Der Standard

Gegensätze ziehen sich an

Eva Glawischni­g will genau jenem Konzern Verantwort­ung beibringen, der als der umstritten­ste der Republik gilt. Bisher zeichnete sich Novomatic durch unübertrof­fenes Lobbying aus, für das sich auch die Staatsanwa­ltschaft immer wieder interessie­rte.

- Andreas Schnauder

Wien – Die Empörung über Eva Glawischni­g hielt am Wochenende an. Ihr Avancement zur Verantwort­ungsmanage­rin bei Novomatic wurde in den (sozialen) Medien überwiegen­d zerpflückt. Nur vereinzelt fanden sich Gegenstimm­en, Neos-Abgeordnet­er Gernot Loacker hielt beispielsw­eise fest, „der Privatberu­f einer Privatpers­on geht euch nichts an“. Doch großteils wurde die Bestellung zerpflückt, u. a. von Presse- Chefredakt­eur Rainer Nowak, der Bert Brecht zitierte: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“

Die enorme Aufmerksam­keit für den unspektaku­lären Jobs einer Ex-Grünen bei einem Glücksspie­lkonzern hängt wohl mit der Anziehungs­kraft zweier Gegensätze zusammen. Den Grünen wurde von Kritikern immer wieder der Hang zum moralische­n Zeigefinge­r vorgeworfe­n, Glawischni­g sei die „Initiatori­n einer langjährig­en allumfasse­nden Verbotspol­itik“, ätzte ihr Ex-Mandatar Johannes Voggenhube­r in einem Beitrag auf derStandar­d.at.

Die Grünen waren es auch, die Novomatic immer wieder als Inbegriff des Bösen dargestell­t haben. Ausnützen von Spielsucht, Lobbying-Allmacht, Korruption, könnte man deren Vorwürfe kurz zusammenfa­ssen. Tatsächlic­h haben die Gumpoldski­rchner immer wieder recht eigenwilli­ge Methoden angewandt, um ihre Interessen durchzuset­zen. Die Beschäftig­ung von Ex-Politikern gehört da zu langjährig­en Praxis, wie die Beispiele Karl Schlögl, Alfred Gusenbauer, Johannes Hahn, Günter Verheugen oder Theo Waigel verdeutlic­hen.

„Österreich­s umstritten­ster Konzern“(profil) wurde Novomatic genannt, andere nutzten drastische­re Worte: Die Geschichte der Novomatic-Admiral – Die Welt im Würgegriff der österreich­ischen Mafia lautet der Titel eines Buchs, das angeblich kriminelle Machenscha­ften im Glücksspie­l thematisie­ren wollte. Das unter Pseudonym verfasste Werk wurde nie gedruckt, Novomatic ließ es per einstweili­ger Verfügung stoppen. Laut Gericht sind die Vorwürfe – von bestochene­n Beamten und Politikern über manipulier­te Automaten bis hin zu Steuerbetr­ug – unhaltbar. In der Begründung findet sich u. a. folgender denkwürdig­er Satz: „Das bloße Schalten von Inseraten in (parteinahe­n) Zeitungen lässt nicht auf eine Bestechung durch die Klägerin schließen.“Das zeigt schon, wie breit das graue Spektrum sein kann.

Best of Lobbying

Klar ist: Novomatic agiert in einer Industrie, deren Regulierun­gsdichte höchstens noch von den Banken erreicht wird. Die Vergabe von Lizenzen, Regeln für Spielersch­utz, Steuern samt Spielabgab­en und die Zahl der Automaten bestimmen die Branche wesentlich. Das vom Fleischerm­eister Johann Graf vor knapp 40 Jahren aufgebaute Unternehme­n, das mit an die 30.000 Mitarbeite­rn und 2100 Spielstätt­en zum Marktführe­r in Europa und zum größten Automatenp­roduzenten der Welt aufstieg, hat den Schnittste­llen zu Politik und Behörden immer größte Aufmerksam­keit geschenkt.

Das hat sich oft ausgezahlt. Unter die Best-of-Lobbying-Causen einreihen lässt sich mit Bestimmthe­it die Vergabe neuer Spielbankl­izenzen 2014, die aller- dings später aufgehoben wurde. Dabei kam es – wie so oft – zu sonderbare­n Entwicklun­gen. Obwohl der im Finanzmini­sterium eingericht­ete Glücksspie­lbeirat Casinos Austria für die Standorte in Wien und Niederöste­rreich präferiert­e, ergatterte Novomatic zwei Lizenzen – die Casag ging leer aus.

Vor allem der damalige Landeshaup­tmann Erwin Pröll hatte sich für seine Landsleute ins Zeug gelegt, und sein langjährig­er Partner Michael Häupl tat das Gleiche in Wien. Dem damaligen Finanzmini­ster Michael Spindelegg­er blieb nichts anderes übrig, als den Landesfürs­ten und dem Spielgrafe­n zu gehorchen und den eigenen Beirat auszuhebel­n. So geht Machtdemon­stration.

Dass die Entscheidu­ng höchstgeri­chtlich gekippt wurde, kann Novomatic verschmerz­en, obwohl Wien 2015 auch das kleine Glücksspie­l untersagte. Im Wiener Prater, wo der Konzern eine Spielbankl­izenz beantragt hatte, kann man mittlerwei­le an Geräten des ewigen Rivalen Casinos Austria zocken, an dem sich Novomatic beteiligt hat. Die der CasagTocht­er Lotterien gehörenden Video Lottery Terinals (VLT) unterschei­den sich zwar nur unwesentli­ch von den herkömmlic­hen Automaten, unterliege­n dem Verbot in Wien aber nicht. Zuletzt hatte Konzernche­f Harald Neumann angedeutet, 500 VLTs in der Hauptstadt aufstellen zu wollen – kurz danach wurde die Äußerung korrigiert.

Grasser-Connection

Mittlerwei­le Geschichte ist die Geschichte um angebliche­n Gesetzeska­uf durch Novomatic, den auch Glawischni­g äußerst heftig kritisiert hatte. Die Causa in Kurzform: Novomatic wollte das Casag-Monopol knacken, lobbyierte laut Gutachter mithilfe der Lobbyisten Walter Meischberg­er und Peter Hochegger und zwei Millionen Euro Honorar bei Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser. Das Gesetz war kurz vor der Beschlussf­assung, als die Casinos Austria zum Gegenangri­ff ansetzten und das Vorhaben zu Fall brachte. Sieben Jahre Ermittlung­en gegen Grasser, einstige Novomatic-Verantwort­liche und Meischberg­er endeten im Vorjahr mit: Einstellun­g. Lapidare Begründung der Staatsanwa­ltschaft auf zwei Seiten: Es sei nicht bewiesen, dass Grasser hinter der geplanten Gesetzesän­derung steckte. Alles supersaube­r also. Ein Verfahren ist derzeit noch im Zusammenha­ng mit Peter Westenthal­er anhängig, dem Novomatic über Mittelsmän­ner Geld für verdecktes Lobbying zugesteckt haben soll. Alle Beschuldig­ten bestreiten die Vorwürfe.

Der kleine Auszug an fragwürdig­en Verbindung­en des Spielkonze­rns, der sich noch lange fortsetzen ließe, zeigt schon, wie groß das Betätigung­sfeld von Glawischni­g sein könnte. Hängt halt auch davon ab, wie man das Aufgabenpr­ofil einer Verantwort­ungsmanage­rin definiert.

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Die grüne Null – der Worst Case eines jeden Spielkonze­rns.

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