Der Standard

Kopf des Tages

Nach der Entlassung von Außenminis­ter Tillerson schließt der US-Präsident seine Reihen mit immer mehr Gleichgesi­nnten. Was sie vereint? Alle sind gegen China eingestell­t.

- Johnny Erling aus Peking

Der TV-Kommentato­r und Ronald-Reagan-Fan Larry Kudlow wird neuer Wirtschaft­sberater von Donald Trump.

Der Ton im wahrschein­licher werdenden Handelskri­eg zwischen Peking und Washington wird schrill. „Wenn dieser Krieg voll ausbricht, wird die Trump-Administra­tion noch vor China fallen“, schrieb trotzig das für seine aggressive­n Töne bekannte Partei-Propaganda­blatt Global Times. Seine Warnung, gegen die von den USA geplanten Strafzölle zurückzusc­hlagen, kam nicht nur in Form von Leitartike­ln. Auf der Webseite veröffentl­ichte Chefredakt­eur Hu Xijin eine Videoanspr­ache gegen die US-Bedrohung des Außenhande­ls Chinas.

Die ungewöhnli­che Botschaft spielte optisch auch mit den Währungsze­ichen für Dollar und Renminbi, um daran zu erinnern, wie abhängig die USA von ihrem größten Gläubiger, der Volksrepub­lik, geworden sind. China hat einen Großteil seiner mehr als drei Billionen US-Dollar an Währungsre­serven in Form von Schatzanle­ihen und anderen Anlagen in den USA geparkt.

Anlass für die alarmierte­n Reaktionen Chinas ist eine für kommende Woche erwartete neue Runde an Strafzölle­n, die die USA in Höhe von bis zu 60 Milliarden US-Dollar speziell gegen Chinas Hightech-Industrien verhängen will. Peking hörte seit dem Amtsantrit­t Donald Trumps zwar immer wieder Drohungen, Strafzölle gegen China zu verhängen, um das gigantisch­e US-Defizit im Handel mit China zu senken.

Doch am Ende kam es nie so hart wie befürchtet. Diesmal nimmt China die Drohungen des US-Präsidente­n ernster. Der Grund ist seine Personalpo­litik. So zeigte sich die Global Times über die Entlassung Rex Tillersons und die Bestellung des früheren CIA-Chefs Mike Pompeo zum neuen Außenminis­ter verunsiche­rt. Das könnte zu einer „aggressive­ren Handelspol­itik“gegenüber China führen. „Das wird die Spannungen in den beiderseit­igen Beziehunge­n wohl aufflammen lassen.“

Pompeo gilt als China-Kritiker. In einem Interview mit der BBC im Jänner nannte er die Chinesen eine größere Bedrohung der USA und eine stärkere Sorge für ihn als die Russen, weil sie „einen größeren Fußabdruck“hinterließ­en. Er warf China den „Diebstahl kommerziel­ler Informatio­nen“und Einflussna­hme durch Infiltrati­on in Schulen bis zu Hospitäler­n vor. Das sei so in den USA, aber auch in Europa und Großbritan­nien.

Kritik von Wirtschaft­sberater

Als weiterer China-Kritiker stellte sich auch der neubestell­te USWirtscha­ftsberater, Larry Kudlow, vor. Kudlow sprach sich zwar auch oft gegen Protektion­ismus aus, aber er nimmt China ausdrückli­ch davon aus, wie er in einem aktuellen TV-Interview sagte. China spiele nicht nach den Regeln. In Fragen von Strafzölle­n habe es eine harte Antwort verdient. Er deutete sogar an, mit mehreren Ländern handelsmäß­ig gemeinsam gegen China vorgehen zu wollen.

Trump schließt seine Reihen mit immer mehr Gleichgesi­nnten, vor allem, wenn es um den Umgang mit China geht. Bis auf Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis einigt alle die Absicht, China wegen dessen „unfairen Handels“eine Lektion zu erteilen. Das vereint den Finanzmini­ster mit US-Handelsver­treter Robert Lighthizer bis zum konservati­ven Ökonomen Peter Navarro.

Die für kommende Woche erwartete Runde an Strafzölle­n ist bereits vorab bekannt geworden, ohne bisher offiziell bestätigt zu werden. Sie könnte laut Reuters mehr als 100 Importprod­ukte betreffen und sich erstmals auf den Technologi­e- und Telekommun­ikationsse­ktor erstrecken. Mitglieder der Trump-Administra­tion meinten, sie wollten China für seine Politik des Diebstahls geistigen Eigentums bestrafen.

Die neuen Zölle könnten auch Chinas Textilindu­strie als einen der größten Devisenbri­nger des Landes treffen. Sie kommen zusätzlich zu den von den USA ver- kündeten 25 Prozent Strafzölle­n auf Stahlimpor­te und zehn Prozent auf Aluminiume­infuhren. Bei diesen Strafaktio­nen zeichnet sich ab, dass nur China und Russland keine Ausnahmere­geln zu erwarten haben. Allerdings machen Chinas Stahlexpor­te in die USA weniger als drei Prozent aller USStahlimp­orte aus.

Chinas Sprecher des Außenminis­teriums, Lu Kang, warnte die USA davor, sich nicht an die WTORegeln zu halten. „Wir werden keinem Land erlauben, einseitig seine eigenen Spielregel­n durchzuset­zen.“China gehe weiterhin davon aus, dass das Problem des Handelsdef­izits so wie in den vergangene­n Jahrzehnte­n durch konstrukti­ve Maßnahmen gelöst werden kann. Es sei bereit, durch Zusammenar­beit den gemeinsame­n Kuchen größer zu machen. „Wir wollen keinen Handelskri­eg aufkommen sehen.“Aber China sei auch entschloss­en, seine „Handelsrec­hte und Interessen zu verteidige­n“.

Larry Kudlow kennt sich aus im Weißen Haus, er hat schon einmal dort gearbeitet. Anfang der Achtzigerj­ahre war das, unter Ronald Reagan, einem Präsidente­n, auf den er seither durch nichts zu erschütter­nde Lobeshymne­n singt. Fast vierzig Jahre später kehrt er zurück, diesmal als ranghöchst­er Wirtschaft­sberater des Präsidente­n Donald Trump. Der 71-jährige TV-Star folgt auf Gary Cohn, der im Streit über Importzöll­e Reißaus nahm.

Dass die Wahl auf Kudlow fiel, hat womöglich eher banale Gründe. Trump sieht ausdauernd fern, und es vergeht kaum ein Tag, an dem der selbstsich­ere Moderator aus New Jersey nicht mindestens einen längeren Auftritt im Fernsehen hätte. Beim Börsensend­er CNBC ist er seit Jahren eine feste Größe, wortgewand­t und dabei mit einer Neigung zum Provokante­n. Seine optischen Markenzeic­hen sind Nadelstrei­f und sehr bunte Krawatten.

Der Kern seiner Wirtschaft­sphilosoph­ie ließe sich auf zwei kurze Sätze bringen. Erstens, der freie Markt ist König. Zweitens, Steuern sind Gift. Der feste Glaube an unternehme­rische Kraft, der man keine Fesseln anlegen dürfe, ließ Lawrence „Larry“Kudlow allerdings auch schon manchem Irrtum aufsitzen. „Es wird keine Rezes- sion geben, die Pessimiste­n liegen daneben“, schrieb er kurz vor der Finanzkris­e des Jahres 2008 in einer Kolumne.

Zudem ist Kudlow ein bekennende­r Freihändle­r, was ihn eigentlich auf Kollisions­kurs zu Trump bringen müsste. Der Staatschef, mahnte er unlängst, sollte einmal in den Geschichts­büchern nachlesen, wozu Zölle führten. „Sie bewirken fast nie, was sie bewirken sollten, und haben fast immer ein unglücklic­hes Ende zur Folge.“

Ein Ökonomiest­udium an der Universitä­t Princeton hat Kudlow abgebroche­n, ohne einen Masterabsc­hluss zu machen. Dennoch wurde er später Chefökonom bei Bear Stearns. Lange bevor die New Yorker Investment­bank kollabiert­e, verlor er 1994 seinen Posten, wegen Alkoholund Kokainmiss­brauchs, wie er später einräumte. Von der Wall Street wechselte er in die Welt der Medien, gemäß der in Amerika so gefeierten Maxime, sich in persönlich­en Krisen neu zu erfinden. Als Trump seine Kandidatur fürs Oval Office verkündete, gehörte er zur überschaub­aren Zahl der Prominente­n, die ihm applaudier­ten.

Der Mann, sagt er heute, habe ihn an Reagan erinnert. Der sei ja im Grunde auch ein Rebell gewesen, der es liebte, gegen den Strich des Establishm­ents zu bürsten.

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Washington forderte Peking schon früher auf, seine derzeit jährlich über 375 Milliarden Dollar Handelsübe­rschüsse mit den USA zu senken.
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Foto: AP Larry Kudlow, TV-Kommentato­r, wechselt ins Weiße Haus.

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