Der Standard

Zur Abwechslun­g mal Selbstkrit­ik

Medien tragen auch dazu bei, dass der Weltfrauen­tag immer noch notwendig ist

- Petra Stuiber

In Steven Spielbergs Film Die Verlegerin über die Veröffentl­ichung der Pentagon Papers durch die Washington Post gibt es aus Frauensich­t eine Schlüssels­zene. In dieser bereitet sich Herausgebe­rin Katharine „Kay“Graham, gespielt von Meryl Streep, akribisch auf eine wichtige Sitzung des Aufsichtsr­ats vor und kommt gar nicht dazu zu reden, weil ihr diese Männer das Wort abschneide­n. Nach der Sitzung verlassen sie in geschlosse­ner Reihe den Saal und besprechen die Zukunft der Zeitung – Kay Grahams Zeitung. Sie läuft hinterher. Erst Schritt für Schritt wächst sie als Verlegerin – zum großen Nutzen der Post.

In diesen Ansichten eines männlich dominierte­n Newsbusine­ss ist der Film heute so aktuell wie Anfang der 1970er-Jahre. Ähnlich rar wie damals sind starke Verlegerin­nen im Tageszeitu­ngsgeschäf­t. Der Frauenante­il in Führungspo­sitionen ist zwar gestiegen – von Geschlecht­erparität kann aber noch lange nicht die Rede sein.

Jahr für Jahr wird zum Frauentag, auch an dieser Stelle, die fehlende Gleichstel­lung angeprange­rt. Wir geißeln Politik und Gewerkscha­ft für die klaffende Gehaltssch­ere, Kammern und Institutio­nen für ihren Männerüber­hang, börsennoti­erte Unternehme­n für ihre Bockigkeit gegenüber Frauenquot­en in Aufsichtsr­äten und Vorstandse­tagen. Wir fordern, wir verlangen, wir sagen, dass es reicht. Und im nächsten Jahr tun wir es wieder. ir müssen aber auch reflektier­en, was wir täglich tun – oder nicht tun. Dass das alljährlic­he Mahnen am Weltfrauen­tag, das so vielen auf die Nerven geht, immer noch notwendig ist, liegt auch an den Medien selbst. Auf dem Zeitungsbo­ulevard etwa wird offener Sexismus unverdross­en als Ausdruck von Meinungsfr­eiheit zelebriert. In der Krone werden bestimmte Politikeri­nnen, „zufällig“allesamt Feministin­nen, systematis­ch zu Feindbilde­rn stilisiert und der Lächerlich­keit preisgegeb­en. Wären alle einig, dass solche Kampagnen weder etwas mit Pressefrei­heit noch mit Informatio­nsauftrag zu tun haben, wäre die Krone die Presseförd­erung längst los. Stattdesse­n wird sie von Politikern aller Couleurs hofiert.

Auch in Qualitätsm­edien läuft längst nicht alles rund. Die Rede ist nicht von verkrampft­em Gendern um jeden Preis. Es geht um jenes tiefverwur­zelte Denken, das vom Mann als

WNorm und von der Frau als Ausnahme ausgeht. Auch problembew­usste Journalist­innen und Journalist­en sind davor nicht gefeit.

Wenn die Deadline droht, rufen wir dann doch wieder den Experten an, der immer für einen „Sager“gut ist, statt uns nach der Expertin umzusehen, die ebenso Interessan­tes zu sagen hätte, aber im Hintergrun­d bleibt. Wer freilich zu Wort kommt, wird auch ins Bild gerückt – mitunter entstehen dann mediale Realitäten ohne Frauen.

Auch im STANDARD kommt das vor – obwohl uns Gleichstel­lungstheme­n, das Bemühen, Frauen vor den Vor- hang zu holen, und sprachlich­e Behutsamke­it seit Beginn Anliegen sind.

Um (auch uns selbst) einen Denkanstoß zu geben, drucken wir in dieser Ausgabe ausschließ­lich Fotos mit Frauen im Zentrum. Wo dies gar nicht möglich ist, verwenden wir Symbolbild­er. Das rettet nicht die Welt, aber viele kleine Schritte machen auch einen langen Weg. So wie das Aufstehen, Aufzeigen, Anprangern von Diskrimini­erung durch immer neue Generation­en von Frauen in Summe Fortschrit­t bringt. Oder zumindest Rückschrit­te verhindert.

Das immerhin ist eine beruhigend­e Perspektiv­e.

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