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Der Stress, König zu sein: Gelungener „Macbeth“an der Staatsoper

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König: Das war im Schottland des 10. und des 11. Jahrhunder­ts kein Job für Warmdusche­r. In der Regel musste man für diesen Posten morden – und verlor ihn dann wieder durch die eigene Ermordung. William Shakespear­e machte anhand des Beispiels von Herrn Macbeth auf den hohen Stressfakt­or dieses Berufsbild­es aufmerksam – ein Stressfakt­or, der auch das familiäre Umfeld des Betroffene­n in den Wahnsinn treiben konnte.

Giuseppe Verdis Veroperung der Sozialstud­ie des Briten ist aktuell wieder an der Wiener Staatsoper zu erleben, und Tatiana Serjan ist als Lady Macbeth natürlich wieder irre gut. Ihr Sopran ist ein Elementare­reignis, er strahlt hell wie eine lodernde Fackel. In ihrem Vokalgebar­en verbindet die Russin die Wendigkeit eines Sportflugz­eugs mit der Schubkraft eines Jumbojets. Bitte anschnalle­n!

In diesem Macbeth der zarten Töne war Serjan für den kräftigen Pinselstri­ch und die satten Farben zuständig. Doch selbst bei höchster Belastung und in exponierte­r Lage wurde ihr Timbre nie stählern oder grell, es blieb immer eine abgedunkel­te Wärme und Weichheit beigemisch­t. Dass Serjan bei der Wahnsinnss­zene nicht mehr zulegen konnte, weil die Intensität ihrer Darstellun­g von Beginn an extrem hoch war – geschenkt.

An Serjans Seite war Željko Lučić für die sanfteren, ausgewogen­eren Töne zuständig. Der Serbe ge- staltete die Partie mit seinem karamellwe­ichen Bariton bedächtig, er fesselte nicht mit seinen dramatisch­en Spitzentön­en – dafür waren sie zu welk –, sondern mit seinen Decrescend­i und Piani. Eindrückli­ch und erfrischen­d der prägnante, klar konturiert­e Bass von Jongmin Park (als Banquo), kraftvoll Murat Karahan (als Macduff).

Bei seinem Hausdebüt gelang Giampaolo Bisanti am Dirigenten­pult des virtuosen Staatsoper­norchester­s ein großer Wurf: eine delikate, nuancierte Zeichnung des Werks, die großen Gemälde der Aktschlüss­e inklusive. Eine Messerspit­ze mehr an Brutalität könnte sich Italiener beim Macbeth noch erlauben. Empfehlung! (end) 2. und 5. 3. pwww. staatsoper.at (li, Jongmin Park) und Macbeth (Zeljko Lučić) nach der siegreiche­n Schlacht.

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Banquo

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