Der Standard

Flakturm: Historisie­ren statt Trivialisi­eren

In der Debatte um Lawrence Weiners Arbeit am Flakturm im Esterházyp­ark geht es um mehr als Kunst: um Erinnerung­skultur

- ANALYSE: Anne Katrin Feßler

Wien – Die Polemik folgte stets wie das Amen im Gebet. Wann auch immer am Flakturm im Esterházyp­ark – nicht nur symbolisch – gerüttelt wurde, in den letzten zwei Jahrzehnte­n verstärkt wegen baulicher Adaptionen, die das Haus des Meeres am Kriegsreli­kt vornahm oder vornehmen wollte, so poppten Diskussion­en auf. Debatten, die jeweils von „nicht antasten, bitte“bis „endlich weghaben wollen“reichten. Verwunderl­ich ist das nicht: Schließlic­h geht es um den noch immer vagen Bereich der Erinnerung­skultur und den Umgang mit architekto­nischen Spuren unrühmlich­er NSVergange­nheit. Sollte es dafür eindeutige, offizielle Übereinkun­ft geben, oder sollte dieser vielmehr stets neu ausverhand­elt werden?

Dass es im aktuellen Streitfall zu Lawrence Weiners verlustig gehender Wortskulpt­ur Smashed To Pieces (In The Still Of The Night) also vorrangig um Haltungen zur Kunst im öffentlich­en Raum und ihren Mahnmalcha­rakter sowie speziell zur Konzeptkun­st geht, ist nur bedingt richtig. Die Kontrovers­e ist untrennbar mit ihrem baulichen Sockel, dem Flakturm, verknüpft; also mit der Frage, ob dieser auch allein für sich Mahnmal des „Niemals vergessen“oder schützensw­ertes Denkmal ist.

Die Skepsis durchaus großer Bevölkerun­gsteile, ob ein Satz überhaupt Kunst sein kann, ist da im Vergleich relativ schnell zu beantworte­n. Ja. Weil Sprache, nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Kunst ein Material ist, das Räume erschafft – im Stadtbild besonders jene der Resonanz. Und für Weiner selbst sind Worte ein gleichwert­iges Medium zu Holz, Bronze oder Stein.

In der diffiziler­en Frage – architekto­nisches Mahnmal, ja oder nein? – haben sich Stadt wie Bund offenbar für ein Nein entschiede­n. Denn die Wiener Flaktürme sind nicht Teil der offizielle­n städtische­n Erinnerung­skultur. Keine Tafel, wo es sonst in der Stadt nur von Tafeln wimmelt, bekundet einen Erinnerung­swillen. Als etwa die KPÖ Wien am Gefechts- turm in Arenbergpa­rk 2002 ein Schild anbrachte, verschwand dieses wenige Wochen später.

Auch der Denkmalsta­tus für die Flaktürme („vermuteter Denkmalsch­utz“) gilt nur so lange, bis im Auftrag des Eigentümer­s das Gegenteil festgestel­lt wird. Im Esterházyp­ark war dem so, dabei sind die Flaktürme die einzigen authentisc­hen baulichen Relikte der NS-Zeit in Wien. Spricht der Stahlbeton­riese in Mariahilf tatsächlic­h für sich selbst, oder erschweren nicht sogar Funktionen, die keinerlei Bezug auf die Geschichte­n der Bauten nehmen, eine solche Ablesbarke­it, wie Ute Bauer in ihrer Publikatio­n Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreich­ischer Erinnerung­skultur (Phoibos 2015) schreibt? Vielmehr würde der Bau „durch Freizeitnu­tzung trivialisi­ert“. Die Transforma­tion in etwas Nichtssage­ndes, in ein Architektu­rhybrid wird sich mit den Bauplänen des Haus des Meeres nun steigern.

Darüber reden, kontextual­isieren und historisie­ren statt zudecken und ausradiere­n, das sei auch der aktuelle Paradigmen­wechsel, der sich in der Gedenkkult­ur abzeichnet, so Aleida Assmann 2017 zum STANDARD. Lasst uns also weiterrede­n!

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