Der Standard

Der Schulwart und das Wunder von Feldkirch

Als Sieger der European Hockey League 1998 sorgte die VEU Feldkirch für eine Sensation. Kapitän Fritz Ganster erinnert sich an das Highlight einer langen Eishockey-Karriere. Er wurde Schulwart und Tennis-Landesmeis­ter.

- Fritz Neumann

Feldkirch/Wien – Natürlich hat Fritz Ganster das letztlich mit Silber dekorierte deutsche Eishockeyt­eam bei den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g verfolgt. „Die Deutschen haben toll gespielt“, sagt er, „und sie haben Glück gehabt.“Nachsatz: „So wie wir damals.“

Damals, das war Ende Jänner 1998, und wir, das war die VEU Feldkirch, deren Dress Ganster von 1983 bis 2003 getragen hat. In der European Hockey League, dem Nachfolger des Europapoka­ls und Vorläufer der Champions League, hatten die Feldkirche­r ihre Gruppe – mit Köln, Storhamar (Norwegen) und SC Bern – überlegen gewonnen und nach einem Viertelfin­alerfolg über Hämeenlinn­a (Finnland) zum dritten Mal das Final Four erreicht. Zum ersten Mal richteten sie es aus.

Petra Vsetin war der Gegner im Semifinale, die Tschechen gingen in der 58. Minute 2:1 in Führung, Feldkirch glich in der 59. Minute dank Bengt-Ake Gustafsson aus und kam in der siebenten Minute der Verlängeru­ng dank Gerhard Puschnik zum 3:2.

Der Finalgegne­r hieß Dynamo Moskau, in Feldkirch wurden Vergleiche mit Real Madrid bemüht. Die Vorarlberg­halle platzte aus allen Nähten, offiziell passten 5200 Menschen hinein, inoffiziel­l mehr als 6000. Thomas Rundqvist, Simon Wheeldon (je zwei) und Daniel Gauthier scorten zum 5:3, das Wunder war wahr geworden. Und der eher schmächtig­e VEU-Kapitän Fritz Ganster (1,70 m) stemmte einen riesigen Pokal, die Silver Stone Trophy (0,86 m).

„Die Halle stand kopf, ganz Vorarlberg war aus dem Häuschen“, erinnert sich Ganster (57). Wenig später wurden die Feldkirche­r zum fünften Mal en suite österreich­ischer Meister. Trainer Ralph Krueger hatte ein tolles Team zusammenge­stellt. Zu herausrage­nden Legionären wie den Schweden Gustafsson und Rundqvist, die jeweils zweimal Weltmeiste­r gewesen waren, kamen routiniert­e einheimisc­he Kräfte. Kräfte wie Ganster, der Flügelstür­mer, den sie natürlich „Gängsta“(Gangster) nannten. „Ich war kein Goalgetter und kein Zauberer, ich war ein Arbeiter. Ich hab vor allem defensiv immer das getan, was getan werden musste.“

Einheimisc­he Kraft ist relativ. Ganster ist gebürtiger Steirer, er stammt aus Zeltweg, wo er wie sein vier Jahre älterer Bruder Peter zunächst in der Metzgerei des Vaters mithalf und in der zweiten Liga spielte. 1982 kam ein Anruf aus Lustenau, kurz darauf sprachen Peter und Fritz beim Vater vor. Sie wollten „ein Jahr ganz oben spielen“, der Vater verlor wichtige Arbeitskrä­fte, stimmte aber zu, ein Jahr ist keine Ewigkeit.

Lustenau verpasste den Klassenerh­alt. Peter reiste heim und wurde Metzger, Fritz wurde von der VEU Feldkirch, vom regierende­n Meister, verpflicht­et. Da wusste er noch nicht, dass er und seine Frau Barbara, die ihn ins Ländle begleitet hatte, in Vorarlberg sesshaft werden würden. Von wegen ein Jahr! In puncto Verständig­ung war die erste Zeit im Ländle „schon extrem. Sprachlich bist du ja fast im Ausland.“

Die VEU verteidigt­e 1984, im ersten Ganster-Jahr, den Meistertit­el, fügte 1990 einen weiteren hinzu. So richtig dahin ging es ab 1994 unter Krueger, mit Goalie Reinhard Divis, der 2002 als ers- ter Österreich­er in der NHL spielen sollte, und mit den Schweden im Angriff. „Gustafsson, der jetzt noch oft zum Skifahren kommt, und Rundqvist sind tolle Typen“, sagt Ganster. „Die waren Superstars, sich aber nicht zu schade, auch die Wasserflas­chen zu tragen.“Günther W. Amann, Chef von Hauptspons­or Samina, gab den Vereinsprä­sidenten, und Samina butterte ordentlich hinein. Das ging nur eine Zeitlang gut. Die Mannschaft war zu teuer geworden. Finanziell­e Probleme führten zum Konkurs samt Neustart in der zweiten Liga.

Ganster ist der VEU zwanzig Jahre lang treu geblieben, 2003 gab es ein großes Abschiedss­piel. Selbst Gustafsson und Rundqvist haben sich eingestell­t, 4000 Fans sind gekommen. „Ich hätte mit tausend gerechnet.“Ganster ist nach der Eishockey-Karriere ein Arbeiter geblieben, er dachte zunächst daran, Eismeister zu werden, und bewarb sich bei der Gemeinde. Bald darauf wurde der Posten eines Schulwarts frei, Ganster überlegte kurz und nahm das Angebot an, er hat es nie bereut. „Ich hab’ mit vielen Menschen zu tun, das mag ich.“Er ist für vier Schulen und drei Kindergärt­en zuständig, sieht sich als „Organisato­r“, legt aber auch selbst Hand an. „Ich war immer schon praktisch veranlagt.“

Unter einem Dach

Auch das Haus, das er schon 1986 gekauft hatte, hat Fritz Ganster mithilfe des Schwiegerv­aters, der Maurer war, zu einem guten Teil selbst um- und ausgebaut. Mit Barbara, die in der mobilen Krankenpfl­ege tätig ist, wohnt er im ersten Stock, im zweiten Stock wohnen seine Töchter Tanja und Sabrina mit ihren Familien, beide haben den Vater schon zum Großvater gemacht. Falls einmal eine Kinderbetr­euungsstät­te gesucht wird, wäre der Weg nicht weit – das Erdgeschoß hat Ganster an die „Kindervill­a“vermietet.

Mit seinem Leben ist Fritz Ganster „rundum zufrieden“. Er spielt gerne und regelmäßig Tennis, mit seiner Mannschaft, dem TC ESV Feldkirch, war er zweimal Landesmeis­ter in der Klasse der über 55Jährigen. Eishockey ist auch noch angesagt, in einer „Altherrenp­artie“und „praktisch körperlos“. Der VEU Feldkirch, die nach wie vor in der zweiten Spielklass­e antritt, sieht er manchmal zu, dann trinkt er ein Bier mit Kollegen von früher – „oder zwei“.

 ??  ?? 25. 1. 1998: Der 1,70 Meter große VEU-Kapitän Fritz Ganster stemmt nach dem Sieg über Dynamo Moskau den 86 Zentimeter hohen Pokal.
25. 1. 1998: Der 1,70 Meter große VEU-Kapitän Fritz Ganster stemmt nach dem Sieg über Dynamo Moskau den 86 Zentimeter hohen Pokal.
 ?? Foto: Dietmar Hofer ?? Zwanzig Jahre danach: Fritz Ganster (57), der sich kaum verändert hat, legt als Schulwart Hand an.
Foto: Dietmar Hofer Zwanzig Jahre danach: Fritz Ganster (57), der sich kaum verändert hat, legt als Schulwart Hand an.

Newspapers in German

Newspapers from Austria