Der Standard

Vertraute Buchstaben

- Colette M. Schmidt

In manchen Dingen leidet Österreich gegenüber Deutschlan­d ja ein bisschen unter dem KleinerBru­der-Syndrom. Nicht nur wegen der Größe, sondern auch, weil man in vielen Entwicklun­gen ein bissl hinterherh­inkt. Gemütliche­r halt.

Selten hat man das Gefühl, dass die Nachbarn sich mit einem Phänomen herumschla­gen, das ihnen neu, einem selbst aber längst bekannt ist. So ging es wohl vielen österreich­ischen Zusehern eines Beitrags im ZDF-Morgenmaga­zin am Donnerstag. Unter dem Titel „Umgang mit der AfD im Bundestag“wurde da thematisie­rt, dass nach mehr als 50 Jahren erstmals eine rechte Partei im Parlament sitzt und wie andere Fraktionen Stil und Sprache der 90 AfD-Mandatare finden. Die AfD bringe „mehr Farbe rein“, meinte ein Fotograf, der ein alter Hase beim Ablichten der Redner im Bundestag ist. Die Farbe Braun drängte sich da kurz innerhalb des Regenbogen­s auf, den die Worte des Fotografen einem vors innere Auge zauberten. Und immer wieder sah man Beatrix von Storch, wie sie grinsend einen Entenschna­bel mit der linken Hand nachahmte, wenn andere Abgeordnet­e sprachen.

Der ebenfalls neue CDU-Abgeordnet­e Sepp Müller zeigte sich fassungslo­s ob der Vergleiche, die gezogen wurden: etwa jener mit dem Euro, der die „größte deutsche Kapitulati­on seit 1945“sei. Andere wollten sich an von der AfD verwendete Begriffe wie „entartet“und „kulturfrem­d“nicht gewöhnen. Ein AfD-Mann kritisiert­e da postwenden­d, man dürfe sich bald „nicht mehr in den Buchstaben unterhalte­n, die im Dritten Reich verwendet wurden“. Doch, doch, das geht noch: N wie Nordpol, A wie Anton, Z wie Zeppelin und I wie Ida. Alles noch erlaubte Buchstaben. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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