Der Standard

Chaos im Verfassung­sschutz

Nach einer Hausdurchs­uchung und der Suspendier­ung von drei Mitarbeite­rn befindet sich das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g in heftigen Turbulenze­n. Kritiker stoßen sich an ungewöhnli­chen Ermittlung­smaßnahmen.

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Mitten in der größten Krise seiner Organisati­on geht der Chef des Verfassung­sschutzes, Peter Gridling, auf Urlaub.

Wien – Mitten in der größten Krise seiner Organisati­on geht Verfassung­sschutz-Chef Peter Gridling auf Urlaub. Aus freien Stücken, wie das Innenminis­terium am Mittwoch betont. Glauben will man das im Umfeld des Verfassung­sschutzes nicht ganz. Zu eng liegen Hausdurchs­uchungen, Suspendier­ungen, Urlaubsant­rag und das Auslaufen von Gridlings Funktionsp­eriode zeitlich beisammen. De facto war der Vertrag des obersten Verfassung­sschützers vergangene­n Herbst verlängert worden – beziehungs­weise hatte Gridling keine Informatio­n über eine „Nichtverlä­ngerung“erhalten. Nun scheinen Gridlings Tage im Amt aber gezählt zu sein. In wenigen Tagen läuft sein Vertrag aus.

Zwar ist unklar, ob auch Gridling strafbare oder dienstwidr­ige Handlungen vorgeworfe­n werden, anonyme Anzeigen stellen das BVT aber als Hort der Korruption und des Amtsmissbr­auches dar. Die Sammlung an Vorwürfen, die seit Monaten unter Politikern, Beamten und Journalist­en kursie- ren, führte vergangene Woche zu einer Hausdurchs­uchung beim BVT, die von der Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität (EGS) durchgefüh­rt wurde. Deren Leiter ist Wolfgang Preiszler, freiheitli­cher Gewerkscha­fter und Gemeindera­t in Guntramsdo­rf. Preiszler soll schon 1999 an der „Operation Spring“beteiligt gewesen sein, bei der nach den ersten großen Lauschangr­iffen in Österreich von rund 850 Polizisten über hundert Beschuldig­te überwiegen­d afrikanisc­her Herkunft verhaftet wurden – und für die es heftige Kritik hagelte.

Sensible Daten kopiert

Laut den Anwälten der beschuldig­ten BVT-Mitarbeite­r sollen bei der Hausdurchs­uchung ganze Festplatte­n kopiert worden sein. Dabei handelt es sich um heikle Daten: Das BVT ist für Ermittlung­en gegen Links- und Rechtsextr­emisten, Terroriste­n und ausländisc­he Spione zuständig. Die Daten des BVT werden in einem eigenen System gespeicher­t, Zugriffe darauf werden streng protokolli­ert. Diese Informatio­nen wurden nun offenbar von der Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität kopiert und an die Staatsanwa­ltschaft übermittel­t.

Ein Teil der Ermittlung­en soll die Weitergabe von in Österreich gefertigte­n nordkorean­ischen Pässen an Südkorea zum Inhalt haben. Als der STANDARD und Profil diese Vorgänge vergangene­n Herbst aufdeckten, schrieb das Innenminis­terium in einer öffentlich­en Aussendung, es sei „überrascht, dass übliche und reguläre Vorgänge auf Grundlage anonymer Skandalisi­erungen und weiterer nicht konkretisi­erter Behauptung­en in vorliegend­er Form Gegenstand der Berichters­tattung anerkannte­r Medien sein können“. Monate später führt dieser „übliche und reguläre Vorgang“plötzlich zu Suspendier­ungen. So heißt es aus dem Umkreis eines Beschuldig­ten, dass sich dieser um seine Sicherheit sorge. Nordkorea könnte durch den Ermittlung­sakt erfahren, wer hinter der Passweiter­gabe steckt.

Vorerst soll sich Dominic Fasching um das Tagesgesch­äft des BVT kümmern. Er wurde nun zu Gridlings Stellvertr­eter ernannt. Wolfgang Zöhrer, ehemaliger Vizedirekt­or, hatte sich rasch nach der Regierungs­bildung Richtung Sicherheit­sakademie verabschie­det. (fsc, go, gra, simo)

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Im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g fand vergangene Woche eine Hausdurchs­uchung statt – durchgefüh­rt überrasche­nderweise von Experten für Straßenkri­minalität.

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