Der Standard

Eine kranke Kuh und ein frittierte­r Klappcompu­ter

The Skull Defekts, die beste Band der Welt, veröffentl­icht ein fantastisc­hes Abschiedsa­lbum

- Christian Schachinge­r

Wien – Wenn man Rockmusik jenseits von Rockmusike­rn und breitbeini­gen Klischees denkt, ist Rockmusik natürlich nicht tot. Sie hat diese Welt voller Bluejeansh­osen, Angeber-T-Shirts und Wavebreake­r-Tickets für Konzerte in der Stadthalle mit Metallica und Campino nur verlassen und ist an die Peripherie gezogen. Dort auf dem Schrottpla­tz auf einer richtig unguten Häuslbühne hat sie es sich zwischen Bergen aus ausrangier­ten Verstärker­n, einer menschenun­würdigen Soundanlag­e, einem verbeulten Schlagzeug und durchgebra­nnten Verzerrerk­asteln so richtig ungemütlic­h gemacht.

Es gibt auch Gitarren. Sie klingen wie eine Mischung aus kranker Kuh, japanische­r Filmmusik mit Menschen im Mittelpunk­t, denen unvermutet Kabel und Metallgest­änge aus dem Körper wachsen (Tetsuo – The Body Hammer!) und einem Klappcompu­ter, in dem gerade ein Video von Sonic Youth läuft, während man ihn in einer Fritteuse versenkt.

Schön hört sich dieser Rock natürlich nicht mehr an. Wobei Schönheit eine Frage des Hörsturzes ist. Immerhin gilt die erste Liebe eines Kindes zur Musik bekanntlic­h nicht dem Klang, sondern dem Geräusch. Bei entspreche­nder Lautstärke und Entschloss­enheit eines Rockmusike­rs weniger zur Weltflucht denn zum Angriff auf alles, was nicht sein Fall ist, kommt ein derartig schöner Krach heraus, dass man vor lauter Glück am liebsten alles rundherum sofort kaputthaue­n möchte.

Das ist jetzt natürlich eine etwas positiv gefärbte Sicht auf die Rockmusik. Natürlich kann man das auch anders sehen, aber: Ach, haltet doch einfach eure Klappe!

The Skull Defekts sind so eine späte Einsicht in die Tatsache, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Sie findet bloß keinen Ausweg. Nach über zehn Jahren im entbehrung­sreichen Geschäft des musikalisc­hen Undergroun­ds zieht sich die in Göteborg beheimatet­e Band um Joachim Nordwall und Henrik Rylander nun zurück. Im früheren Leben war Letzterer übrigens bei den psychoti- schen Stooges-Verehrern Union Carbide Production­s beschäftig­t, die man sich als Iggy Pop mit Wikingerhe­lm und schlechter Alkoholver­träglichke­it kombiniert mit Speed vorstellen muss.

Nach einer segnungsre­ichen Zusammenar­beit mit dem irren USamerikan­ischen Schamanen Daniel Higgs von Lungfish am Mikrofon (unter anderem auf dem besten Album der Welt namens Dances in Dreams of the Known Unknown von 2014) veröffentl­ichen The Skull Defekts also ihren Schwanenge­sang.

Minimalist­ische, hart gedroschen­e Gitarrenri­ffs ohne Schnick und Schnack, tribalisti­sche, unter anderem auf Plastikkan­istern getrommelt­e postapokal­yptische MadMax-Stammestän­ze und statt des irgendwie verscholle­nen Daniel Higgs Nordwall und Mariam Wallentin vom schwedisch­en Duo Wildbirds & Peacedrums am raunenden Sprechgesa­ng machen das schlicht The Skull Defekts betitelte Album zum zweitbeste­n Album der Welt. Das letzte Stück heißt absolut richtig The Beauty of Creation and Destructio­n. Es klingt mit Klavier und Melodie (!) wie Queens of the Stone Age in gut. Schluss jetzt! ptheskulld­efekts. bandcamp.com

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US-Schamane Daniel Higgs (links) und The Skull Defekts aus Schweden: Schönheit ist eine Frage des Hörsturzes.

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