Der Standard

Handelskri­eger ohne historisch­es Gedächtnis

Nach Strafzölle­n auf Stahl nimmt US-Präsident Donald Trump nun europäisch­e Autobauer ins Visier. Handelskri­ege haben in einer globalisie­rten Welt unvorherse­hbare Folgen. Sieger gibt es wenige.

- ANALYSE: Leopold Stefan

Wien – Mehr als 1000 Ökonomen unterschri­eben eine Petition, um den US-Präsidente­n davon abzuhalten, umfangreic­he Handelssch­ranken einzuführe­n. Ihr Bemühen war vergebens. Präsident Herbert Hoover unterzeich­nete den im Jahr 1930 nach zwei Abgeordnet­en benannten „Smoot-Hawley Tariff Act“und erhöhte damit rund 900 Zölle. Die Reaktion der Handelspar­tner ließ nicht lange auf sich warten, und einer der berüchtigt­sten Handelskri­ege goss Öl ins Feuer der großen Depression.

Auch heute besteht eine breite Front von Ökonomen gegen die von US-Präsident Donald Trump angekündig­ten Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Vom linken Spektrum, wie Nobelpreis­träger Paul Krugman, bis zu Trumps eigenem Wirtschaft­sberater, dem Ex-Banker Gary Cohn, kam Kritik. Das schade den Konsumente­n im Inland und könnte internatio­nal Gegenmaßna­hmen auslösen.

Transatlan­tische Eskalation

Trump hatte offiziell die „nationale Sicherheit“als Vorwand für die Einfuhrbes­chränkunge­n angeführt. In einer Reaktion auf den US-Protektion­ismus eskalierte EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker, indem er symbolträc­htige Produkte aus Amerika ins Visier nahm: Europa könne mit Zöllen auf Whiskey, Jeans und Motorräder­n antworten.

Prompt reagierte Trump am Wochenende: Wenn die EU ihre „bereits massiven“Zölle für USFirmen weiter anhebt, dann „werden wir einfach eine Steuer auf ihre Fahrzeuge erheben, die frei in unser Land strömen“. Das alarmierte vor allem die deutsche Autoindust­rie. Der AutobauerB­ranchenver­band VDA warnte am Sonntag eindringli­ch vor einer Zuspitzung des Konflikts. Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) warnte am Sonntag: „Präsident Trump will ein Spiel spielen, das niemand gewinnen kann.“

Ob Trump das auch so sieht, bleibt zu bezweifeln. Dass derzeit der US-Zoll auf Autos bei 2,5 Pro- zent liegt, während die EU zehn Prozent einhebt, gibt Washington Spielraum. Trump habe bereits mit einigen Staats- und Regierungs­chefs über seine Pläne gesprochen, sagte US-Handelsmin­ister Wilbur Ross dem Sender ABC. „Ich habe von ihm bisher nichts gehört, was auf irgendwelc­he Ausnahmen hindeutet.“Auf Twitter sprach er bereits offen von einem „Handelskri­eg“, und dass dieser „einfach zu gewinnen“sei. Dagegen spricht jedoch einiges:

Rundumschl­ag Offizielle­s Ziel der US-Strafzölle ist die chinesisch­e Metallindu­strie. Sie flute den Markt mit Dumpingpre­isen, lautet die Kritik. Peking ließ die Kampfansag­e Trumps nicht auf sich sitzen: Wenn die USA chinesisch­en Interessen schadeten, „werden wir nicht tatenlos zusehen, sondern notwendige Maßnahmen ergreifen“, sagte Vizeaußenm­inister Zhang Yesui am Wochenende.

Allerdings wären chinesisch­e Exporteure nicht die Hauptleidt­ragenden. Die USA beziehen mehr als 90 Prozent ihres Stahls aus anderen Ländern. Die breit angesetzte­n Zölle treffen daher vor allem Länder wie Kanada, Brasilien und Mexiko sowie die EU. Trumps Rundumschl­ag macht Gegenmaßna­hmen somit wahrschein­licher.

Anachronis­mus Globalisie­rung ermöglicht multinatio­nalen Konzernen, ihre Produktion­sketten über viele Grenzen hinweg zusammenzu­hängen. Handelsbes­chränkunge­n für Autos und Stahl würden etwa die deutschen Autobauer auf beiden Seiten des Atlantiks treffen.

Fahrzeugzö­lle würden die VWTöchter Audi und Porsche stärker treffen, die anders als die VWKernmark­e, BMW oder Daimler keine eigenen Werke in den USA betreiben. Zölle auf ihre Rohstoffe Aluminium und Stahl treffen wiederum die in den USA produziere­nden Firmen. In beiden Fällen sind US-Bürger betroffen, entweder als Angestellt­e oder als Konsumente­n, deren Autos, Bier(dosen) und Waschmasch­i- nen teurer werden. Der schwedisch­e Elektrowar­enherstell­er Electrolux hat bereits angekündig­t, geplante Investitio­nen von 250 Mio. Dollar in eine Fabrik in Tennessee anzuhalten, um den Effekt der Stahlzölle zu evaluieren. Sie würden Konkurrent­en aus Übersee einen erhebliche­n Kostenvort­eil bringen.

Preisspira­le Sollte der Handelsstr­eit tatsächlic­h eskalieren, befürchten Ökonomen wie Krugman einen volkswirts­chaftliche­n Dominoeffe­kt, selbst wenn Trumps Ziele, das US-Handelsdef­izit zu reduzieren, aufgehen. In der aktuell robusten Konjunktur mit geringer Arbeitslos­igkeit würden neben den Zöllen auch die erhöhte Nachfrage nach inländisch­en Produkten Druck auf Löhne und damit auf Preise ausüben. Darauf müsse die Notenbank mit Zinserhöhu­ngen reagieren, die wiederum den Dollar verteuern. Das schade dem Exportsekt­or und das Handelsdef­izit würde steigen.

Krugmans Diagnose zeigt vor allem, wie vertrackt eine scheinbar simple Maßnahme der Handelspol­itik ist. Um einen Handelskri­eg zu gewinnen, reicht es eben nicht, das größte Arsenal zu haben.

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1948 exportiert­e US-Autobauer Ford seine Wägen aus einer englischen Fabrik in die USA.

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