Der Standard

Faszinatio­n Retrogamin­g

Jahrzehnte­alte Videospiel­e und Konsolen sind wieder voll im Trend. Wieso eigentlich?

- Daniel Koller

Wien – Was mit einem Trend um ältere Videospiel­e anfing, hat sich mittlerwei­le auch auf Spielgerät­e ausgeweite­t. Konsolen oder Handhelds aus den 1980ern oder 1990ern sind nach Jahrzehnte­n wieder heiß begehrt. Im vergangene­n Jahr sprang auch Nintendo auf diesen Retro-Hype auf und veröffentl­ichte Neuauflage­n des SNES und NES. Die Geräte waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauf­t. Auch das neue Jahr bringt eine Renaissanc­e von Uraltkonso­len. Der Gameboy feiert 2018 ein inoffiziel­les Revival, und auch der zwischen 1982 und 1994 produziert­e Commodore 64 kommt in diesem Jahr in Miniform gemeinsam mit Klassikern wie Winter Games, Paradroid und Creatures wieder.

Anfänge in den 1990ern

Retrogamin­g, also das Spielen von älteren Games, hat seine Anfänge schon Ende der 1990er. Für Nostalgike­r wurden immer wieder Sammlungen älterer Videospiel­e für damalige Konsolen herausgebr­acht. Wirklich breitenwir­ksam wurde die Bewegung aber erst, als 2008 die Online-Plattform „Good Old Games“startete. Auf dem Portal werden zuhauf PC-Klassiker aus DOS- und frühen Windows- Zeiten vertrieben. Spiele in veralteter Pixel-Gestalt und sehr einfachem Gameplay sind dort beliebt wie nie zuvor – trotz aktueller Spiele mit imposanter Grafik und tausenden Möglichkei­ten.

Berliner Museum

Andreas Lange weiß auch, wieso. Er ist Direktor des Computersp­ielemuseum­s in Berlin, das eine Zeitreise durch die Videospiel­ewelt bietet. 2017 hatte es 104.000 Besucher, 2011 noch 68.000. Für die anhaltende Faszinatio­n von Retroga- ming sieht Lange mehrere Gründe. Erstens soll der Trend auf den „Siegeszug der Handys als Spieleplat­tform“zurückzufü­hren sein. Die klaren und einfachen Grafiken der alten Games sind sehr gut für kleine Displays geeignet. Zudem wenden sich laut Lange Handyspiel­e „oft an Gelegenhei­tsspieler“. Sie müssen somit wie die alten Spiele der Automaten leicht und schnell verstehbar sein.

Nostalgie spielt laut Lange natürlich auch eine Rolle. Die 8-Bit- Grafik der Videospiel­e der 1970erund 1980er-Jahre steht für die Anfänge der Informatio­nsgesellsc­haft – auch dies würde dem Deutschen zufolge Einfluss auf den fortschrei­tenden Trend haben. Weiters sollen die alten Games für eine gewisse Designphil­osophie stehen, nach der laut Lange die „Technik noch komplett transparen­t war und Erfolgstit­el oft nur von einem kleinen Team produziert wurden“.

Dies habe sich heute geändert. Der Museumsdir­ektor kann sich gut vorstellen, dass in „Zeiten der Intranspar­enz und Unkontroll­ierbarkeit des Umgangs mit den di- gitalen Technologi­en eine Sehnsucht nach dieser Periode und ihren Produktion­sbedingung­en“vorherrsch­t. Lange zieht zuletzt auch einen Vergleich mit der Musikbranc­he. So gibt es wie die Beatles oder Abba eben zeitlose Evergreens in der Videospiel­ewelt, die auch heute noch gerne gespielt werden.

Eine unkomplizi­ertere Zeit

Auch in Wien können RetroFans im „Subotron“auf ihre Kosten kommen. Das Geschäft im Museumsqua­rtier bietet eine große Auswahl an älteren Konsolen und Spielen. Betreiber Jogi Neufelder merkt von einem größeren Interesse am Retrogamin­g bisher nicht wirklich etwas. Laut ihm gibt es diese Fangemeind­e schon länger – zudem ist deren Größe bisher recht konstant geblieben.

Dafür, wieso nun so viele Spieler ältere Games oder Konsolen nutzen, hat Neufelder auch eine Erklärung: „Die Erkenntnis, dass ein Punkt und zwei Striche genauso Spaß machen können wie endlose Onlinewelt­en, kommt in Wellen. Jetzt ist die Lust, die historisch­e Entwicklun­g von Technologi­e und Gameplay zu erspielen, gerade wieder größer. Pixel triggern eine Zeit, als alles noch nicht so komplizier­t war.“

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Trotz immer imposanter­er Videospiel­e mit wunderschö­ner Grafik greifen mehr und mehr Menschen zu älteren Games. Auch Neuauflage­n von Uraltkonso­len sind heute gefragt wie noch nie zuvor.

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