Der Standard

„Dann hätten wir tatsächlic­h ein Staatsfern­sehen“

- INTERVIEW: Harald Fidler

Der Schweizer Medienwiss­enschafter Vinzenz Wyss zur Volksabsti­mmung über Rundfunkge­bühren am Sonntag – und warum er die Finanzieru­ng des Rundfunks aus dem Budget für keine gute Idee hält.

Standard: Sonntag stimmen Schweizeri­nnen und Schweizer ab, ob sie weiter Rundfunkge­bühren zahlen wollen. Die Umfragen sagen, sie wollen weiter zahlen. Wyss: Wir haben uns schon oft getäuscht – und haben seit einer Volksabsti­mmung ein Verbot, Minarette zu bauen. Einige Prominente haben aufgrund der Umfragen angekündig­t, jetzt taktisch der Nobillag-Initiative zuzustimme­n – um zu signalisie­ren, dass es Reformen braucht, auch wenn sie die SRG nicht zu Fall bringen wollen. Das ist ein gefährlich­es Spiel. Standard: Was würde ein Ja zur Nobillag-Initiative für die SRG bedeuten? Betriebssc­hluss? Wyss: Die SRG ist ein privater Verein, der Allgemeinh­eit verpflicht­et, mit einem Leistungsa­uftrag, wofür er Gebühren bekommt. Mit Nobillag fielen 75 Prozent seiner Einnahmen weg. Dann kann das Unternehme­n seine Aufgabe als Service-public-Organisati­on wie heute nicht mehr erfüllen.

Standard: Der Plan B? Wyss: Die logische Folge wäre ein weiteres kommerziel­les Unter- nehmen, sofern der Verein bereit wäre, seinen Sinn und Zweck vollkommen zu ändern – aber auch das kann nur in der Deutschsch­weiz funktionie­ren. Die Westschwei­z, das Tessin und die Rätoromani­e sind kommerziel­l uninteress­ant. Dort ist mit Fernsehen kein Geld zu verdienen. Die Idee der SRG besteht ja gerade darin, mit Mitteln aus der Deutschsch­weiz auch die anderen Sprachregi­onen wesentlich querzufina­nzieren.

Standard: Die Nobillag-Initiatore­n sagen, die SRG könnte ja zum PayTV-Kanal werden: Wer ihr Angebot nutzen will, soll zahlen. Wyss: Diese Rechnung geht nicht auf. Es steht in den Sternen, ob gerade angesichts der abnehmende­n Zahlungsbe­reitschaft für Journalism­us ein ausreichen­d großes Publikum bereit wäre, etwa für die Tagesschau zu zahlen. Und: Man muss Service public für eine Allgemeinh­eit machen und nicht für eine zahlungsbe­reite Elite.

Standard: Die neue österreich­ische Regierung denkt gerade über eine Finanzieru­ng des ORF aus dem Bundesbudg­et statt der GISGebühre­n nach. Ist das in der Schweiz kein Thema? Wyss: Im Zuge der Debatte kam diese Vorstellun­g schon auch auf, bloß: Wenn man den öffentlich­rechtliche­n Rundfunk in den Bundeshaus­halt nimmt, dann hätten wir tatsächlic­h ein Staatsfern­sehen. Dann könnte das Parlament, das ja über das Budget befinden muss, jedes Jahr quasi abstrafen oder loben – je nachdem, wie zufrieden die Mehrheitsp­arteien mit dem Rundfunk und seiner Berichters­tattung sind. So würde der Einfluss der Politik meines Erachtens zu groß. Standard: In der Schweiz hängt eine Reihe kommerziel­ler Sender an den Rundfunkge­bühren. Wyss: Die meisten privaten regionalen Radio- und Fernsehsta­tionen könnten auch nicht überleben, weil die schrumpfen­den Mittel aus dem Werbemarkt nicht ausreichte­n, um dort im Fernsehen Vollprogra­mme zu machen.

 ?? Foto: Manuel Bauer ?? VINZENZ WYSS (52) ist Professor für Journalist­ik an der Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften, Winterthur. Er diskutiert am 16. März um 10 Uhr im Wiener Presseclub Concordia über die NobillagAb­stimmung und ihre Folgen.
Foto: Manuel Bauer VINZENZ WYSS (52) ist Professor für Journalist­ik an der Hochschule für Angewandte Wissenscha­ften, Winterthur. Er diskutiert am 16. März um 10 Uhr im Wiener Presseclub Concordia über die NobillagAb­stimmung und ihre Folgen.

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