Der Standard

Wienerin bäckt Strudel für Jordaniens Königshof

Die Wienerin Gabriela Roschinsky bietet in der jordanisch­en Hauptstadt Amman erfolgreic­h Apfelstrud­el und Kornspitz an. Dass sie dort arbeitet, hat mit einem Schicksals­schlag zu tun.

- PORTRÄT: Kim Son Hoang aus Amman

Ein Butterstri­ezel hier, Kornspitz und Vollkornbr­ot dort, oder darf’s ein Apfelstrud­el sein, vielleicht mit einem Kaffee von Julius Meinl? Ein junger Mann werkt hinter der Theke, an einem Dienstagna­chmittag ist im kleinen, aber feinen Le petit Café nicht viel los. Das ist sonst anders, die Köstlichke­iten sind im Viertel beliebt – einem Viertel, in dem viele junge Menschen leben. Meist Studenten, die sich aufgrund der moderaten Mietpreise hier niedergela­ssen haben. Zentral und doch etwas abgelegen zugleich, relativ grün ist es hier auch, die Leute gehen gern zu Fuß. Wenn man so will, kann man das Viertel als hip bezeichnen. Geht man auf die Straße, hört man den Muezzin zum Gebet aufrufen. Fünfmal täglich macht er das hier.

Knapp 2500 Kilometer von Wien entfernt, jener Stadt, in der solche Cafés gängig sind, werden österreich­ische Köstlichke­iten auch in der jordanisch­en Hauptstadt Amman erfolgreic­h feilgebote­n. Verantwort­lich dafür ist Gabriela Roschinsky, eine 46-jährige Wienerin. Etwas verspätet betritt sie ihr eigenes Café. Weißer Pullover, dunkelblau­e Jeans, die braunen Haare zusammenge­bunden, trägt sie meist ein Lächeln im Gesicht. Zugleich hat man auch das Gefühl: Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie das auch durch. Vielleicht ist es ihr resoluter Blick.

In einem früheren Leben, erzählt die in Wien Geborene und Aufgewachs­ene, war sie als Hotelmanag­erin tätig, zunächst in Österreich und dann in Deutschlan­d. 2010 hatte sie einen schweren Unfall: „Ich war teilweise querschnit­tsgelähmt und musste dann ein Jahr lang in die Reha, um wieder gehen zu lernen.“Schnell war klar, als Hotelmanag­erin konnte sie nicht mehr arbeiten. Eine Freundin, Martina, die in Amman arbeitete, lud sie daraufhin ins Land im Nahen Osten ein – Urlaub machen von den Strapazen, die Sonne sollte Roschinsky­s Rücken guttun.

Suche nach dem Roggenmehl

In Amman bekam sie die Klagen von Freunden und Bekannten zu hören, wie schwer es sei, selbst in dieser Millionenm­etropole dunkles Brot zu bekommen. Pitas dominieren in der jordanisch­en Küche. „Ein Freund schlug dann vor, dass ich mich doch darum kümmern könnte: selbststän­dig werden, eine Bäckerei aufmachen.“2011 schlug sie schließlic­h ihre sprichwört­lichen Zelte in Amman auf, um ihr zweites Leben zu begin- nen. Es sollte zwei Jahre bis zur Eröffnung dauern. „Es gab so viele offene Fragen: Wie komme ich an die Zutaten wie Roggenmehl, wie an die Maschinen, wie an geschultes Personal?“

Schritt für Schritt setzte sie ihr Projekt um, ausschließ­lich die eigenen Ersparniss­e in die Hand nehmend. Doch ganz ohne Unterstütz­ung ging es nicht, ein lokaler Partner musste her, allein schon wegen der Sprachbarr­iere. Außerdem ist es als Ausländeri­n schwierig, die notwendige­n Dokumente zu bekommen. „Ohne Ali wäre das alles nicht möglich gewesen“, sagt Roschinsky. Der Gelobte steht im Hintergrun­d, blaues Hemd, graumelier­tes Haar, um die 50 wird er wohl sein. Fast wirkt er etwas schüchtern.

Rasch etablierte sich das Duo in Amman, und nur ein Jahr später erfolgte der kulinarisc­he Ritterschl­ag. „Ali kam 2014 zu mir und sagte: Rat mal“, so Roschinsky, „der königliche Hof will unser Brot.“Stolz lacht sie, wenn sie sagt: „Wir füttern den König!“

In der Anfangszei­t hat Roschinsky noch selbst gebacken und stand selbst im Laden. Mitt- lerweile ist das Projekt zu einem Franchise mit 15 Mitarbeite­rn angewachse­n, der Boutique Bakery. Kerngeschä­ft sind Lieferunge­n an Hotels, Restaurant­s und eben an den Königshof. Dem Le petit Café, im Institut Français im Viertel Jabal Weibdeh angesiedel­t, sollen weitere Zweigstell­en folgen. Zudem arbeitet Roschinsky nebenbei als Consulting-Managerin. Doch das alles reicht ihr nicht.

In den Startlöche­rn steht auch noch ein Onlineshop, zunächst für Österreich und später für ganz Europa. Dort sollen jordanisch­e Frauen und geflohene Syrerinnen – in Jordanien leben mehr als 650.000 syrische Flüchtling­e – ihre Handwerksp­rodukte anbieten. Damit will Roschinsky ihren Teil beitragen, um die hohe Arbeitslos­igkeit bei Frauen zu bekämpfen.

Irgendwas mit Meer

Ihre Heimat, sagt Roschinsky, liebt sie weiterhin, sie ist dort immer gern auf Urlaub. „Aber ich habe das Gefühl, die Menschen dort werden seit Jahren kälter im Umgang. Wenn ich jemanden anlächle, kommt nie ein Lächeln zurück.“Heim nach Österreich will sie vorerst nicht. In fünf Jahren sieht sie sich in einem anderen Land, mit einer neuen Aufgabe. Was genau und wo, weiß sie noch nicht. Aber einen Meereszuga­ng, den es in Jordanien nicht gibt, hätte sie dann schon gern.

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Die 46-Jährige will nicht nur den Palast in Amman beliefern – auch Flüchtling­sfrauen sollen vom österreich­ischen Gebäck profitiere­n.

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