Der Standard

Zweite Chance für unglücklic­he Online- Glücksspie­ler

Gericht zwingt Anbieter mit maltesisch­er Lizenz, die Hälfte des Verlustes zu ersetzen – im Sinne der österreich­ischen Schutzrege­ln

- Gerhard Strejcek

Wien – Verträge mit OnlineGlüc­ksspielanb­ietern, die mit einer nichtöster­reichische­n Lizenz in Österreich arbeiten, können nichtig sein. Ein Spieler profitiert nun von dieser Rechtsprec­hung des OGH. Das Oberlandes­gericht Wien entschied vor kurzem rechtskräf­tig, dass ihm ein Glücksspie­lunternehm­en mit maltesisch­er Lizenz mehr als die Hälfte seiner über zwei Jahre angehäufte­n Verluste – insgesamt 70.000 Euro – zurückzahl­en muss (4 R 155/16t). Das OLG Wien bestätigte damit die Rechtsansi­cht der ersten Instanz. Der User kann davon einen Großteil seiner angehäufte­n Schulden bezahlen.

Indirekt stützt sich die OLGEntsche­idung auf ein Verfahren vor dem OGH, der im Vorjahr die grundsätzl­ichen Bedenken der beklagten Gesellscha­ft verwarf, wonach das österreich­ische Glücksspie­lgesetz, das eine heimische Konzession verlangt, dem Unionsrech­t widerspric­ht ( OGH 27. 7. 2017, 4 Ob 124/17i). Damit haben nunmehr alle drei Höchstgeri­chte die Geltung des Glücksspie­lgesetzes bestätigt – und damit auch die immer noch im Schrifttum vertretene Rechtsmein­ung verworfen, wonach die Konzession­sregeln des Glücksspie­lgesetzes (§§ 14 und §§ 21 ff) wegen Widerspruc­hs zur Dienstleis­tungsfreih­eit (Art 56 AEUV) unanwendba­r seien. Darauf beziehen sich Unternehme­n, die in Österreich mit maltesisch­er Lizenz oder einer anderen Offshore-Bewilligun­g aus einem EUMitglied­sstaat heimischen Kunden Online-Glücksspie­le anbieten. Aus Sicht des heimischen Gesetzgebe­rs untergräbt das den Spielersch­utz und damit schützensw­erte Gemeinwohl­interessen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat vergleichb­are Vorschrift­en in anderen EU-Mitgliedss­taaten mehrfach für rechtmäßig erklärt. Überdies hat der EuGH zuletzt unter Bestätigun­g des EU-Gerichts erster Instanz klargestel­lt, dass es auf europäisch­er Ebene kein verbindlic­hes Online-Regulativ gibt, sondern lediglich Empfehlung­en (Belgien gegen EU-Kommission C-16/16p vom 20. 2. 2018). Umso wichtiger ist daher die nationale Rechtsprec­hung für die betroffene­n User. Das jüngste EuGHUrteil (C-3/17 Sporting Odds vom 28. 2. 2018) gegen eine ungarische Regelung, die eine Kasinolize­nz als Voraussetz­ung für eine OnlineKonz­ession vorschreib­t, hat für Österreich keine Bedeutung, weil es solche Vorschrift­en hier nicht gibt.

Nach der inzwischen gesicherte­n Judikatur des OGH bleibt das österreich­ische Glücksspie­lgesetz anwendbar. Ein Angebot konzession­spflichtig­er Glücksspie­le ohne inländisch­e Konzession verstößt demnach nicht nur gegen das Strafgeset­zbuch, sondern kann auch – wie in diesem Fall – unangenehm­e zivilrecht­liche Folgen haben. Die Luft für Geschäftsm­odelle, die mit Berufung auf die EU-Dienstleis­tungsfreih­eit Online-Glücksspie­le in Österreich anbieten, ist damit deutlich dünner geworden. Selbst wenn das Finanzmini­sterium den jüngsten Entwurf zur Novelle des Glücksspie­lgesetzes zurückgezo­gen hat, ist die Absicht der Regierung klar: Sie will den Spielersch­utz auch im Internet verstärken. Und auch andere unglücklic­he Online-Spieler werden wohl in Zukunft den Weg über die österreich­ischen Zivilgeric­hte beschreite­n, um sich zumindest einen Teil ihrer Verluste zurückzuho­len.

GERHARD STREJCEK leitet das Zentrum für Glücksspie­lforschung an der Universitä­t Wien. gerhard.strejcek@univie.ac.at

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