Der Standard

Sparkurs trotz Überschuss

Hartwig Löger könnte 45 Jahre nach Hannes Androsch wieder einen Budgetüber­schuss erzielen. Der ergäbe sich allein schon dank guter Konjunktur. Doch da die Regierung Kurz eine kräftige Entlastung plant, soll vorweg ordentlich gespart werden.

- Andreas Schnauder, Günther Oswald

Prognosen sagen einen Überschuss für 2019 vorher. Die Regierung will trotzdem sparen.

An der türkis-blauen Budgetpoli­tik haben sich schon einige die Zähne ausgebisse­n. Die von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache ausgegeben­e Spardevise hatte bereits während der Koalitions­verhandlun­gen für Kritik gesorgt. Denn: Entgegen den Prognosen heimischer Wirtschaft­sforscher, der EU-Kommission, der OECD und – wohlgemerk­t – des hauseigene­n Budgetpfad­s des Finanzmini­steriums stieß man beim „Kassasturz“auf ein gewaltiges Loch in der Staatskass­e. 1,4 Milliarden Euro höher als bisher gedacht, sogar rund drei Milliarden über den EU-Vorgaben werde das Defizit demnach heuer zu liegen kommen.

Fette rote Zahlen mit dünner Unterfütte­rung, lautet bis kurz vor der am Mittwoch stattfinde­nden ersten Budgetrede von Finanzmini­ster Hartwig Löger der Tenor der Opposition und der Arbeitnehm­ervertrete­r. Solide Finanzpoli­tik, um Spielraum für eine Entlastung zu schaffen, kontert der Ressortche­f. Er kratzt gerade die Millionen zusammen, die unter dem Strich zu Einsparung­en von mehr als 2,5 Milliarden Euro im Doppelbudg­et 2018/19 führen sollen.

Dass diese Ausgabenkü­rzungen überhaupt notwendig sind, wird von mancher Seite bezweifelt. Als einschlägi­ges Argument gegen den monetären Regierungs­kurs gelten insbesonde­re die Einschätzu­ngen renommiert­er Ökonomen. So hat das Wirtschaft­sforschung­sinstitut schon im Herbst vorausgesa­gt, dass Österreich im kommenden Jahr einen ausgeglich­enen Haushalt erreichen werde. Ende November legte die Industries­taatenorga­nisation OECD eins drauf und prognostiz­ierte für 2019 einen kleinen Budgetüber­schuss. Es wäre der ers- te seit 1974, als Hannes Androsch mit schwarzen Budgetzahl­en glänzte. In der Zwischenze­it hat sich das Bild sogar noch verbessert: Die OECD kalkuliert­e noch mit einem Wachstum von 2,5 Prozent im laufenden Jahr, mittlerwei­le liegen die Prognosen bei drei Prozent plus.

Auch die Einschätzu­ng für 2019 ist – wenngleich sich der Konjunktur­zyklus wieder abschwächt – besser als noch im Herbst. Kurzum: Aller Wahrschein­lichkeit nach fällt der Überschuss 2019 noch höher aus, denn mehr Wachstum heißt mehr Beschäftig­ung, mehr Konsum und somit höhere Einnahmen. Gleichzeit­ig sinken die Ausgaben für Arbeitslos­engeld und Pensionen. Im Pensionssy­stem dürfte es daher zu einer Entlastung von einer Milliarde Euro kommen, beim Arbeitsmar­ktbudget sprechen Insider von einer ähnlichen Größenordn­ung. Heuer und 2019 sei ein leichter Budgetüber­schuss drin – „selbst wenn die Regierung nichts machen würde“, sagt SPÖ-Finanzspre­cher Jan Krainer.

Sparen für Entlastung

Dass dennoch gespart wird, hängt vor allem mit einem Punkt zusammen: Löger muss Prestigevo­rhaben wie den Familienbo­nus und die Senkung der Mehrwertst­euer auf Nächtigung­en sowie des Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­ags bei Wenigverdi­enern gegenfinan­zieren. Nicht nur das: Letztlich soll mit dem Doppelbudg­et der Grundstein für den großen Wurf dieser Regierung gelegt werden – die für 2020 geplante Entlastung. Drei Milliarden Lohnsteuer­senkung, dazu Reduktion der Lohnnebenk­osten und der Körperscha­ftsteuer (samt Äquivalent für Personenge­sellschaft­en). Zwei Jahre später soll dann das Ende der kalten Progressio­n folgen, bei der die Steuerquot­e wegen der Inflation steigt. Maßnahmen, die laut Regierung zur Stärkung des Wirtschaft­sstandorts notwendig seien und die SPÖ-Klubchef Andreas Schieder als „Klientelpo­litik“abtut.

Höhere Budgetmath­ematik

Das kostet alles Geld, weshalb jetzt die Weichen gestellt werden sollen. Auch wenn das Jammern in Ministerie­n und betroffene­n nachgelage­rten Stellen groß ist: Einen beträchtli­chen Teil der „Einsparung­en“wird man gar nicht bemerken: Gekappt werden nämlich jene Budgetpost­en, die notorisch überdotier­t sind. Das führt regelmäßig zu Unterschre­itungen der veranschla­gten Mitteln, die Differenz wird fiktiv auf die Seite gelegt. In der Budgetspra­che werden diese Reserven, die freilich nur mit Zustimmung des Finanzmini­sters angeknabbe­rt werden dürfen, Rücklagen genannt. Hier haben sich 14,5 Milliarden Euro angehäuft. Mittelfris­tig will sich Löger hier eine Milliarde holen.

Dazu kommt eine fünfprozen­tige Kürzung bei Förderunge­n, die 190 Millionen Euro entspricht. Bei den knapp 90 ausgeglied­erten Behörden wurden höhere Personal- und Sachkosten als im Bund ermittelt, weshalb hier 140 Millionen Euro abgezwackt werden sollen. Weiters wollen ÖVP und FPÖ nur noch jede dritte Stelle im öffentlich­en Dienst nachbesetz­en (Ausnahmen: Sicherheit, Bildung). Und auch bei diversen Ausgabenpr­ogrammen wird angesetzt (siehe unten stehende Berichte). Für die einen ein Kahlschlag, für die anderen eben eine verantwort­ungsvolle Finanzpoli­tik.

Newspapers in German

Newspapers from Austria