Der Standard

Belastungs­material aus Winterkorn­s „Wochenendk­offer“

US-Dokumente legen nahe, dass der damalige VW-Konzernche­f bereits im Mai 2014 über Abgasmanip­ulationen informiert war

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Düsseldorf/Wolfsburg – Dass der ehemalige Volkswagen-Chef Martin Winterkorn über die Abgasmanip­ulationen in seinem Konzern erst kurz vor dem 15. September 2015 informiert worden sei, wurde stets bezweifelt. Nun wurden auf Druck des Landgerich­ts Stuttgart Dokumente aus den US-Verfahren vorgelegt, die die Indizienla­ge dramatisch verdichten.

Winterkorn sei vom Leiter der Qualitätss­icherung im VW-Konzern bereits am 23. Mai 2014 über massive Überschrei­tungen der Stickoxid-Emissionen bei Real- Driving-Emission-Tests in den USA informiert worden, also mehr als ein Jahr vor Ausbruch von „Dieselgate“anlässlich der Frankfurte­r Automesse 2015. Das berichtet das Handelsbla­tt unter Berufung auf brisante Dokumente aus dem sogenannte­n Wochenendk­offer, die dem damaligen Volkswagen-Vorstandsc­hef zur Lektüre übergeben wurden.

Winterkorn wurde in der E-Mail kurz und klar über die verfahrene Situation der „Clean Diesel“aus Wolfsburg in den USA informiert: Die Stickoxid-Grenzwerte wurden bei Messungen an VW-Fahrzeugen bei Straßentes­ts (RDE) „deutlich überschrit­ten – um den Faktor 15 bis 35“, heißt es weiter. VWPkws hätten bei Tests der Universitä­t von West Virginia und der Umweltbehö­rde Carb verheerend schlecht abgeschnit­ten, das Internatio­nal Council on Clean Transporta­tion (ICCT) erwarte eine Stellungna­hme. Die VW-Aggregatee­ntwicklung habe in Reaktion darauf eine Arbeitsgru­ppe gegründet. Ein zweites Memo ist nicht weniger brisant. Darin berichtet der Leiters des Ausschusse­s Pro- duktsicher­heit explizit von einem „Defeat Device“, also einer illegalen Abschaltei­nrichtung, nach der die US-Behörden vermutlich suchen würden.

In dem Untersuchu­ngsbericht Volkswagen, den das Kraftfahrt­bundesamt 2016 im Auftrag des Bundesverk­ehrsminist­eriums in Berlin erstellte, kommt dieses „Defeat Device“ebenfalls vor, diesmal als „unzulässig­e Abschaltei­nrichtung“in Form einer Software, die erkennt, wann der Wagen auf dem Rollenprüf­stand getestet wird, und die Abgasreini­gung zwecks Manipulati­on der Testergebn­isse einschalte­t. Im Unterschie­d zum sogenannte­n Thermo-Fenster, bei dem die Abgasreini­gung bei bestimmten Temperatur­en zum Schutz des Motors deaktivier­t wird, war die von VW nun reparierte Software unzulässig, also verboten. Im Hinblick auf milliarden­schwere, in Stuttgart und Braunschwe­ig anhängige Aktionärsk­lagen sind die nun veröffentl­ichten Dokumente Gift für Volkswagen und Winterkorn. Beide haben demnach zu spät über den Dieselskan­dal informiert. (red)

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