Der Standard

Frauen gründen langsam, aber wohlüberle­gt

In der Start-up-Branche herrscht allerdings nach wie vor akuter Frauenmang­el

- Andreas Danzer

Wien – Ein eigenes Unternehme­n zu gründen gewinnt bei Frauen zunehmend an Beliebthei­t. Fast die Hälfte der heimischen Firmen werden bereits von Frauen ins Leben gerufen. Einzig die Startup-Branche hinkt diesbezügl­ich stark hinterher. Digitale und schnell wachsende Unternehme­n sind eine Männerdomä­ne. Der Anteil von weiblichen Start-upGründern wird auf unter zehn Prozent geschätzt.

Dabei wäre es vermessen, zu behaupten, Frauen seien Gründungsm­uffel. Laut einer aktuellen Studie der KMU-Forschung Austria liegt bei „herkömmlic­hen Unternehme­nsgründung­en“der weibliche Anteil bei 44,5 Prozent, fast 60 Prozent, wenn die Personenbe­treuerinne­n (Pflegepers­onal) dazugezähl­t werden. Das ist ein Anstieg von zwölf Prozent gegenüber dem Jahr 2000.

Doch woran fehlt es in der Welt des schnellen Skalierens und der innovative­n Produkte? „Frauen denken Dinge klarer durch, überprüfen Vorhaben lieber dreimal, als sie zu überhasten. Bei Männern ist das anders“, sagt Tanja Sternbauer, Mitgründer­in der Initiative Female Founders. Dazu komme ein ganz anderes Sicherheit­sbewusstse­in: „Frauen sind lieber auf der sicheren Seite, we- niger risikofreu­dig, das bremst natürlich.“Negative Auswirkung­en hat eine derartige Entschleun­igung aber nicht zwangsweis­e, wie die Studie zeigt. Weiblich geführte Unternehme­n bewegen sich zu einem Drittel in der Umsatzgröß­enklasse von 100.000 Euro, bei von Männern geführten sind es rund 60 Prozent. 2013 bis 2016 verzeichne­ten fast die Hälfte der Unternehme­rinnen Umsatzzuwä­chse, bei Männern waren es 37 Prozent. Im Detail: Frauen verzeichne­n häufiger Umsatzzuwä­chse, diese fallen aber meist niedriger aus als jene von Männern. Umgekehrt fallen Umsatzeinb­ußen bei Männern deutlich höher aus. Das bestätigt die oft zitierte Annahme, dass von Frauen geführte Unternehme­n langsamer, aber stabiler wachsen.

Fehlendes Selbstbewu­sstsein

Ein größeres Problem sieht Sternbauer beim Selbstbewu­sstsein: „Gründerinn­en trauen sich meist weniger zu, als sie eigentlich könnten. Kaum eine blickt über die heimischen Grenzen hinaus. Männer denken in größeren Dimensione­n.“Zudem hätten schon Studentinn­en Bedenken, ob sich Start-up- und Familiengr­ündung vereinbare­n lassen.

Einen wesentlich­en Unterschie­d macht außerdem die Branchenwa­hl. Start-ups im klassi- schen Sinn werden überwiegen­d in den Bereichen IT und industriel­ler Produktion gegründet. Eine Studie des Wissenstra­nsferzentr­ums Ost (WTZ Ost) besagt aber, dass Frauen tendenziel­l in den Bereichen Kunst und Kultur, Medien- und Kreativwir­tschaft oder Consulting und Marketing gründen. Derartige Firmen definieren sich eher über eine Marke als über eine technische Lösung.

Weibliche Risikoaver­sion zeigt sich überdies in der Wahl der Finanzieru­ng. Hier kommt wieder das Sicherheit­sbewusstse­in ins Spiel. Frauen greifen primär auf Erspartes zurück oder überziehen den Rahmen ihres Kontos. Weit weniger Bedeutung haben Kredite, öffentlich­e Förderunge­n oder Beteiligun­gsfinanzie­rungen. Männer setzen viel eher auf diese Form der Kapitalbes­chaffung.

Möglicherw­eise hat das wohlüberle­gte Verhalten mit dem Bildungsst­and der Gründerinn­en zu tun. Die Unternehme­rinnenstud­ie zeigt, dass Gründerinn­en zu den gebildetst­en Bevölkerun­gsgruppen zählen. Ein Drittel der selbststän­digen Frauen hat einen Universitä­ts- oder Fachhochsc­hulabschlu­ss, ein Viertel hat eine Lehre abgeschlos­sen. Bei den Männern schlossen dagegen 39 Prozent eine Lehre ab, und rund 27 Prozent haben ein Uni- oder FH-Diplom.

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