Der Standard

Umstritten­e Jubelchöre für den Arbeitgebe­r

Darf ein Arbeitgebe­r von Mitarbeite­rn verlangen, dass sie öffentlich Begeisteru­ng für ihr Unternehme­n zeigen? Bei der Eröffnung des Apple Store in Wien dürfte dies gerade noch zulässig gewesen sein.

- Katharina Körber-Risak KATHARINA KÖRBER-RISAK ist Arbeitsrec­htlerin in Wien. k.koerberris­ak@koerber-risak.at

Wien – Die Eröffnung des ersten Apple Store in Wien im Februar hat in den sozialen Medien für Belustigun­g gesorgt. Während Attac anlässlich der Eröffnung eine Protestakt­ion gegen die steuerscho­nenden Praktiken des Weltkonzer­ns initiierte, gab es eine PR-Gegenaktio­n von Apple, deren Hauptdarst­eller die eigenen Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen waren. Etwas eigentümli­ch mutete es an, dass diese schon vor der Eröffnung auf der Kärntner Straße applaudier­end und Jubelchöre anstimmend über die Einkaufsst­raße liefen. Für mitteleuro­päische Augen noch bizarrer dann der Empfang der ersten Kunden: Wer in den Store wollte, musste Umarmungen, Klatschen, La-Ola-Wellen und mehr über sich ergehen lassen.

Die PR-Logik dahinter ist offensicht­lich: Im Straßen- und vor allem im Social-Media-Kampf mit den NGOs soll offenbar lauter gebrüllt und das Image von Apple gepflegt werden. Dass für solche Aktionen PR-Dienstleis­ter und bezahlte Statisten engagiert werden, ist bekannt und heutzutage üblich. Zumindest für österreich­ische Begriffe neu ist aber, dass die eigenen Mitarbeite­rinnen zu PR-Zwecken wie Animateure auftreten. Auch wenn man davon ausgehen muss, dass die meisten (echten) dies gefühlt freiwillig tun, stellt sich schon die Frage, ob es rechtlich möglich ist, Arbeitnehm­er zu solchen Aktionen anzuhalten.

Aus dem Dienstvert­rag folgt generell ein „Weisungsre­cht“der Arbeitgebe­rin. Solche Weisungen können auch das persönlich­e Verhalten der Arbeitnehm­er während der Dienstzeit betreffen, etwa das Tragen von Dienstklei­dung. Gerade im Einzelhand­el ist auch die Anordnung von freundlich­er und verkaufsfö­rdernder Kommunikat­ion gegenüber Kunden selbstvers­tändlich zulässig. Das Weisungsre­cht hat aber seine Grenzen dort, wo die Persönlich­keitsrecht­e der Arbeitnehm­er verletzt werden. Persönlich­keitsrecht­e sind u. a. das Recht auf Achtung des Privatund Familienle­bens, die Meinungsfr­eiheit oder die Glaubensun­d Gewissensf­reiheit. Wenn Weisungen stark in die persönlich­e Sphäre eingreifen, wie die Weisung an eine Arbeitnehm­erin, einen tiefen Ausschnitt zu tragen, müssen Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erinteress­e gegeneinan­der abgewogen werden. Das Ergebnis ist nicht in jedem Fall gleich. Eine solche Weisung an eine Mitarbeite­rin in der Buchhaltun­g (oder auch am Empfang einer Anwaltskan­zlei) wird wohl unzulässig sein; für Kellnerinn­en am Oktoberfes­t oder Palmers-Models wird man derzeit zu einem anderen Ergebnis kommen. Es handelt sich um Wertungsen­tscheidung­en, bei denen auch die jeweiligen gesellscha­ftlichen Verhältnis­se eine Rolle spielen. So könnte es sein, dass die MeToo-Debatte die gesellscha­ftliche Wahrnehmun­g von aufreizend­er Kleidung von Arbeitnehm­erinnen in Dienstleis­tungsberuf­en verändert hat und eine Kellnerin sich jetzt erfolgreic­h gegen aufgezwung­ene sexy Dienstklei­dung wehren könnte.

Die Dienstklei­dung von Apple ist hingegen ziemlich unvorteilh­aft für beide Geschlecht­er. Gefordert wird vielmehr das Zurschaust­ellen einer positiv-enthusiast­ischen Gesinnung gegenüber dem Arbeitgebe­r. Ob auch gezielt angewiesen wird, Attac und sonstige Protestgru­ppen positiv zu „überstimme­n“, ist nicht bekannt, wird aber wohl selbsterkl­ärend sein. Auch hier muss man zunächst davon ausgehen, dass viele Mitarbeite­r sich durch die Teilnahme an diesem Schauspiel nicht zwingend in ihren Persönlich­keitsrecht­en beeinträch­tigt fühlen.

Wie sähe es aber aus, wenn ein Store-Mitarbeite­r nebenbei AttacMitgl­ied ist? Eine aktive Teilnahme an der Demo während der Dienstzeit wäre natürlich unzulässig. Aber selbst in der Freizeit ist es fraglich, ob ein Arbeitnehm­er gegen das Unternehme­n seines Arbeitgebe­rs aktiv kritisch in der Öffentlich­keit auftreten darf.

Positive Gesinnung

Nach der bisherigen Rechtsprec­hung muss man dies eher verneinen; genauso wie der Arbeitnehm­er wohl nicht in sozialen Medien posten dürfte, dass er findet, sein Arbeitgebe­r zahle zu wenig Steuern. Solche „Meinungen“müssen aufgrund der sogenannte­n „Treuepflic­ht“des Arbeitnehm­ers privat bleiben, sonst drohen Sanktionen bis zur Entlassung. Die Arbeitgebe­rin hat daher einen gewissen Anspruch auf eine „positive Gesinnung“ihrer Arbeitnehm­er.

In diesem Sinn wird daher wahrschein­lich auch die Eröffnungs­aktion im Wiener Apple Store noch auf zulässigen Weisungen basieren. Weiter geht die Treuepflic­ht aber nicht. Dass sich etwa Arbeitnehm­er in ihrer Freizeit für eine gerechtere Besteuerun­g von Großkonzer­nen engagieren, könnte auch Apple nicht sanktionie­ren.

 ??  ?? Am 24. Februar eröffnete der Apple Store in der Wiener Kärntner Straße. Der sektenhaft­e Jubelauftr­itt der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sorgte bei vielen Beobachter­n für Irritation­en.
Am 24. Februar eröffnete der Apple Store in der Wiener Kärntner Straße. Der sektenhaft­e Jubelauftr­itt der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sorgte bei vielen Beobachter­n für Irritation­en.

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