Wer Bitcoin Konkurrenz macht
Alternative Kryptowährungen wie Ethereum und Iota sind in vielerlei Hinsicht besser als Bitcoin – und auch bei Anlegern immer beliebter. Als alltägliches Bezahlmittel wird sich Bitcoin wohl nicht durchsetzen, sagt der Blockchain-Experte Philipp Sandner.
Wien – Fast 20.000 Dollar war der Bitcoin Mitte Dezember den Käufern wert. Es war der vorläufige Schlusspunkt einer rasanten Wachstumsphase. Anfang 2017 zahlten Käufer noch knapp über 1000 Dollar pro BTC. Dem Aufstieg folgte jedoch ein schneller Fall. Anderthalb Monate später hatte er zwei Drittel seines Wertes verloren und die 7000-Dollar-Marke unterschritten. Nach einer kurzen Erholungsphase pendelt ein Bitcoin nun bei 10.000 Dollar.
Ob man dies nun als Halbierung des Wertes sieht oder als eine Verzehnfachung im Jahresvergleich, liegt wohl im Auge des Betrachters. Der Bitcoin hat es jedenfalls nicht nur in die Schlagzeilen geschafft, sondern ist auch zunehmend zum Politikum geworden. Viele sehen ihn als die Zukunft des Geldes. Ein Anspruch, den er aber wahrscheinlich nicht erfüllen wird, meint Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance and Management im Gespräch mit dem STANDARD. Er sieht eine Mischung aus Hype und daraus folgender Berichterstattung als wesentliche Ursache für den kometenhaften Aufstieg des Bitcoins.
„In der Vergangenheit hörte man häufig von Menschen, die mit einem vergleichsweise niedrigen Investment zu mehrfachen Millionären geworden sind. Solch eine Möglichkeit möchten viele Menschen nicht verpassen und investieren ebenfalls, häufig ohne ein wirkliches Verständnis des Anlageguts zu besitzen“, so der Experte. Immer wieder warnten Finanzbehörden vor dem hohen Risiko, das mit Geldanlagen in Krypto-Assets einhergeht.
Als Hauptursache für den darauffolgenden Sturzflug sieht Sand- ner „regulatorische Sorgen“unter den Anlegern. In mehreren großen Staaten gab es Hinweise auf mögliche scharfe Restriktionen oder gar Verbote für den Handel mit Bitcoins. Die Ungewissheit habe viele Anleger aus dem Markt vertrieben, der dadurch einsetzende Preisverfall schließlich zu Panikverkäufen geführt, die den Absturz beschleunigt hätten.
Leitwährung
Die Entwicklung hat dem Status des Bitcoins als „Leitwährung“unter den Kryptowährungen zumindest vorläufig nicht geschadet. Wer anderes Digitalgeld erwerben oder zu Realgeld machen möchte, muss den Bitcoin als „Brückenwährung“nutzen. Dementsprechend hat er immer noch die deutlich höchste Marktkapitalisierung unter den „Kryptos“. Mit seiner Symbolkraft ist er zudem ein Orientierungspunkt für die Anleger, weswegen mit seinem Kurs oft viele andere Kryptowährungen steigen oder fallen, obwohl sie technisch gesehen kaum etwas mit ihm gemein haben.
Wer mit Bitcoins Güter oder Dienstleistungen im Alltag bezahlen will, findet aber nach wie vor nur wenige Akzeptanzstellen vor. „Ob wir in Zukunft Bitcoin als Zahlungsmittel verwenden werden, ist fraglich“, attestiert Sandner. Für den Bitcoin spricht, dass er eine sehr stabile Blockchain hat und hohes Vertrauen genießt. Dem gegenüber stehen allerdings ein „nicht mehr zeitgemäßes Protokoll, geringe Skalierbarkeit, niedrige Energieeffizienz“und die sprunghafte Wertentwicklung.
Würde der Bitcoin eines Tages komplett verfallen, so sieht Sandner zwei Alternativen mit großem Potenzial, die an seine Stelle rücken könnten. Die erste ist Ethereum, da dessen Blockchain nicht nur zur Abwicklung einfacher Transaktionen geeignet ist, sondern auch Geschäftsprozesse integrieren kann – beispielsweise Smart Contracts.
Gute Zukunftschancen sieht der Fachmann auch für Iota. „Dieses Konzept bietet eine Lösung des Skalierungsproblems und verspricht darüber hinaus, ohne Transaktionskosten auszukommen – auch bei Kleinstbeträgen“, sagt der Fachmann. Letzteres sei gerade für automatisiert abgewickelte Transaktionen zwischen Maschinen interessant. Ob der Bitcoin gekommen ist, um als Platzhirsch zu bleiben, darf infrage gestellt werden. In jedem Fall etablieren wird sich laut Sandner aber die Technologie, die er mitgebracht hat.
Wie sich der digitale Geldmarkt weiterentwickelt, wird in hohem Maße davon abhängen, wie Staa- ten mit dem Kryptogeld umgehen. Klare Rahmenbedingungen sollten zu einer Stabilisierung des Kurses von Bitcoin und Co beitragen, deren wilde Preisentwicklung auch damit zu tun hat, dass es sich immer noch um einen jungen und tendenziell überhitzten Markt handelt.
Immer neue Coins
Ein Symptom dieses Status quo ist auch das Auftauchen immer neuer Coins und Tokens, von denen es mittlerweile Tausende gibt. Viele von ihnen werben mit gar revolutionären Eigenschaften, verschwinden aber relativ flott wieder in der Versenkung. „Eine hoffentlich bald einsetzende Regulierung wird diese hohe Frequenz sicherlich verringern“, meint Sandner. Er appelliert an die Gesetzgeber, bei der Entwicklung der Regularien für digitale Währungen und die Blockchain Fingerspitzengefühl walten zu lassen. Es sei wichtig, Betrug zu verhindern, jedoch müsse man viel Freiheit für Innovationen gewährleisten. „Europa kann sich hier kein Scheitern leisten, da wir sonst von anderen Ländern und Wirtschaftszonen abgehängt werden.“Einzelne Staaten haben bereits Maßnahmen zur Regulierung der „Kryptos“beschlossen.
Letztlich böte die Blockchain viel mehr Möglichkeiten als Spekulation mit Kryptowährungen. Jedoch würde sich hier ein ganz eigenes Ökosystem entwickeln, mit allen Geschäftsmodellen, die bereits aus dem Finanzmarkt bekannt seien. Aber nicht nur das, auch darüber hinaus gäbe es viele Anwendungsfälle, in denen Finanzprozesse eine Rolle spielen – von vernetzter Industrie bis zum Gesundheitsbereich.