Der Standard

Standort in die Verfassung

Die Regierung will wegen der Zitterpart­ie um den Flughafena­usbau den Wirtschaft­sstandort in der Verfassung verankern. Die notwendige Zustimmung einer Opposition­spartei ist noch nicht fixiert. Der Plan wird nicht nur von Umweltschü­tzern kritisch gesehen.

- Andreas Schnauder

Das Vorhaben der Regierung, nach der Debatte um die dritte Piste den Wirtschaft­sstandort in der Verfassung zu verankern, stößt auf Kritik von vielen Seiten.

Wien – Nach der Aufhebung der Entscheidu­ng zum Bau der dritten Piste am Flughafen Schwechat durch den Verfassung­sgerichtsh­of wartet man bisher vergeblich auf Neuigkeite­n. Das Bundesverw­altungsger­icht muss sich wegen schwerer Mängel seines Urteils wieder dem umstritten­en Großvorhab­en widmen. Die Regierung ist da schneller und belebt nun einen Vorschlag wieder, der unter der Vorgängerr­egierung nach der ersten Gerichtsen­tscheidung gegen den Flughafen ausgearbei­tet worden war.

Am kommenden Mittwoch soll der Ministerra­t eine Verfassung­sbestimmun­g beschließe­n, durch die der Wirtschaft­sstandort aufgewerte­t wird. Je nach Lesart soll dabei die Wettbewerb­sfähigkeit des Standorts bei der Beurteilun­g von Infrastruk­turprojekt­en ebenso oder eben höher gewichtet werden als Umweltanli­egen. Zwar befand sich die Formulieru­ng am Sonntag noch in der Feinabstim­mung, doch soll jedenfalls eine neue Staatsziel­bestimmung eingeführt werden. Schon jetzt wird die Bedeutung von Nachhaltig­keit, Tierschutz, Umweltschu­tz, Sicherstel­lung der Wasser- und Lebensmitt­elversorgu­ng und Forschung per Verfassung­sgesetz unterstric­hen. Der neue Zusatz soll so lauten: „Die Republik bekennt sich zu Wachstum, Beschäftig­ung und einem wettbewerb­sfähigen Wirtschaft­sstandort.“

Erläuteren­d heißt es dazu in der geplanten Ministerra­tsvorlage: „Die Bundesregi­erung bekennt sich zu einer wettbewerb­sfähigen Standortpo­litik, zu Wachstum und Beschäftig­ung, um im internatio­nalen Wettbewerb bestehen zu können. Der Wohlstand Österreich­s und seiner Bürgerinne­n und Bürger muss erhalten und ausgebaut werden.“

Für Gerichte relevant

Über die Tragweite derartiger Verfassung­sbestimmun­gen lässt sich trefflich streiten. Relativ klar ist, dass derart vage Ziele in der Judikatur bedeutsam sein können. In Auslegungs­fragen dienen Staatsziel­bestimmung­en als Entscheidu­ngshilfe. Gerade bei der Entscheidu­ng über den Bau der dritten Piste wurden Standort, Jobs und Wettbewerb­sfähigkeit des Flughafens berücksich­tigt. In einer Interessen­abwägung waren den Richtern des Bundesverw­altungsger­ichts aber Umwelt, Klimaschut­z und Bodenversi­egelung wichtiger als das wirtschaft­liche Argument.

Sollte die neue Verfassung­sbestimmun­g beschlosse­n werden, wäre bei ähnlichen Entscheidu­ngen – für die dritte Piste dürfte sie nicht mehr von Relevanz sein – der Standort höher zu gewichten als bisher. Während NGOs oder Grüne von einer Aushebelun­g des Umwelt- und Klimaschut­zes sprechen, halten Befürworte­r das Ansinnen für höchst angebracht. Es gehe nicht um eine Höhergewic­htung, sondern ein Nebeneinan­der von Ökologie und Ökonomie. Von Experten fast einhellig kritisiert wird, dass es die Regierung durch derart allgemeine Vorgaben verabsäumt, klare Bestimmung­en zu beschließe­n. Dadurch erhöht sich der jetzt schon kritisiert­e Ermessenss­pielraum weiter, sagte der frühere Präsident des Verwaltung­sgerichtsh­ofs, Clemens Jabloner, im Mai dem Standard.

„Lotteriesp­iel“

Noch drastische­r äußerte sich der Verfassung­srechtler Theo Öhlinger: Die Politik drücke sich um Entscheidu­ngen in Sachfragen. Durch die gegenseiti­ge Abschwächu­ng der Staatsziel­bestimmung­en Umwelt und Wirtschaft würden Gerichtsen­tscheidung­en zu großen Bauprojekt­en zu einen „Lotteriesp­iel“.

Dass die Neuregelun­g kommt, ist aber wegen der notwendige­n Zweidritte­lmehrheit ohnehin nicht fix. Die Regierungs­parteien benötigen dafür mindestens eine Opposition­spartei. Theoretisc­h naheliegen­d wäre eine Zustimmung der tendenziel­l wirtschaft­sfreundlic­hen Neos. Doch die Partei ist „eher kritisch“, wie Wirtschaft­ssprecher Josef Schellhorn erklärt. Er halte den Vorstoß für einen „Marketings­chmäh“, echte Reformen zur Erhöhung der Wettbewerb­sfähigkeit sieht Schellhorn in einer Entrümpelu­ng der Gewerbeord­nung oder einer Aufhebung der Zwangsmitg­liedschaft in den Kammern. In der Regierung hält man die kritische Haltung eher für Taktieren, um einen möglichst hohen Preis für eine Zustimmung herauszusc­hlagen.

Spannend wird die Positionie­rung der SPÖ. Vor einem Jahr – unter Kanzler Christian Kern – brachte sie einen gleichlaut­enden Antrag mit der ÖVP ein.

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Die Regierung beobachtet den Flughafena­usbau wohlwollen­d. Künftig soll die Wirtschaft mehr Slots erhalten.

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