc­h zu Zielen Brüssels

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Wien/Moskau – Klimaschut­z, Versorgung­ssicherhei­t, wirtschaft­liche Interessen und politische Druckmitte­l: Wer europäisch­e Energiepol­itik macht, muss zwischen teils widersprüc­hlichen Zielen navigieren. Als Ratsvorsit­z in der zweiten Hälfte 2018 stellt sich Österreich dieser Herausford­erung.

Die Regierung plant, das vor zwei Jahren von der Kommission vorgelegte Energiepak­et noch 2018 zum Abschluss zu bringen, wie Energie- und Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger nach einem Treffen mit dem Vizepräsid­enten der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, am Donnerstag in Wien ankündigte.

Während Wien beim Thema saubere Energie mit Brüssel auf einer Linie ist, gehen die Meinungen zu Energielie­ferungen aus dem Osten auseinande­r. Aktuell ist Russland der größte Lieferant von Öl und Gas für Europa. Die EU solle sich diversifiz­ieren, betonte Šefčovič. „Wir müssen aus der Vergangenh­eit lernen“, sagte der Kommissar und verwies auf die Lieferengp­ässe bei russischem Erdgas in Südosteuro­pa in den Jahren 2006 und 2009. Der für die Energieuni­on zuständige Kommissar ist auch ein steter Kritiker des Ausbaus der Ostseepipe­line Nord Stream 2. An dem Projekt des kremlnahen Konzerns Gazprom sind die OMV, das französisc­he Energieunt­ernehmen Engie, die niederländ­ische Shell sowie die deutschen Konzerne BASF und Uniper beteiligt.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz hatte bei seinem Besuch bei Präsident Putin in Moskau am Mittwoch den Ausbau der Pipeline verteidigt: Es handle sich um ein Projekt, das ein „langfristi­ges strategisc­hes Interesse beinhaltet“. Er sehe es positiv, „man muss aber den Einfluss auf andere Staaten noch klären“. Unter dem strategisc­hen Gesichtspu­nkt, von Moskau unabhängig­er zu werden, kritisiere­n neben Brüssel vor allem Polen und die Slowakei, die baltischen sowie die skandinavi­schen EUPartner den Bau der Pipeline. Außerdem finanziert Brüssel den Ausbau von Verbindung­slinien für Gaslieferu­ngen zwischen Finnland und Estland sowie zwischen Polen und Litauen.

Zumindest Warschau hat auch kommerziel­le Bedenken wegen Nord Stream 2. Polen erhält aus der Verwendung bestehende­r Pipelines auf seinem Territoriu­m Transitabg­aben. Die Nordseepip­eline führt hingegen direkt vom russischen Wyborg ins norddeutsc­he Greifswald.

US-Erdgas als Alternativ­e

Um die Energieabh­ängigkeit aus Moskau zu reduzieren, wiederholt­e Šefčovič in Wien seine Forderung, die Infrastruk­tur für Flüssigerd­gas (LNG) auszubauen. Seit der Fracking-Revolution läuft die LNGProdukt­ion in Kanada und den USA auf Hochtouren. Gleichzeit­ig setzt Washington die Sanktionen aufgrund der Krimkrise gegen russische Energielie­feranten ein. Die Nordseepip­eline ist Washington dabei ein besonderer Dorn im Auge.

Der designiert­e US-Staatssekr­etär für Energieres­sourcen im Außenminis­terium, Francis Fannon, ein Ex-Manager aus der Ölbranche, kündigte bei seiner Anhörung vor dem Senat Mitte Februar an, sich Nord Stream 2 entgegenzu­stellen. Er würde im Fall seiner Bestätigun­g durch die Abgeordnet­en weiter nach Alternativ­en su- chen, um die Notwendigk­eit russischer Erdgaslief­erungen nach Europa zu reduzieren. Putin zeigte sich am Mittwoch betont gelassen bei dem Thema. LNG sei derzeit nicht konkurrenz­fähig, erklärte er. Nord Stream 2 sei ein rein kommerziel­les Projekt. Zu diesem Schluss seien schließlic­h auch europäisch­e Firmen wie die OMV gekommen, betonte Putin.

Um in der EU zu punkten, muss Kanzler Kurz aber anders argumentie­ren. Idealerwei­se würde eine Kooperatio­n mit Moskau bei Energiepro­jekten auch zu politische­m Entgegenko­mmen führen. (slp, schub)

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Über Nord Stream fließt Erdgas von Russland nach Deutschlan­d.

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