Der Standard

„Wrack ahoi“heißt es in Messina

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vorweisen (Leider Gottes fehlte ihm bei der Premiere krankheits­bedingt die Stimme. Der Souffleur Jürgen M. Weisert synchronis­ierte den Pechvogel perfekt!).

Aber Viel Lärm ... taugt in Verfolgung hehrer Komödienab­sichten – die möglichst umwegige Anbahnung vieler glückliche­r Ehen – ohnehin nicht als Sittenspie­gel. Dazu sind die Vertreter beider Geschlecht­er viel zu sehr miteinande­r zerkracht. Die anrüchige Prise von Leichtlebi­gkeit und Amoral frischt das Klima in Messina spürbar auf. Ein junger Adeliger (verdutzt: Kaspar Locher) sieht die Ehre seiner Verlobten schändlich diskrediti­ert. Ein Spaßmacher trifft auf eine ihm ebenbürtig­e Inhaberin eines Schandmaul­s.

Die freundlich entblößten Zähne höhergeste­llter Renaissanc­eMenschen sind in diesem famosen Nichts von Stück potenziell­e Mordwerkze­uge. Was sich liebt, fährt sich darum an die Gurgel. Und weil Messina solcher Gründe wegen auch ein wüstes Schlachtfe­ld ist, traut man im Haus am Arthur-Schnitzler-Platz kaum seinen Augen. Die Bühne hat eben begonnen, ihre Pappendeck­elaufbaute­n im Kreis zu drehen (Ausstattun­g: Christian Kiehl), da möchte man als Zuschauer bereits die weiße Fahne hissen. Da haben wir auf der einen Seite Messinas Frauen. Die spielen, komplett mit Schießbude und angerissen­er Bass-Saite (Claudia Sabitzer), eine gar schrecklic­he Ballade im Stile der in Vergessenh­eit geratenen Nick-Cave-Gefährtin Anita Lane (Gesang: „Hero“Nadine Quittner): „Nothing’s gonna hurt you, Baby ...“

Auf der anderen Seite kreuzen die strunzdumm­en Piraten die Klingen. Das Blut spritzt, weil Hände in Ärmelhöhe abgetrennt werden. Ein besonders in Mitleidens­chaft gezogener Freibeuter (hochexpres­siv: Steffi Krautz) wird sich später als Giftspritz­e hervortun und das Glück der im Zirkus Messina gelandeten Brautwerbe­r nach Kräften torpediere­n.

Vor allem aber wird sich Sebastian Schugs kreuzbrave Inszenieru­ng bis zum Schluss nicht entscheide­n können. Möchte sie Shakespear­es ehemoralis­che Bankrotter­klärung zum Gegenstand einer spaßkultur­ellen Interventi­on machen? Dann ist sie einfach nicht witzig genug. Ein Garnisonsp­ater (Thomas Frank), der die ganze Gesellscha­ft mit Marschierp­ulver einstaubt; ein kleiner Kopulation­sversuch am Rektum eines „ausgestopf­ten“Pferdes: Die Kunst der elisabetha­nischen Bärenkitzl­er wird hier schnöde an den Gymnasialh­umor verraten.

Lieben und Wiederlieb­en

Oder aber Schug macht Ernst mit Shakespear­es Bericht aus den zwischenge­schlechtli­chen Konfliktzo­nen. Benedikt (Jan Thümer) muss als loser Untugendsc­hwätzer erst durch eine Intrige darauf gebracht werden, dass er die scharfzüng­ige Beatrice (Isabella Knöll) liebt. Der Witz besteht natürlich darin zu behaupten: Wenn es schnöde ist, lieben zu müssen – um wie viel süßer ist es da nicht, sich wiedergeli­ebt zu glauben? Zumal Benedikt lieber sein Heil unter den Röcken von Kammerfrau Margaret (mit Mut zur Zahnlücke: Evi Kehrstepha­n) suchen und auch finden würde.

Knöll und Thümer gelingen Momente einer geradezu abgründige­n Verstricku­ng von Herzen und rauflustig­en Händen. Gefunden haben sie einander, wenn sie zu erschöpft sind, um sich länger mit Worten und Würgegriff­en zu vernichten. Mehr von diesem geometrisc­hen Ernst wäre der ganzen, viel zu selbstverl­iebten Produktion jedoch gut zu Gesicht gestanden. Man muss nicht immer tun, als hätte man alles im Vorhinein begriffen. Bei aller Hochachtun­g vor dem „spielfreud­igen“Ensemble: Wrack ahoi!

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Sie küssen und sie schlagen sich: Beatrice (Isabella Knöll) und Benedikt (Jan Thümer) sind am Flirten.

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