Faszination Retrogaming
Jahrzehntealte Videospiele und Konsolen sind wieder voll im Trend. Wieso eigentlich?
Wien – Was mit einem Trend um ältere Videospiele anfing, hat sich mittlerweile auch auf Spielgeräte ausgeweitet. Konsolen oder Handhelds aus den 1980ern oder 1990ern sind nach Jahrzehnten wieder heiß begehrt. Im vergangenen Jahr sprang auch Nintendo auf diesen Retro-Hype auf und veröffentlichte Neuauflagen des SNES und NES. Die Geräte waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Auch das neue Jahr bringt eine Renaissance von Uraltkonsolen. Der Gameboy feiert 2018 ein inoffizielles Revival, und auch der zwischen 1982 und 1994 produzierte Commodore 64 kommt in diesem Jahr in Miniform gemeinsam mit Klassikern wie Winter Games, Paradroid und Creatures wieder.
Anfänge in den 1990ern
Retrogaming, also das Spielen von älteren Games, hat seine Anfänge schon Ende der 1990er. Für Nostalgiker wurden immer wieder Sammlungen älterer Videospiele für damalige Konsolen herausgebracht. Wirklich breitenwirksam wurde die Bewegung aber erst, als 2008 die Online-Plattform „Good Old Games“startete. Auf dem Portal werden zuhauf PC-Klassiker aus DOS- und frühen Windows- Zeiten vertrieben. Spiele in veralteter Pixel-Gestalt und sehr einfachem Gameplay sind dort beliebt wie nie zuvor – trotz aktueller Spiele mit imposanter Grafik und tausenden Möglichkeiten.
Berliner Museum
Andreas Lange weiß auch, wieso. Er ist Direktor des Computerspielemuseums in Berlin, das eine Zeitreise durch die Videospielewelt bietet. 2017 hatte es 104.000 Besucher, 2011 noch 68.000. Für die anhaltende Faszination von Retroga- ming sieht Lange mehrere Gründe. Erstens soll der Trend auf den „Siegeszug der Handys als Spieleplattform“zurückzuführen sein. Die klaren und einfachen Grafiken der alten Games sind sehr gut für kleine Displays geeignet. Zudem wenden sich laut Lange Handyspiele „oft an Gelegenheitsspieler“. Sie müssen somit wie die alten Spiele der Automaten leicht und schnell verstehbar sein.
Nostalgie spielt laut Lange natürlich auch eine Rolle. Die 8-Bit- Grafik der Videospiele der 1970erund 1980er-Jahre steht für die Anfänge der Informationsgesellschaft – auch dies würde dem Deutschen zufolge Einfluss auf den fortschreitenden Trend haben. Weiters sollen die alten Games für eine gewisse Designphilosophie stehen, nach der laut Lange die „Technik noch komplett transparent war und Erfolgstitel oft nur von einem kleinen Team produziert wurden“.
Dies habe sich heute geändert. Der Museumsdirektor kann sich gut vorstellen, dass in „Zeiten der Intransparenz und Unkontrollierbarkeit des Umgangs mit den di- gitalen Technologien eine Sehnsucht nach dieser Periode und ihren Produktionsbedingungen“vorherrscht. Lange zieht zuletzt auch einen Vergleich mit der Musikbranche. So gibt es wie die Beatles oder Abba eben zeitlose Evergreens in der Videospielewelt, die auch heute noch gerne gespielt werden.
Eine unkompliziertere Zeit
Auch in Wien können RetroFans im „Subotron“auf ihre Kosten kommen. Das Geschäft im Museumsquartier bietet eine große Auswahl an älteren Konsolen und Spielen. Betreiber Jogi Neufelder merkt von einem größeren Interesse am Retrogaming bisher nicht wirklich etwas. Laut ihm gibt es diese Fangemeinde schon länger – zudem ist deren Größe bisher recht konstant geblieben.
Dafür, wieso nun so viele Spieler ältere Games oder Konsolen nutzen, hat Neufelder auch eine Erklärung: „Die Erkenntnis, dass ein Punkt und zwei Striche genauso Spaß machen können wie endlose Onlinewelten, kommt in Wellen. Jetzt ist die Lust, die historische Entwicklung von Technologie und Gameplay zu erspielen, gerade wieder größer. Pixel triggern eine Zeit, als alles noch nicht so kompliziert war.“