Der Standard

EU: Früherer Pensionsan­tritt benachteil­igt Frauen

Brüssel für rasche Angleichun­g an Männer und Entlastung niedriger Einkommen

- Andreas Schnauder

Brüssel/Wien – Die EU-Kommission sieht in einem Länderberi­cht „keinen Fortschrit­t“Österreich­s, ihre Empfehlung­en im Bereich der Pensionen umzusetzen. Weder bei der Anpassung des Pensionsal­ters an die Lebenserwa­rtung noch bei der Angleichun­g des Frauenpens­ionsalters an das der Männer gebe es Reformen, heißt es. Dass Frauen mit 60 in Pension gehen, trage – neben der schlechter­en Entlohnung im Erwerbsleb­en – zu niedrigem Einkommen im höheren Alter bei und erhöhe das Risiko der Altersarmu­t.

Die Maßnahmen der letzten Jahre zur Erhöhung des effektiven Pensionsan­trittsalte­rs werden zwar positiv erwähnt, allerdings reichten diese nicht aus, um die Kostendyna­mik zu bremsen. Denn gleichzeit­ig sei der von der demografis­chen Entwicklun­g ausgehende Druck gestiegen.

Etwas besser wird der Gesundheit­ssektor beurteilt, hier lobt Brüssel die geplante Zusammenle­gung von Sozialvers­icherungen. Negativ werden die Pläne rund um das Thema Rauchen gesehen.

Großen Handlungsb­edarf sieht die EU-Kommission bei Sozialabga­ben, die vor allem für niedrige Einkommen gesenkt werden sollen. Bei Grund- und Umweltsteu­ern gebe es Potenzial für eine Anhebung, um Arbeit zu entlasten. (red)

Brüssel/Wien – Die neue Regierung erhält von der EU-Kommission einiges Lob für Bürokratie­abbau und Arbeitsmar­ktflexibil­isierung. In wichtigen Bereichen enthält ein neuer Länderberi­cht zu Österreich aber auch viel Kritik. Vor allem bei den Pensionen und im Gesundheit­ssektor, aber auch im Steuersekt­or ortet die Kommission Schwachste­llen. Besser beurteilt sie die Entwicklun­g am Arbeitsmar­kt und bei den öffentlich­en Finanzen. Ein Überblick:

Pensionen Die EU-Kommission erkennt zwar die Fortschrit­te in Österreich bei der Anhebung des effektiven Pensionsal­ters im Zusammenha­ng mit den Reformen bei der Invaliditä­tspension und der Hacklerreg­elung an, allerdings gibt es auch einen gegenläufi­gen Trend: Die demografis­che Entwicklun­g – steigende Lebenserwa­rtung und niedrige Geburtenra­ten – führt zu noch größerem Handlungsb­edarf als bisher ange- nommen. Die Pensionsau­sgaben von derzeit 13,8 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s werden bis 2040 um 1,1 Prozentpun­kte zulegen, heißt es in dem Länderberi­cht. Im EU-Schnitt liegt der Zuwachs in dieser Periode bei 0,8 Prozentpun­kten.

Simulation­en zeigen, dass auch ein höheres effektives Pensionsal­ter in der Gegend von 65 Jahren (derzeit 60 Jahre) den Druck nur mäßig reduzieren würde. Würde das gesetzlich­e Pensionsal­ter hingegen an die steigende Lebenserwa­rtung geknüpft, könnte die Belastung um 2,3 Prozentpun­kte des BIP gegenüber dem Basisszena­rio (keine Änderungen) gesenkt werden, meint die EU-Kommission. Wegen einer fehlenden Automatik hält der Bericht fest, dass Österreich bei der finanziell­en Nachhaltig­keit der Pensionen „keinen Fortschrit­t“erzielt habe.

Ebenfalls angeprange­rt werden das niedrige Pensionsal­ter für Frauen und die langsame Anpassung, die erst 2024 einsetzt und zehn Jahre dauern wird. Dieses System fördere niedrige Pensionen und – gemeinsam mit der schlechter­en Entlohnung von Frauen – deren Altersarmu­t.

Gesundheit Auch hier sorgt die Alterung der Gesellscha­ft für einen gewissen finanziell­en Druck. Stärker als bei den Pensionen ortet die EU-Kommission aber hohe administra­tive Kosten, die sie mit 0,4 Prozent des BIP oder 1,47 Milliarden Euro angibt. Das entspricht den doppelten durchschni­ttlichen Ausgaben in der Europäisch­en Union. Die von der Regierung geplante Zusammenle­gung der Sozialvers­icherungen auf fünf Körperscha­ften halten die Brüsseler Experten daher für einen richtigen Schritt.

Auch über die Entlastung der (vergleichs­weise teuren) Spitäler und die Forcierung von Primärvers­orgungszen­tren ließen sich hohe Einsparung­en erzielen. Zudem sieht die Kommission Potenzial in der Prävention, wobei die Zurücknahm­e des Rauchverbo­ts in Lokalen eine „vergebene Chance“zur Reduktion der Gesundheit­srisiken sei. Steuern Die EU-Behörde kümmert sich nicht nur um die Abgabenhöh­e, sondern achtet darauf, dass an den richtigen Schrauben gedreht wird. Zentral ist aus ihrer Sicht die Abgabensen­kung bei kleinen Einkommen, weil damit Anreize geschaffen werden, einer Beschäftig­ung nachzugehe­n. Hier spricht die Kommission konkret die hohen Sozialabga­ben bei kleinem Verdienst an, die dazu führen, dass 42,8 Prozent der Arbeitskos­ten abgeführt werden müssen.

Spielraum für eine Entlastung der Arbeitsein­kommen wird im Länderberi­cht ausreichen­d gesehen. Vor allem beim niedrigen Grundsteue­raufkommen von 0,2 Prozent des BIP – in der EU liegt der Durchschni­tt beim Achtfachen – gibt es laut Kommission viel Potenzial. Bei den Umweltabga­ben liegt Österreich zwar in etwa im europäisch­en Mittel, doch auch hier könnte man stärker zulangen, um im Gegenzug Sozialbeit­räge zu senken. Zudem spricht die EU-Kommission Steuervort­eile von Firmenauto­s an, die nach früheren Berechnung­en 558 Millionen Euro ausmachten. Inwieweit die Summe nach Änderungen im Rahmen der Steuerrefo­rm noch gültig ist, bleibt offen.

Regulierun­g Die Kommission plädiert für weiteren Abbau von Bürokratie und Zugangshür­den für Unternehme­r. Genau in diese Kerbe hat Kanzler Sebastian Kurz am Mittwoch geschlagen. Neben der Verankerun­g des Wirtschaft­sstandorte­s in der Verfassung hat er Maßnahmen präsentier­t, mit denen Betriebsan­lagengeneh­migungen entfallen.

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Im Alter wirkt nicht nur der niedrigere Verdienst nach, auch das niedrigere Pensionsal­ter drückt das Einkommen der Frauen.

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